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Jugendinitiative Steinhöring 2000-2004

Zur Schließung des JUTS



Brief der aktiven Jugendlichen an die Gemeinde

Im November 2003


Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,


als wir, die Aktiven des Steinhöringer Jugendtreffs, von der vorübergehenden Schließung unserer Räumlichkeiten erfahren haben, fühlten wir uns zugegebenermaßen im ersten Moment hinsichtlich unserer bisherigen Arbeit unverstanden und übergangen. Uns wurde jedoch bald bewusst, dass uns durch diese unfreiwillige "Schaffenspause" endlich die Möglichkeit gegeben wird, mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten und einen Einblick in unsere Arbeit, die Strukturen, Probleme und die Zukunftsplanung des Jugendtreffs zu geben. Wir haben uns beim Verfassen dieses Artikels große Mühe gegeben, Ihnen ein umfangreiches Bild der Situation nahezulegen und hoffen, dass auf diesem Weg eventuelle Fragen Ihrerseits schnell und einfach beantwortet werden können.


Im Sommer letzten Jahres wurde der Sozialarbeiter Ernst Weeber durch seine leitende Tätigkeit im Stüberl des Steinhöringer BZs, das in einem unerwünscht hohen Maß von Jugendlichen besucht wurde, mit der Problematik eines fehlenden Treffpunktes für junge Menschen in Steinhöring konfrontiert. Als er daraufhin mit einigen jungen engagierten Stüberlbesuchern die Jugendinitiative Steinhöring gründete, deren Ziel es war, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Räumlichkeiten für die Steinhöringer Jugend zu schaffen, waren noch viele Fragen der Organisation ungeklärt. In den zahlreichen darauffolgenden Versammlungen der ungefähr 15 aktiven Mitglieder der Initiative versuchte man sich unter anderem über die Organisationsform des Jugendtreffs zu einigen. Die Idee eines von den Jugendlichen weitgehend selbst verwalteten Jugendzentrums stieß auf eine breite Zustimmung, schloß jedoch eine distanzierte Mitarbeit von einem oder mehreren Erwachsenen nicht aus. Nach der Errichtung der Container am Sportpark und der Schlüsselübergabe im Sommer 2003 an Ernst Weeber und einige Vorstände der Jugendinitiative schien der Gemeinderat die Klärung dieses Organisationsproblemes Ernst Weeber zu überlassen. Leider mussten wir bereits zu diesem Zeitpunkt feststellen, dass die Kommunikation zwischen Gemeinderat und uns Jugendlichen bedauerlicherweise beinahe nur indirekt stattfindet und wir deshalb meist nur andeutungs- oder gerüchteweise darüber informiert sind, wie der Gemeinderat sich den Ablauf in unserem Jugendtreff vorstellt. Ernst Weeber selbst, der zu diesem Zeitpunkt von der Gemeinde für seine Bemühungen in der Jugendarbeit entlohnt wurde, war stets darum bemüht, die Frage nach der Verantwortlichkeit im Einverständnis mit der Steinhöringer Jugend und dem Gemeinderat zu klären. Die Eröffnung der Räumlichkeiten am Sportpark hatte zur Folge, dass die Zahl der aktiven Jugendlichen enorm anstieg, Neuwahlen des Vorstandes stattfanden und sich in zahlreichen intensiven Diskussionen eine Form der Jugendorganisation als die geeignetste herauskristallisierte. Im Einverständnis mit Ernst Weeber beschlossen wir, dass es das beste sei, das Jugendzentrum von Jugendlichen allein nach demokratischen Regeln, die in einer eigenen Satzung festgelegt wurden, verwalten zu lassen und kündigten der Gemeinde unsere Vereinsgründung an. Da uns von Seiten des Gemeinderates keine Gegenstimmen erreichten und diese Planung zudem mit der ursprünglichen Idee Ernst Weebers, nur die Anfänge des Projekts unterstützend zu begleiten, übereinstimmte, konnten wir von einer Befürwortung der Organisationsform ausgehen und begannen, uns in die Materie der Jugendarbeit einzuarbeiten. Wir nahmen Kontakt zum Kreisjugendring Ebersberg auf, der uns durch Sitzungen und ein Wochenend-Seminar mit der Arbeit von Jugendzentren vertraut machte und uns wertvolle Anregungen mit auf den Weg gab. Der Vorstand wurde von drei auf sieben Personen erweitert, Hausordnung und Nutzungsvereinbarung wurden mit der Gemeinde erarbeitet, die Satzung für unseren Verein wurde nach Übereinkunft der circa 30 aktiven Mitglieder in verschiedenen Punkten fertiggestellt und Ernst Weeber zog sich aufgrund unserer eigenständigen effektiven Arbeit weitgehend aus dem Geschehen zurück, weshalb er seit einiger Zeit auch keine Bezahlung durch die Gemeinde mehr entgegennimmt.


Bis zum heutigen Tag hat sich in den Containern am Sportplatz eine Gemeinschaft von Jugendlichen zusammengefunden, deren Teamfähigkeit jeden Tag aufs neue erprobt wird. Die ungefähr 50 - 60 größtenteils sehr interessierten regelmäßigen Besucher des JuTS (Jugendtreff Steinhöring) könnten unterschiedlicher nicht sein. Das Alter der Aktiven erstreckt sich auf einen Bereich von 13 bis 23 Jahren, was die Zusammenarbeit aller Beteiligten durchaus belebt. Das erstaunlichste und äußerst positiv zu bewertende Phänomen bezüglich der Besucherstruktur des Jugendtreffs sind die sehr unterschiedlichen vertretenen Jugendkulturen, die in einer meist sehr angenehmen und harmonischen Atmosphäre zusammenkommen. In den meisten vergleichbaren Jugendeinrichtungen ist ein solch tolerantes und vorurteilsfreies Miteinander erfahrungsgemäß nicht möglich und es freut uns deshalb um so mehr, dass die Steinhöringer Jugend eine gemeinsame Arbeit und vielfältige Bekanntschaften nicht durch die sogenannte "Cliquenbildung" erschwert hat. Durch diese erfreulichen Voraussetzungen war es uns bis zur jetzt unmittelbar anstehenden Vereinsgründung möglich, miteinander ein Konzept der Organisation zu entwerfen und zu lernen, in einer ungewohnt großen Gemeinschaft, die sich selbst hinterfragen und kontrollieren muss, zu agieren. Die demokratischen Strukturen stehen inzwischen fest, Diskussion- und Beschlussforen sind eingerichtet, Verhaltensrichtlinien, Rechte und Pflichten eines jeden Jugendlichen sind jedem Aktiven bewusst. Viele haben gelernt, sich gegenseitig in den alltäglichen Arbeiten wie Putzen oder Einkaufen zu unterstützen und Verantwortung für z.B. den Thekenbetrieb zu übernehmen. Künstlerisch ambitionierte Jugendliche geben sich große Mühe bei der Eigengestaltung der Räumlichkeiten und einige Aktive erproben ihre handwerklichen Fertigkeiten beispielsweise beim Errichten der Theke des Jugendtreffpunktes und der Gestaltung der Außenanlagen.


Als eine zentrale Aufgabe unseres Jugendtreffs ist die universelle Förderung von Fähigkeiten und Interessen der Jugendlichen in diversen Bereichen in der Vereinssatzung festgehalten. Dass in diesem Bereich noch Handlungsbedarf besteht, geben wir gerne zu, möchten jedoch einräumen, dass wir uns in diesem Punkt unserer Arbeit zu organisieren versuchen. Angestrebt werden momentan verschiedene regelmäßige Veranstaltungen, sogenannte "Regulars", deren Inhalt jeweils ein bestimmter Interessenbereich, wie Musizieren, künstlerische und sportliche Betätigung, Fotographie- und Filmprojekte, politische oder anderweitig bildende Diskussionsforen, darstellt. Um diese Veranstaltungen auf die Neigungen der Jugendlichen abzustimmen, sind bereits Fragebögen im Umlauf. Des Weiteren werden demnächst Arbeitskreise, die sich um die Organisation der verschiedenen Veranstaltungen kümmern, gebildet. Geplant ist ebenfalls das gemeinschaftliche Erstellen einer eigenen Homepage, Gruppenausflüge, Informationsveranstaltungen, diverse Aktionen zur Suchtprävention und die Teilnahme am Steinhöringer Weihnachtsmarkt.


Wir hoffen, dass wir der scheinbar leider recht gängigen Meinung in der Bevölkerung "Die saufn da doch eh nur!" mit dieser Darstellung der Situation ein positiveres Bild der Realität entgegensetzen können und Sie alle erkennen, dass in diesem noch unansehnlichen gelben Baucontainer tatsächlich produktive Jugendarbeit geleistet wird.


Trotz alledem sind die Türen unseres Jugendtreffs jetzt bis auf Weiteres verschlossen und das, wie auch wir zugeben müssen, sicherlich nicht ohne jeglichen Grund. Die Beanstandungen wurden hervorgerufen durch zwei Geburtstagsfeiern im Jugendzentrum, die jeweils von einer sehr hohen Anzahl von Jugendlichen besucht wurde. Die Folgen waren nächtliche Ruhestörungen und Sachbeschädigungen in der Umgebung des Jugendtreffs. Wir haben in langen Gesprächen darüber nachgedacht, wie wir diese Verfehlungen denn entschuldigen könnten, sind uns aber letztendlich darüber im Klaren gewesen, dass Entschuldigungen weder den Geschädigten noch uns etwas bringen. Was uns bleibt, ist Ihnen allen zu erklären zu versuchen, aufgrund welcher internen Schwierigkeiten derartige Ausschreitungen nicht verhindert wurden.


Der Hauptkritikpunkt, den wir gegen uns selbst zu richten haben, ist die verspätete Schließung unserer Räumlichkeiten an den besagten zwei Terminen. Dieser Verstoß gegen unseren Teil der Abmachung mit der Gemeinde hat hauptsächlich vereinzelte Startschwierigkeiten bei der Einfindung in unsere Jugendleiterrolle zum Ursprung. Die Jugendlichen, denen die Verantwortung für die Organisation des Jugendtreffs von der Mitgliederversammlung übertragen wurde, finden sich plötzlich in einer Funktion wieder, deren Erfüllung eine intensive Auseinandersetzung und Erprobung ihrer Autorität und ihres Verantwortungsbewusstseins erfordert. In unseren beiden besagten Fällen ließ sich diese ungewohnte Situation dadurch erkennen, dass Vorstände und andere Aktive teilweise Hemmungen hatten, sich der angeregten Stimmung auf den Festen entgegenzustellen und Ihren Freunden und Bekannten gegenüber als Rausschmeißer aufzutreten. Uns ist bewusst, dass die dadurch verzögerte Schließung unseres Jugendtreffs nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Zahlreiche und intensive persönliche Gespräche über die Vorkommnisse sowie Diskussionen in der Gruppe hatten jedoch zur Folge, dass sich die Thematisierung dieser Problematik im Jugendzentrum inzwischen so stark etabliert hat, dass wir äußerst zuversichtlich sind, derartige Situationen in Zukunft gemeinschaftlich meistern zu können.


Bedeutend schwerer fällt es uns, zu den Sachbeschädigungen in der Umgebung unseres Jugendtreffs Stellung zu nehmen, zumal wir nicht in Erfahrung bringen konnten, wer dieselben zu verschulden hat, und sich die Suche nach präventiven Möglichkeiten der Vermeidung weiterer Vorfälle recht schwer gestaltet. In diesem Zusammenhang ist es wohl unvermeidbar, die Geschehnisse mit dem Vorwurf übertriebenen Alkoholkonsums in direkte Verbindung zu bringen. Obwohl wir der Meinung sind, dass manche Menschen auch ohne Alkoholeinfluss imstande sind, ihren Aggressionen in derart unsinniger Weise Luft zu verschaffen, und es zwar naheliegt, dass es an diesen Abenden JuTS-Besuchern an Vernunft stark gefehlt hat, diese Vermutung jedoch nicht bestätigt werden kann, setzen wir uns schon lange mit der Alkohol-Problematik auseinander. Wie in unserer Hausordnung verankert sind wir dazu verpflichtet, zum Einen die Jugendschutzgesetze strikt einzuhalten und zum Anderen verstärkt darauf zu achten, dass der Alkoholkonsum in normalen und geregelten Bahnen verläuft. Dieser zweite Punkt gestaltet sich für die Verantwortlichen bei größeren Festen recht problematisch, da erstens weniger auf den Zustand von Einzelpersonen geachtet werden kann und zweitens vereinzelte Jugendliche (und auch Erwachsene) den Jugendtreff bereits stark alkoholisiert betreten. In den zwei Fällen, in denen der Alkoholkonsum eines Jugendlichen bzw. Erwachsenen jedes Normalmaß überschritten hatte, haben wir die Betroffenen auf schnellstem Weg nach Hause bzw. ins Krankenhaus gebracht. Unsere Optionen im Präventivbereich sind jedoch darauf beschränkt, so viele aktive Jugendliche wie möglich für diese Problematik zu sensibilisieren und die Augen verstärkt offenzuhalten. Wir müssen Sie alle und vor allem die Betroffenen deshalb darum bitten, sich unseren leider eingeschränkten Erziehungs- und Handlungsspielraum bewusst zu machen und zu versuchen, dem Geschehen im Jugendtreff ein gewisses Maß an Toleranz entgegenzubringen.


Viele Steinhöringer Jugendliche sehen das JuTS als ihre Chance, in ihrem Heimatort als aktiver Teil des öffentlichen Geschehens ihre Freizeit nach eigenen Vorstellungen sinnvoll zu gestalten. Und auch wenn der Standort unserer Räumlichkeiten einen anderen Eindruck vermitteln mag, wir wollen uns auf keinen Fall von der Gemeinde abspalten und noch viel weniger wollen wir ausgegrenzt werden. Deshalb sind wir auch so sehr auf einen Vertrauensvorschuss Ihrerseits angewiesen und hoffen auf Ihr so weit wie möglich unvoreingenommenes Interesse an unserem Verein und die Bereitschaft, mit uns persönlich in Kontakt zu treten. Da der Jugendtreff an der Bürgerversammlung am 28. November auch thematisiert werden wird, stehen wir Ihnen gerne vor und nach der Versammlung an einer JuTS-Stellwand Rede und Antwort. Außerdem möchten wir Sie alle gleich an dieser Stelle zu unserem Tag der offenen Tür, der zur Wiedereröffnung der Räumlichkeiten stattfinden wird, herzlich einladen. Wir werden den genauen Termin rechtzeitig bekannt geben und würden uns sehr freuen, wenn Sie zahlreich erscheinen, damit wir Ihre Anregungen und Kritik direkt diskutieren und in unsere zukünftige Arbeit einfließen lassen können. Besonders hoffen wir, die politischen Vertreter unserer Gemeinde, interessierte Jugendliche und besorgte Eltern persönlich am Tag der offenen Tür oder bei einer unserer wöchentlichen Versammlungen (montags um 19 Uhr) begrüßen zu dürfen.


Wenn Sie jetzt immer noch lesen, bleibt uns nur noch, uns für ihr Interesse an unseren zugegebenermaßen etwas langwierigen Ausführungen zu bedanken. Obwohl, wie wir hoffen, durch diesen Bericht ein wenig Licht ins Dunkel unserer Aktivitäten gekommen ist, ist der Gesprächsstoff sicherlich noch lange nicht erschöpft. Wir sind gerne bereit, uns dieser öffentlichen Diskussion zu stellen... und möchten Sie zu guter letzt nur noch einmal darum bitten: Lassen Sie uns an dieser Diskussion nicht nur als Objekt teilnehmen, sondern geben Sie uns die Chance, den Jugendtreff Steinhöring durch direkte Auseinandersetzungen bestmöglich in das Gemeindeleben zu integrieren.


Mit freundlichen Grüßen,


die Aktiven des JuTS



Anmerkung: Dieser Brief wurde von den Aktiven des JUTS gemeinsam ausgearbeitet. Die endgültige Formulierung stammt von Vroni Pfleger.