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Earth Council (Hrsg.)
Die Erd-Charta

(The Earth Charter)






»The Earth Charter is a declaration of fundamental principles for building a just, sustainable, and peaceful global society for the 21st century. Created by global civil society, endorsed by thousands of organizations and institutions, the Charter is not only a call to action, but a motivating force inspiring change the world over.« (www.earthcharter.org)




Die Erd-Charta ist eine Erklärung grundlegender Prinzipien für den Aufbau einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen globalen Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Erstellt durch die globale Zivilgesellschaft, unterzeichnet von Tausenden von Organisationen und Institutionen, ist die Charta nicht nur ein Aufruf zum Handeln, sondern eine motivierende Kraft für den Wandel auf der ganzen Welt.




Links:


www.earthcharter.org – The Earth Charter Initiative (ECI)



www.erdcharta.de – Ökumenische Initiative Eine Welt, mit Download-Möglichkeiten



Die Erd-Charta (PDF – 4 Seiten, 30 KB)



Wikipedia: Erd-Charta





Einführung


Was ist die Erd-Charta?






Die Erd-Charta versteht sich als eine inspirierende Vision grundlegender ethischer Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung und sie soll ein verbindlicher Vertrag der Völker auf der ganzen Welt werden. Grundlegend sind die Achtung vor der Natur, die allgemeinen Menschenrechte, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Kultur des Friedens.






Die Grundsätze der Erd-Charta ergeben zusammen ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung und stellen grundlegende Richtlinien für den Weg dorthin dar. Diese Grundsätze sind hergeleitet aus dem Völkerrecht, aus Wissenschaft, Philosophie, Religion, UN-Gipfeltreffen und den bisherigen Erd-Charta-Gesprächen über eine globale Ethik.






Die Erd-Charta stellt fest, dass die ökologischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und spirituellen Probleme und Hoffnungen der Menschheit eng miteinander verbunden sind. Die Herausforderungen zu Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden sind eng verknüpft mit dem Schutz der Umwelt und der Sorge um das wirtschaftliche Wohlergehen. Nur in einer globalen Partnerschaft und in gemeinsamer Verantwortung können umfassende Lösungen gefunden werden.






Die Initiative für eine Erd-Charta hat weltweit bereits eine längere Geschichte:






Im Jahr 1987 schlug die Weltkommission der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in ihrem Abschlussbericht, dem sog. Brundtland-Bericht, eine Charta der Erde vor, die die Fragen von Umwelt und Entwicklung auf Dauer stärker miteinander vernetzen sollte. Die Brundtland-Kommission hat auch die Zielvorstellungen von einer „nachhaltigen Entwicklung" (sustainable development) zum ersten Mal populär gemacht. Nachhaltige Entwicklung wurde zum führenden Leitbild der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro. In dem Handlungsprogramm „Agenda 21“ wurde es weiter konkretisiert und danach weltweit in vielen lokalen, regionalen und nationalen Agenda 21-Prozessen im Idealfall mit Leben erfüllt.






Mit der Erd-Charta sollte ein grundlegender und verbindlicher ethischer Rahmen für verschiedenen Aufgaben und Anliegen der „Agenda 21" beschrieben und vereinbart werden. Das ist im ersten Anlauf nicht gelungen. Trotz der Anstrengungen von Regierungsvertretern und Nichtregierungsorganisationen gab es in Rio 1992 noch zu viele inhaltliche Streitpunkte um sich auf einen gemeinsamen Text zu verständigen. Insbesondere Gruppen aus den sogenannten Entwicklungsländern sahen sich in der ersten Erdcharta, nicht repräsentiert.






Nach ersten Enttäuschungen kamen dann neue Impulse für eine Erd-Charta-Initiative vom „Rat der Erde" (Earth Council in Costa Rica) und vom „Internationalen Grünen Kreuz" (eine Art „Rotes Kreuz der Umwelt", 1992 von Michail Gorbatschow ins Leben gerufen); gemeinsam engagierten sie sich weiter für die Entwicklung einer Erd-Charta. Unterstützt wurden sie dabei auch durch die niederländische Regierung.






Bei einem gemeinsamen Treffen mit anderen NROs wurde 1995 in Den Haag eine Kommission für die Erd-Charta gegründet mit dem Auftrag, in den nächsten Jahren eine weltweite Konsultation durchzuführen und den Entwurf einer Erd-Charta vorzulegen. Das Sekretariat dieser Kommission befindet sich bis heute beim Earth Council in Costa Rica.






Es wurde eine breite Diskussion in allen Erdteilen initiiert, in deren Verlauf 1997 ein erster und 1999 ein zweiter Textentwurf vorgelegt wurde. Hunderte von Organisationen und Gruppen und Tausende von Einzelpersonen nahmen an diesem Prozess teil. Im März 2000 wurden bei einem Treffen der Kommission in Paris die letzten Eingaben eingearbeitet und die Erd-Charta in einer endgültigen Fassung veröffentlicht. Der offizielle „Stapellauf“ fand im Juni 2000 im Friedenspalais in Den Haag statt.







Die Erd-Charta



„Earth Charter“ – Final Version vom 24. März 2000, deutsche Übersetzung vom 8. Mai 2001







Präambel


Wir stehen an einem kritischen Punkt der Erdgeschichte, an dem die Menschheit den Weg in ihre Zukunft wählen muß. Da die Welt zunehmend miteinander verflochten ist und ökologisch zerbrechlicher wird, birgt die Zukunft gleichzeitig große Gefahren und große Chancen. Wollen wir vorankommen, müssen wir anerkennen, dass wir trotz und gerade in der großartigen Vielfalt von Kulturen und Lebensformen eine einzige menschliche Familie sind, eine globale Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Schicksal. Wir müssen uns zusammentun, um eine nachhaltige Weltgesellschaft zu schaffen, die sich auf Achtung [1] gegenüber der Natur, die allgemeinen Menschenrechte, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Kultur des Friedens gründet. Auf dem Weg dorthin ist es unabdingbar, dass wir, die Völker der Erde, Verantwortung übernehmen füreinander, für die größere Gemeinschaft allen Lebens und für zukünftige Generationen.






Die Erde, unsere Heimat



Die Menschheit ist Teil eines sich ständig fortentwickelnden Universums. Unsere Heimat Erde bietet Lebensraum für eine einzigartige und vielfältige Gemeinschaft von Lebewesen. Naturgewalten machen das Dasein zu einem herausfordernden und ungewissen Ereignis, doch die Erde bietet gleichzeitig alle wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung des Lebens. Die Selbstheilungskräfte [2] der Gemeinschaft allen Lebens und das Wohlergehen der Menschheit hängen davon ab, ob es uns gelingt, eine gesunde Biosphäre zu bewahren mit all ihren ökologischen Systemen, dem Artenreichtum ihrer Pflanzen und Tiere, fruchtbaren Böden, reinen Gewässern und sauberer Luft. Die globale Umwelt mit ihren endlichen Ressourcen ist der gemeinsamen Sorge aller Völker anvertraut. Die Lebensfähigkeit, Vielfalt und Schönheit der Erde zu schützen, ist eine heilige Pflicht.






Die globale Situation



Die vorherrschenden Muster von Produktion und Konsum verursachen Verwüstungen der Umwelt, Raubbau an den Ressourcen und ein massives Artensterben. Sie untergraben unsere Gemeinwesen. Die Erträge der wirtschaftlichen Entwicklung werden nicht gerecht verteilt und die Kluft zwischen Reichen und Armen vertieft sich. Ungerechtigkeit, Armut, Unwissenheit und gewalttätige Konflikte sind weit verbreitet und verursachen große Leiden. Ein beispielloses Bevölkerungswachstum hat die ökologischen und sozialen Systeme überlastet. Die Grundlagen globaler Sicherheit sind bedroht. Dies sind gefährliche Entwicklungen, aber sie sind nicht unabwendbar.






Die Herausforderungen



Wir haben die Wahl: Entweder bilden wir eine globale Partnerschaft, um für die Erde und füreinander zu sorgen, oder wir riskieren, uns selbst und die Vielfalt des Lebens zugrunde zu richten. Notwendig sind grundlegende Änderungen unserer Werte, Institutionen und Lebensweise. Wir müssen uns klar machen: sind die Grundbedürfnisse erst einmal befriedigt, dann bedeutet menschliche Entwicklung vorrangig „mehr Sein" und nicht „mehr Haben". Wir verfügen über das Wissen und die Technik, alle zu versorgen und schädliche Eingriffe in die Umwelt zu vermindern. Das Entstehen einer weltweiten Zivilgesellschaft schafft neue Möglichkeiten, eine demokratische und humane Weltordnung aufzubauen. Unsere ökologischen, sozialen und spirituellen Herausforderungen sind miteinander verknüpft, und nur zusammen können wir umfassende Lösungen entwickeln.






Weltweite Verantwortung



Um diese Wünsche zu verwirklichen, müssen wir uns entschließen, in weltweiter Verantwortung zu leben und uns mit der ganzen Weltgemeinschaft genauso zu identifizieren wie mit unseren Gemeinschaften vor Ort. Wir sind zugleich Bürgerinnen und Bürger verschiedener Nationen und der Einen Welt, in der Lokales und Globales miteinander verknüpft ist. Jeder Mensch ist mitverantwortlich für das gegenwärtige und zukünftige Wohlergehen der Menschheitsfamilie und für das Leben auf der Erde. Der Geist menschlicher Solidarität und die Einsicht in die Verwandtschaft alles Lebendigen werden gestärkt, wenn wir in Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Seins, in Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens und in Bescheidenheit hinsichtlich des Platzes der Menschen in der Natur leben.






Für das ethische Fundament der entstehenden Weltgemeinschaft brauchen wir dringend eine gemeinsame Vision von Grundwerten. Darum formulieren wir in gemeinsamer Hoffnung die folgenden eng zusammenhängenden Grundsätze für einen nachhaltigen Lebensstil. Es sind Leitlinien für das Verhalten jedes Einzelnen, von Organisationen, Unternehmen, Regierungen und übernationalen Einrichtungen.







Grundsätze


I. Achtung vor dem Leben und Sorge für die Gemeinschaft des Lebens




1.


Achtung haben vor der Erde und dem Leben in seiner ganzen Vielfalt.






a.

Erkennen, dass alles, was ist, voneinander abhängig ist und alles, was lebt, einen Wert in sich hat, unabhängig von seinem Nutzwert für die Menschen.







b.

Das Vertrauen bekräftigen in die unveräußerliche Würde eines jeden Menschen und in die intellektuellen, künstlerischen, ethischen und spirituellen Fähigkeiten der Menschheit.





2.


Für die Gemeinschaft des Lebens in Verständnis, Mitgefühl und Liebe sorgen.







a.

Anerkennen, dass mit dem Recht auf Aneignung, Verwaltung und Gebrauch der natürlichen Ressourcen die Pflicht verbunden ist, Umweltschäden zu vermeiden und die Rechte der Menschen zu schützen.







b.

Bekräftigen, dass mit mehr Freiheit, Wissen und Macht auch die Verantwortung für die Förderung des Gemeinwohls wächst.





3.


Gerechte, partizipatorische, nachhaltige und friedliche demokratische Gesellschaften aufbauen.







a.

Sicherstellen, dass die Menschenrechte und Grundfreiheiten überall gewährleistet werden und jeder Mensch die Chance bekommt, seine Begabungen voll zu entfalten.







b.

Soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit fördern, die es allen ermöglicht, ein materiell gesichertes und erfülltes Leben zu führen, ohne dabei ökologische Grenzen zu verletzen.





4.


Die Fülle und Schönheit der Erde für heutige und zukünftige Generationen sichern.







a.

Erkennen, dass die Handlungsfreiheit jeder Generation durch die Bedürfnisse zukünftiger Generationen begrenzt ist.







b.

Künftigen Generationen Werte, Traditionen und Institutionen weitergeben, die ein langfristiges Gedeihen der Erde und der Menschheit fördern.







Um diese vier weitreichenden Selbstverpflichtungen zu erfüllen, ist Folgendes notwendig:







II. Ökologische Ganzheit [3]





5.


Die Ganzheit der Ökosysteme der Erde schützen und wiederherstellen, vor allem die biologische Vielfalt und die natürlichen Prozesse, die das Leben erhalten.






a.

Auf allen Ebenen Pläne und Regeln für eine nachhaltige Entwicklung annehmen, damit Schutz und Wiederherstellung der Umwelt integraler Bestandteil aller Entwicklungsinitiativen werden.







b.

Den Bestand und die Neueinrichtung von Naturschutzgebieten und Biosphären-Reservaten fördern, auch von Wildnisgebieten und geschützten Ozeanen, um die Lebensgrundlagen der Erde zu schützen, biologische Vielfalt zu erhalten und unser Naturerbe zu bewahren.







c.

Die Erholung gefährdeter Artenbestände und Ökosysteme fördern.







d.

Standortfremde oder genetisch manipulierte Organismen kontrollieren und entfernen, wenn sie einheimischen Arten oder der Umwelt schaden; die Ansiedlung derartiger schädlicher Organismen verhindern.







e.

Erneuerbare Ressourcen wie Wasser, Boden, Wald, Lebewesen der Meere so sorgsam nutzen, dass die Erneuerungsraten nicht überschritten werden und die ökologischen Systeme stabil bleiben.







f.

Nicht erneuerbare Ressourcen wie Mineralien und fossile Brennstoffe so fördern und verbrauchen, dass sie nur langsam erschöpft werden und dabei keine ernsthaften Umweltschäden entstehen.





6.


Schäden vermeiden, bevor sie entstehen, ist die beste Umweltschutzpolitik. Bei begrenztem Wissen gilt es, das Vorsorgeprinzip anzuwenden.







a.

Aktiv werden, um die Möglichkeit schwerer oder gar irreversibler Umweltschäden zu verhindern, auch wo wissenschaftliche Kenntnisse fehlen oder keine abschließende Risikoanalyse zulassen.







b.

Die Beweislast denen auferlegen, die behaupten, ein beabsichtigter Eingriff verursache keine signifikanten Schäden. Die Verursacher von Umweltschäden sind als Verantwortliche haftbar zu machen.







c.

Sicherstellen, dass vor allen Entscheidungen die kumulativen, langfristigen, indirekten, weiträumigen und globalen Folgen menschlichen Handelns gründlich erwogen werden.







d.

Jede Art von Umweltverschmutzung verhindern und keine Anreicherung von radioaktiven, giftigen oder anderen gefährlichen Stoffen hinnehmen.







e.

Alle militärischen Aktivitäten, die die Umwelt schädigen, vermeiden.





7.


Produktion, Konsum und Reproduktion so gestalten, dass sie die Erneuerungskräfte der Erde, die Menschenrechte und das Gemeinwohl sichern.







a.

Bei Produktion und Konsum Materialverbrauch reduzieren, Mehrwegsysteme und Recycling bevorzugen und sicherstellen, dass Restabfälle vom ökologischen System unbeschadet aufgenommen werden können.







b.

Energie sparsam und effizient nutzen und sich zunehmend auf erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind stützen.







c.

Die Entwicklung, Anwendung und gerechte globale Verbreitung umweltschonender Techniken fördern.







d.

Die vollen ökologischen und sozialen Kosten von Gütern und Dienstleistungen in den Verkaufspreis einbeziehen. Den Verbrauchern dadurch ermöglichen, die Produkte mit den höchsten ökologischen und sozialen Standards zu erkennen.







e.

Allen Menschen Zugang zu einem Gesundheitswesen sichern, das gesunde und verantwortliche Fortpflanzung fördert.







f.

Einen Lebensstil praktizieren, der die Lebensqualität und materielle Suffizienz in einer begrenzten Welt betont.





8.


Das Studium ökologischer Nachhaltigkeit vorantreiben und den offenen Austausch der erworbenen Erkenntnisse und deren weltweite Anwendung fördern.







a.

Die internationale wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zu nachhaltiger Entwicklung unterstützen und dabei die Bedürfnisse der Entwicklungsländer besonders berücksichtigen.







b.

Das überlieferte Wissen und die spirituelle Weisheit aller Kulturen, die zu Umweltschutz und menschlichem Wohlergehen beitragen, anerkennen und bewahren.







c.

Sicherstellen, dass alle Informationen, die wesentlich und wichtig für die menschliche Gesundheit und den Umweltschutz sind, öffentlich verfügbar bleiben, auch die genetischen Informationen.







III. Soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit





9.


Armut beseitigen als ethisches, soziales und ökologisches Gebot.







a.

Das Recht aller Menschen auf Trinkwasser, saubere Luft, ausreichende und sichere Ernährung, unvergiftete Böden, Obdach und sichere sanitäre Einrichtungen garantieren und die Bereitstellung der dafür erforderlichen nationalen und internationalen Ressourcen sicherstellen.







b.

Allen Menschen den Zugang zu Bildung und den Ressourcen für einen nachhaltigen Lebensunterhalt verschaffen. Für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, ein Netz sozialer Sicherung bereithalten.







c.

Die Unbeachteten achten, die Verwundbaren schützen, den Leidenden dienen und ihnen ermöglichen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Wünsche zu befriedigen.





10.


Sicherstellen, dass wirtschaftliche Tätigkeiten und Einrichtungen auf allen Ebenen die gerechte und nachhaltige Entwicklung voranbringen.







a.

Die gerechte Verteilung von Reichtum innerhalb und zwischen den Nationen fördern.







b.

Die intellektuellen, finanziellen, technischen und sozialen Ressourcen der Entwicklungsländer steigern und sie von drückender Schuldenlast befreien.







c.

Sicherstellen, dass der gesamte Handel zum nachhaltigen Gebrauch der Ressourcen, zum Umweltschutz und zu fortschrittlichen Arbeitsbedingungen beiträgt.







d.

Von multinationalen Unternehmen und internationalen Finanzorganisationen verlangen, transparent im Sinne des Gemeinwohls zu handeln und sie gleichzeitig für die Folgen ihres Handelns verantwortlich machen.





11.


Die Gleichberechtigung der Geschlechter als Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung bejahen und den universellen Zugang zu Bildung, Gesundheitswesen und Wirtschaftsmöglichkeiten gewährleisten.







a.

Die Menschenrechte von Frauen und Mädchen sichern und jede Gewalt gegen sie beenden.







b.

Die aktive Teilhabe der Frauen an allen Bereichen des wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens als gleichberechtigte Partnerinnen, Entscheidungsträgerinnen und Führungskräfte fördern.







c.

Familien stärken und die Sicherheit und liebevolle Entfaltung aller Familienmitglieder gewährleisten.





12.


Am Recht aller – ohne Ausnahme – auf eine natürliche und soziale Umwelt festhalten, welche Menschenwürde, körperliche Gesundheit und spirituelles Wohlergehen unterstützt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Rechten von indigenen Völkern und Minderheiten.







a.

Jede Art von Diskriminierung unterbinden, sei es aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Sprache, sozialer Herkunft, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit.







b.

Das Recht indigener Völker auf eigene Spiritualität, Kenntnisse, Ländereien und Ressourcen und ihren damit verbundenen nachhaltigen Lebensunterhalt bestätigen.







c.

Die jungen Menschen in unseren Gemeinschaften achten und unterstützen, damit sie ihre unverzichtbare Rolle beim Aufbau nachhaltiger Gesellschaften erfüllen können.







d.

Stätten von herausragender kultureller und spiritueller Bedeutung schützen und wiederherstellen.







IV. Demokratie, Gewaltfreiheit und Frieden





13.


Demokratische Einrichtungen auf allen Ebenen stärken, für Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Ausübung von Macht [4] sorgen, einschließlich Mitbestimmung und rechtlichem Gehör.







a.

Am Recht eines jeden Menschen auf klare und rechtzeitige Information in Umweltbelangen und allen Entwicklungsplänen und -tätigkeiten, die ihn berühren können oder an denen er interessiert ist, festhalten.







b.

Die lokale, regionale und globale Zivilgesellschaft unterstützen und die sinnvolle Mitwirkung aller interessierten Personen und Institutionen bei der Entscheidungsfindung fördern.







c.

Das Recht auf Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Organisationsfreiheit und die Freiheit, abweichende Meinungen zu vertreten, schützen.







d.

Effektiven und effizienten Zugang zu Verwaltungsverfahren und unabhängigen Gerichtsverfahren vorsehen, die drohende oder tatsächliche Umweltschäden unterbinden und wiedergutmachen.







e.

Korruption in allen öffentlichen und privaten Einrichtungen bekämpfen.







f.

Lokale Gemeinschaften stärken und ihnen ermöglichen, ihre Umwelt zu schützen. Die Verantwortung für den Umweltschutz auf die Verwaltungsebenen übertragen, auf denen sie am effektivsten wahrgenommen werden kann.





14.


In die formale Bildung und in das lebenslange Lernen das Wissen, die Werte und Fähigkeiten integrieren, die für eine nachhaltige Lebensweise nötig sind.







a.

Für alle, insbesondere für Kinder und Jugendliche, Bildungsmöglichkeiten bereitstellen, die sie zur Mitarbeit an nachhaltiger Entwicklung befähigen.







b.

Das Mitwirken von Kunst und Kultur sowie der Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften bei der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung fördern.







c.

Die Funktion der Massenmedien stärken, Bewusstsein für die bevorstehenden ökologischen und sozialen Herausforderungen zu wecken.







d.

Die Bedeutung der moralischen und spirituellen Bildung für einen nachhaltigen Lebensstil anerkennen.





15.


Alle Lebewesen rücksichtsvoll und mit Achtung behandeln.







a.

Tiere, die von Menschen gehalten werden, vor Grausamkeit und Leiden schützen.







b.

Frei lebende Tiere vor solchen Methoden der Jagd, Fallenstellerei und des Fischfanges schützen, die extremes, unnötig langes oder vermeidbares Leiden verursachen.







c.

Beifang oder Töten von nicht gewünschten Spezies vermeiden oder weitest möglich beenden.





16.


Eine Kultur der Toleranz, der Gewaltlosigkeit und des Friedens fördern.







a.

Gegenseitiges Verstehen, Solidarität und Zusammenarbeit unter allen Völkern und innerhalb und zwischen den Nationen ermutigen und unterstützen.







b.

Umfassende Strategien zur Vermeidung gewaltsamer Konflikte umsetzen und kollektive Wege zur Problembewältigung nutzen, um ökologische und andere Konflikte anzugehen und zu lösen.







c.

Nationale Sicherheitssysteme auf ein nicht bedrohliches Verteidigungsniveau abrüsten und die Umwandlung militärischer Einrichtungen für friedliche Zwecke, einschließlich ökologischer Wiederherstellung, fördern.







d.

Nukleare, biologische und chemische Waffen sowie andere Massenvernichtungswaffen vollständig beseitigen.







e.

Sicherstellen, dass die Nutzung des erdnahen und auch des übrigen Weltraumes Umweltschutz und Frieden fördern.







f.

Anerkennen, dass Frieden die Gesamtheit dessen ist, das geschaffen wird durch rechte Beziehungen zu sich selbst, zu anderen Personen, anderen Kulturen, anderen Lebewesen, der Erde und dem größeren Ganzen, zu dem alles gehört.









Der Weg, der vor uns liegt


Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit fordert uns unser gemeinsames Schicksal dazu auf, einen neuen Anfang zu wagen. Die Grundsätze der Erd-Charta versprechen die notwendige Erneuerung. Um dieses Versprechen zu erfüllen, müssen wir uns selbst verpflichten, uns die Werte und Ziele der Charta zu eigen zu machen und diese zu fördern.






Das erfordert einen Wandel unseres Bewusstseins wie in unseren Herzen. Es geht darum, weltweite gegenseitige Abhängigkeit und universale Verantwortung neu zu begreifen. Wir müssen die Vision eines nachhaltigen Lebensstils mit viel Fantasie entwickeln und anwenden, und zwar auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene. Unsere kulturelle Vielfalt ist ein unschätzbares Erbe und die verschiedenen Kulturen werden auf eigenen, unterschiedlichen Wegen diese Vision verwirklichen. Wir müssen den globalen Dialog, aus dem die Erd-Charta entstanden ist, vertiefen und ausdehnen; denn wir können bei der andauernden gemeinsamen Suche nach Wahrheit und Weisheit viel von einander lernen.






Leben beinhaltet häufig Widersprüche zwischen wichtigen Werten. Das kann schwierige Entscheidungen bedeuten. Aber wir müssen Wege finden, um Vielfalt mit Einheit zu versöhnen, Freiheit mit Gemeinwohl und kurzfristige Anliegen mit langfristigen Zielen. Jeder Einzelne, jede Familie, Organisationen oder Gemeinschaften haben eine wichtige Rolle zu spielen. Kunst und Kultur, Wissenschaften, Religionen, Bildungseinrichtungen, Medien, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Regierungen sind alle aufgerufen, bei diesem Prozess kreativ voranzugehen. Eine Partnerschaft von Regierungen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ist unabdingbar für eine wirkungsvolle Lenkung und Gestaltung unserer Geschicke. [5]






Um eine nachhaltige globale Gemeinschaft aufzubauen, müssen die Nationen der Welt ihre Bindung an die UNO erneuern, ihre Verpflichtungen aufgrund bestehender internationaler Übereinkommen erfüllen, und die Umsetzung der Erd-Charta-Grundsätze zu einem internationalen, rechtlich verbindlichen Instrument für Umwelt und Entwicklung annehmen.






Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird






als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erstarkte,



als eine Zeit, in der nachhaltige Entwicklung entschlossen auf den Weg gebracht wurde,



als eine Zeit, in der das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden neuen Auftrieb bekam und



als eine Zeit der freudigen Feier des Lebens.





Anmerkungen:


[1] Das engl. "respect" haben wir fast durchgehend mit "Achtung" übersetzt; dabei kann es im Einzelnen durchaus auch die Bedeutung von "Respekt" oder "Ehrfurcht" haben. Beides klingt aber auch in "Achtung" mit an. Der Begriff "Respekt" allein wäre uns in der Übersetzung zu wenig gewesen. Die anderen Konnotationen sind also jeweils mit zu hören.






[2] Englisch: "resilience"






[3] engl. "ecological integrity" = Unversehrtheit, Ganzheit, Vollständigkeit; wäre nur unvollständig mit "ökologisches Gleichgewicht" zu übersetzen






[4] engl. "in governance"






[5] engl. "governance"






Die deutsche Übersetzung vom 8.5.2001 ist ein Gemeinschaftsprodukt der Ökumenischen Initiative Eine Welt e.V., unter besonderer Mitwirkung der Hamburger Gruppe, und des BUND. Hilfreiche Hinweise kamen von Prof. Klaus Bosselmann, Auckland / Neuseeland, Daniel Mittler (BUND) und Christine von Weizsäcker. Redaktion: Hermann Garritzmann, Dr. Frank Meyberg, Daniel Mittler