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John Bellamy Foster / Fred Magdoff
Was jeder Umweltschützer über den Kapitalismus wissen muss




Hamburg 2012 (laika diskurs); 148 Seiten; ISBN 978-3942282-37-9
Originaltitel: What Every Environmentalist Needs to Know About Capitalism, New York 2011






Seit das Thema Umweltschutz ins gesellschaftliche Problembewusstsein selbst systemtreuer Bevölkerungsgruppen gerückt ist, wird von einem neuen »grünen Kapitalismus« gesprochen, der die Wunden der Natur nicht nur heilen, sondern gar dem herrschenden Wirtschaftssystem neuen konjunkturellen Schub verleihen soll. Klimawandel, Vergiftung der Meere und Trinkwasserressourcen, zunehmendes Artensterben, Verlust der Biodiversität sowie die Ausbreitung umweltbedingter Erkrankungen sind jedoch von jenem Wirtschaftssystem verursacht, um dessen Erhaltung es den Propheten des »grünen Kapitalismus« geht. Solange die kapitalorientierte Verwertung der Natur im Interesse einer kleinen Gruppe von Produktionsmittelbesitzern nicht überwunden wird, kann es keinen nachhaltigen Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen geben. (Aus der Verlagsankündigung)

„Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andere, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben.“ – Mit diesem Zitat von Friedrich Engels beginnt das Buch, und es enthält auch noch ein paar andere Zitate und Formulierungen, an denen man erkennt, dass es von „Sozialisten“ geschrieben ist – das könnte abschrecken. Doch der Sozialismus, der hier propagiert wird, distanziert sich von den alten zentralistisch-bürokratischen Modellen und verbündet sich mit der Ökologie ebenso wie mit einer Demokratie, „in der die Bürokratie in Schach gehalten wird und die Macht über die Produktion und die Politik wirklich bei den Menschen und ihren Gemeinschaften liegt.“ (S. 135)


John Bellamy Foster


ist Professor für Soziologie an der University of Oregon in Eugene. Er arbeitet und veröffentlicht zu den Themen Politische Ökonomie und Umweltsoziologie und ist Herausgeber des marxistischen Magazins Monthly Review. Fred Magdoff ist Professor für Ökologie und Bodenkunde an der Universität von Vermont und Außerordentlicher Professor für Agrarwissenschaften an der Cornell Universität. Er ist Mitautor des Buches Building Soils for Better Crops und The ABCs of the Economic Crisis.




Fred Magdoff


ist emeritierter Professor an der University of Vermont und außerplanmäßiger Professor an der New Yorker Cornell University. Er hat sich in seinen Schriften ausführlich mit Bodenfruchtbarkeit, Methoden der ökologischen Landwirtschaft sowie politischer Ökonomie beschäftigt und ist Mitautor der Bücher The ABCs of the Economic Crisis (mit Michael D. Yates) und The Great Financial Crisis (mit John Bellamy Foster).


Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Die weltweite ökologische Krise

Business as usual: Wie die Erde zerstört wird
Business as usual – und was es wirklich bedeutet. Ungleichheit – wie üblich.

Das kapitalistische Wachtumsdogma
Der Expansionsdrang kapitalistischer Volkswirtschaften. Monopol und Konkurrenz. Das Problem des Wachstums in gesättigten kapitalistischen Volkswirtschaften. Ist Nullwachstum im Kapitalismus möglich? Das Paradoxon des Wachstums.

Umwelt und Kapitalismus
Der weltweite Wettlauf um Rohstoffe, billigere Arbeitskräfte und neue Märkte. Grenzen bei Umwelt und Rohstoffen. Kapitalistische Ideologie und Sitten. Umweltzerstörung trifft vor allem die Armen. Konjunkturzyklus und Umwelt. Der kapitalistische Staat und die Umwelt.

Kann der Kapitalismus „ergrünen“?
Der Marktmythos. Das neoliberale Demokratiekonzept. Die Umkehrung des Realen. Die Moral des „grünen Kapitalismus“. Ist eine Umkehr des globalen Klimawandels mit dem Kapitalismus vereinbar? Technologien, die energieeffizienter und weniger schädlich sind und/oder weniger Materialeinsatz erfordern. Hochriskante High-Tech-Lösungen. „Saubere Kohle“. Low-Tech-Lösungen. Emissionshandel und andere Marktinstrumente. Die Notwendigkeit für nachhaltige menschliche Entwicklung.

Eine ökologische Revolution ist nicht nur machbar, sondern dringend notwendig
Was kann man jetzt tun? Neu entstehende radikale Bewegungen. Langfristige Lösungen: Der Plan für eine neue Gesellschaft.

Anmerkungen


Leseprobe


siehe die Verlagsseite zu diesem Buch






Zitate






Seite 13:
Die Schädigung der Umwelt ist kein Phänomen der heutigen Zeit, sondern sie ist in der gesamten Geschichte aufgetreten – mit gravierenden Folgen für eine Reihe antiker Zivilisationen, besonders für Mesopotamien und die Maya-Kultur.Beide erlitten größere Zusammenbrüche, die vermutlich ökologische Ursachen hatten. Probleme mit Entwaldung, Bodenerosion und Versalzung bewässerten Böden zogen sich durch die ganze Antike. (…) Die Neuzeit unterscheidet sich davon jedoch insofern, als wir viel zahlreicher geworden sind und einen größeren Teil der Erde besiedeln; wir haben Technologien, die viel größeren Schaden anrichten können, und das wesentlich rascher; und wir haben ein Wirtschaftssystem, das keine Grenzen kennt. Die Schäden, die heute angerichtet werden, sind so umfassend, dass sie nicht nur lokale und regionale Ökosysteme zerstören wie in früheren Zivilisationen, sondern die Umwelt des gesamten Planeten in Mitleidenschaft ziehen und das Überleben der meisten Arten bedrohen, uns selbst eingeschlossen. Es gibt daher wissenschaftlich fundierte Gründe, sich über die rasante weltweite Umweltzerstörung unserer Zeit Sorgen zu machen.

Seite 37:
Das Wirtschaftssystem, das diesen Planeten bis fast in den letzten Winkel dominiert, ist der Kapitalismus. Für die meisten von uns ist er so sehr Teil unseres Lebens, das er so unsichtbar ist wie die Luft die wir atmen. Wir nehmen ihn so wenig war, wie die Fische das Wasser wahrnehmen, in dem sie schwimmen. Der Ethik, Anschauung und den inneren Werten des Kapitalismus passen wir uns an; sie prägen uns seit unserer Kindheit. Unbewusst lernen wir, dass Gier, Ausbeutung von Arbeitern und Konkurrenz (unter Menschen, Unternehmen, Ländern) nicht nur akzeptabel, sondern sogar gut für die Gesellschaft sind, da sie der Wirtschaft helfen, „effizient“ zu funktionieren. Die meisten von uns sind mit dem Kapitalismus so verwachsen, dass sie sich dessen kaum bewusst sind.

Seite 38:
Kurz gesagt, ist Kapitalismus ein ökonomisches und soziales System, in welchem sich die Eigentümer von Kapital (Kapitalisten) den Mehrwert der Produktion aneignen, der von den direkten Produzenten (Arbeitern) erzeugt wurde. Dies führt zur Akkumulation von Kapital – Investment und Anhäufung von Wohlstand – bei den Eigentümern. Die Produktion nimmt die materielle Form der Herstellung von Waren für einen Markt an mit dem Ziel, Profit zu erzeugen und Akkumulation zu fördern. Die Individuen verfolgen in diesem Prozess ihr Eigeninteresse und werden nur durch die Konkurrenz untereinander und die unpersönlichen Kräfte des Marktes reguliert.

Seite 39:
Die Verfechter des Kapitalismus behaupten, dass der das Ganze antreibende Egoismus das System höchst effizient und überaus gerecht mache. Das ist offenkundig falsch. Kapitalismus ist planlos und anarchisch, einmal einem dahintreibenden Boot ähnelnd, ein anderes Mal einem heranrasenden Zug. Sozialstandards und Kontrollen befinden sich auf niedrigem Niveau. Zwangsläufig hat die Produktion und Distribution von Gütern und Dienstleistungen daher viele unbeabsichtigte Konsequenzen. Führende Ökonomen nennen dies „Externalitäten“ – Begleiterscheinungen eines im Grunde jedoch vernünftigen und sozialverträglichen Systems. Dazu gehören die Wasser- und Luftverschmutzung, die Verseuchung des Bodens, das Wohlstandsgefälle, ausgedehnte Perioden hoher Arbeitslosigkeit und das Unvermögen, die existenziellen Grundbedürfnisse aller Menschen zu erfüllen. Externalitäten entstehen, weil sie strukturell von den ökonomischen Kosten und den Profiten des Systems ausgeschlossen werden, obwohl sie volkswirtschaftliche und ökologische Kosten darstellen. Der Ökonom K. William Kapp drückt es so aus: „Der Kapitalismus muss in der Tat als eine Wirtschaft der unbezahlten Kosten bezeichnet werden; ‚unbezahlt‘, weil ein wesentlicher Teil der wirklichen Produktionskosten nicht in die Kalkulationen der Unternehmungen eingeht; stattdessen werden die Kosten auf Drittpersonen oder die Gesellschaft als Ganzes abgewälzt.“

Seite 75:
Der Kapitalismus führt zum Verlust der Verbindung mit der Natur, den Mitmenschen und der Gemeinschaft. Die von diesem System geförderte Kultur der Ichbezogenheit und des Konsums bringt es mit sich, dass die Menschen ihren engen Bezug zur Natur verlieren – die in erster Linie als Fundort von Substanzen betrachtet wird, mit denen sich die Ausbeutung anderer Menschen und anderer Gemeinschaften steigern lässt.

Seite 76 ff:
Ideologisch basiert der Kapitalismus auf der Behauptung, dass jeder oder jede, der seine oder ihre eigenen Interessen verfolgt (Gier), zum Wohl des allgemeinen Interesses und des Wachstums handelt. (…) Anders gesagt: die individuelle Gier hält das System in Betrieb, und die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist ein bloßes Nebenprodukt. (...) Die Einstellungen und Sitten, die für das reibungslose Funktionieren eines solchen Systems ebenso wie für den Einzelnen zum Gedeihen in einer derart gewinnorientierten Gesellschaft notwendig sind – Gier, Individualismus, Konkurrenzdenken, Ausnutzung anderer und Materialismus – werden den Menschen von Schulen, Medien und Arbeitsumfeld laufend eingeimpft. (…) Die Vorstellung von Verantwortung gegenüber anderen und der Gemeinschaft erodiert unter so einem System.

Seite 116:
Tatsache ist, dass die großen Umweltprobleme, denen wir gegenüberstehen – und von denen der Klimawandel nur eines ist – nicht mit technologischen oder marktwirtschaftlichen Mitteln gelöst werden und zugleich die bestehenden sozialen Beziehungen intakt bleiben können. Ein Wandel in den sozialen Beziehungen wird vielmehr am dringendsten gebraucht: in der Gemeinschaft, in Kultur und Wirtschaft, in unseren Beziehungen untereinander als Menschen und unserem Verhältnis zu unseren Planeten. Mit anderen Worten: Nötig ist eine ökologische Revolution.

Seite 129:
Der Übergang zu einer ökologischen und demokratischen Wirtschaft wird schwierig sein und nicht über Nacht geschehen. (...) Es wird eher ein dynamischer, facettenreicher Kampf für einen neuen Gesellschaftsvertrag und ein neues Produktionssystem sein. Der Kampf richtet sich letztlich gegen das System des Kapitals. Beginnen muss er jedoch, indem man sich der Logik des Kapitals widersetzt und versucht, im Hier und Jetzt in den Nischen des Systems einen neuen sozialen Metabolismus zu erschaffen, der in Egalitarismus, Gemeinschaft und einer nachhaltigen Beziehung zur Erde wurzelt. Die Grundlage für eine nachhaltige menschliche Entwicklung muss aus dem Inneren des vom Kapital dominierten Systems kommen, ohne jedoch ein Teil davon zu sein, genau so wie die Bourgeoisie aus den Poren der feudalistischen Gesellschaft selbst aufstieg. Letzten Endes können diese Initiativen stark genug werden, die Basis für eine neue revolutionäre Bewegung und Gesellschaft zu bilden.

Seite 134 f:
Wir brauchen neue Vorstellungen davon, was realisierbare, postkapitalistische Gesellschaften konstituiert – zusammen mit einer Bewegung, die zum Ziel hat, einen vernünftigen, wirtschaftlich und sozial gerechten Stoffkreislauf zwischen Mensch und Umwelt zu etablieren. Diese Art von sozialistischer Gesellschaft, die im 21. Jahrhundert voranschreitet, unterscheidet sich deutlich von den früheren fehlgeschlagenen Versuchen des Übergangs zu postkapitalistischen Systemen. Revolutionen im 20. Jahrhundert entstanden typischerweise in relativ armen, wenig entwickelten Ländern, die schnell isoliert und kontinuierlich von anderen Staaten bedroht wurden. In diesem frühen Stadium der Revolte gegen den Kapitalismus wurden postrevolutionäre Gesellschaften letztendlich für gewöhnlich höchst bürokratisch, und eine Minderheit in staatlicher Verantwortung regierte de facto den Rest der Gesellschaft. Viele der hierarchischen Beziehungen, die den kapitalistischen Produktionsprozess charakterisieren, wurden übernommen (…). Die Arbeiter blieben proletarisiert; die Produktion wurde ausgeweitet um der Produktion willen. Wirkliche soziale Verbesserungen existierten nur allzu oft Seite an Seite mit extremen Formen sozialer Unterdrückung. (...) Revolutionen im frühen 21. Jahrhundert gehen immer noch vorwiegend von den armen Ländern der Peripherie aus. Sie müssen sich gegen enorme, scheinbar unüberwindbare Widerstände zur Wehr setzen und gleichzeitig gegen Imperialismus, Unterentwicklung und Umweltzerstörung kämpfen. Dennoch haben sich die Bedingungen in vieler Hinsicht verändert. Es gibt zunehmend Versuche – zum Beispiel in Venezuela, Bolivien und Kuba (nach 1991) – eine neue Gesellschaft mit substantieller Gleichheit, menschlicher Freiheit und ökologischer Nachhaltigkeit aufzubauen.

Seite 136:
Wir müssen erkennen, dass wir als Menschen ein Teil der Natur sind und nicht etwas von ihr Getrenntes. Die Ausbeutung der Natur in der kapitalistischen Gesellschaft hat ihre Wurzeln in der Ausbeutung der Arbeitskraft. Die Bildung einer Gemeinschaft mit der Natur – als eine Form der Achtung vor der natürlichen Welt – ist essenziell für das Schmieden einer egalitären menschlichen Gemeinschaft.