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Worldwatch Institute (Hrsg.)
in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und Germanwatch
Zur Lage der Welt 2011
Hunger im Überfluss
Neue Strategien gegen Unterernährung und Armut


München 2011 (oekom verlag), 288 Seiten, ISBN-13: 978-3-86581-241-4






Die landwirtschaftliche Entwicklung steht am Scheideweg: Beinahe ein halbes Jahrhundert nach der Grünen Revolution leidet ein großer Teil der menschlichen Weltfamilie immer noch chronisch Hunger. Gleichzeitig befinden sich Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung auf einem historischen Tiefstand.

Im Juli 2009 erhielt das Worldwatch Institute (WWI) einen Zuschuss der Bill und Melinda Gates Stiftung zur Förderung eines zweijährigen Projektes: Es sollte agrarwissenschaftliche Innovationen zur Ernährung der Menschen und des Planeten Erde erfassen und bewerten.

Das Projekt gipfelt in dem mittlerweile 27. Band der renommierten Serie „State of the World“ (dt.: Zur Lage der Welt). Das Buch stellt politischen Entscheidern, Landwirten und Kreditgebern praktische und nachhaltige Lösungen vor, um Hunger und Armut auf der Welt zu verringern.


Worldwatch Institute


Worldwatch ist eine unabhängige, weltweit ausgerichtete Forschungsorganisation für Umweltfragen und Probleme der Sozialpolitik mit Sitz in Washington, D. C. Seine einzigartige Verbindung von interdisziplinärer Forschung und allgemein zugänglichen Publikationen hat das Institut zu einer führenden Autorität gemacht, wenn es um die Belange einer umweltschonenden und sozial gerechten Gesellschaft geht. In den vier Hauptforschungsfeldern des Instituts – Menschen, Natur, Energie und Ökonomie – befassen sich die Forscher von Worldwatch mit einer Vielzahl von Gegenständen wie Bevölkerung, Ernährung, Wasser, Urbanisierung, Meere, Wälder, ansteckende Krankheiten, Bioinvasion, Verschmutzung, Materialgebrauch, Energie, Klimawandel, Transportwesen, Konsum, Sicherheit, Globalisierung und Herrschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Informationstechnologie. Jedes Jahr stellt Worldwatch seine Ergebnisse in einigen Publikationen vor, zu denen auch die Jahrbücher State of the World (Zur Lage der Welt) und Vital Signs gehören. Das erste Worldwatch Paper erschien 1975. Seit jenem Jahr hat Worldwatch mehr als 160 Forschungsberichte veröffentlicht, die sich mit vielen der dringlichsten ökonomischen, sozialen und Umweltfragen in der Welt befassen. Das Institut veröffentlichte seinen Jahresbericht „Zur Lage der Welt“ erstmals 1984.


Heinrich-Böll-Stiftung


Die Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in den Hackeschen Höfen im Herzen Berlins ist eine politische Stiftung und steht der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahe. Die Stiftung arbeitet in rechtlicher Selbstständigkeit und geistiger Offenheit. Heinrich Bölls Ermutigung zur zivilgesellschaftlichen Einmischung in die Politik ist Vorbild für die Arbeit der Stiftung. Ihre vorrangige Aufgabe ist die politische Bildung im In- und Ausland zur Förderung der demokratischen Willensbildung, des gesellschaftspolitischen Engagements und der Völkerverständigung. Dabei orientiert sie sich an den politischen Grundwerten Ökologie, Demokratie, Solidarität und Gewaltfreiheit. Die Stiftung engagiert sich in der Welt durch die Zusammenarbeit mit rund 200 Projektpartnern in über 60 Ländern auf vier Kontinenten.


Germanwatch


Seit 1991 setzt sich Germanwatch für eine zukunftsfähige Entwicklung ein. Denn durch karitative Hilfsmaßnahmen allein können soziale und ökologische Katastrophen und allmähliche Verschlechterung der Lebensumstände in Ländern der sogenannten Dritten Welt nicht verhindert werden. Vielmehr muss an den Ursachen gearbeitet werden, die in den globalen Wirtschaftsstrukturen und der Ungerechtigkeit der Güterverteilung liegen. Politik und Wirtschaft der Industrieländer müssen sich in vielfacher Weise neu orientieren, um zukunftsfähiger zu werden. In diesem Sinne betrachtet Germanwatch auch die Industriestaaten als "Entwicklungsländer". Mit wissenschaftlich fundierten, umwelt- und entwicklungspolitischen Lösungsvorschlägen spricht Germanwatch Regierungs- und Wirtschaftsvertreter persönlich an und findet dort zunehmend Gehör. Ziel von Germanwatch ist nicht nur eine effiziente Arbeit für eine zukunftsfähige Nord-Süd-Politik, sondern die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für komplexe entwicklungspolitische Themen. Germanwatch versteht sich hier auch als Informant für Presse- und Medienvertreterinnen.


Inhaltsverzeichnis


auf der Website des Oekom-Verlags (PDF)






Vorwort der deutschen Herausgeber
Vorwort von Olivier de Schutter

Einleitung von Christopher Flavin
Von Fleisch und Fairness – Innovationen für eine ökologische EU-Agrarpolitik von Christine Chemnitz, Tobias Reichert

Kapitel 1
Ein neuer Weg zur Abschaffung des Hungers von Brian Halweil, Danielle Nierenberg

— Vom Feld: Maßstäbe für den Erfolg bei der landwirtschaftlichen Entwicklung

Kapitel 2
Öko wird Mainstream von Louise E. Buck, Sara J. Scherr

— Vom Feld: Innovationen bei der Reiszüchtung in Madagaskar

Kapitel 3
Gemüse! von Abdou Tenkouano

— Vom Feld: Beim One Acre Fund stehen die Bauern an erster Stelle

Kapitel 4
Tropfen für Tropfen mehr Ertrag von Sandra L. Postel

— Vom Feld: Regenwassergewinnung

Kapitel 5
Rettung für die Böden – Hilfe für die Menschen von Roland Bunch

— Vom Feld: Neue Manioksorten auf Sansibar

Kapitel 6
Alles so schön bunt hier! Wie man die Vielfalt einheimischer Lebensmittel schützt von Serena Milano

— Vom Feld: Die Vorteile von Solarkochern im Senegal

Kapitel 7 – Landwirtschaft gegen Klimawandel
Agnostisch gegen den Klimawandel von David Lobell, Marshall Burke
Vom Meerrettichbaum und anderen Kämpfern gegen den Hunger von Chris Reij
Die Klimakrise auf unseren Tellern von Anna Lappé

— Vom Feld: Eine Immergrüne Revolution für Afrika

Kapitel 8
Gute Ernte – hohe Verluste von Tristram Stuart

— Vom Feld: Mit dem Tagesfang sein Einkommen aufbessern

Kapitel 9
Hungernde Städte, satte Städte von Nancy Karanja, Mary Njenga

— Vom Feld: Das (große und kleine) Geschäft für die Landwirtschaft

Kapitel 10
Bäuerinnen in Afrika: Endlich die eigenen Früchte ernten von Dianne Forte, Royce Gloria Androa, Marie-Ange Binagwaho

— Vom Feld: »Bauerntheater« mal ganz anders

Kapitel 11
Der Wert des Landes: Ausverkauf von Afrikas Feldern von Andrew Rice

Kapitel 12
Hunger bei Überschüssen – von Preisen und anderen Problemen von Samuel Fromartz

— Vom Feld: Kirchenarbeit jenseits der Hungernothilfe

Kapitel 13
Von Rindern und Kleinvieh – mit Nutztieren gegen Hunger und Armut von Mario Herrero mit Susan MacMillan, Nancy Johnson, Polly Ericksen, Alan Duncan, Delia Grace und Philip K. Thornton

— Vom Feld: »Färsengeld«: Kleinbäuerliche Nutztierhaltung in Ruanda

Kapitel 14 – Ein Wegweiser zur Ernährung der Welt
Innovationen zum Verständnis komplexer Systeme von Hans R. Herren
Innovationen bei der Bewertung landwirtschaftlicher Entwicklungsprojekte von Charles Benbrook
Innovationen in Institutionen für Mensch und Erde von Marcia Ishii-Eiteman
Innovationen für die Governance von Anuradha Mittal
Innovationen bei den politischen Reformen von Alexandra Spieldoch

Anmerkungen


Leseproben


Vorwort der deutschen Herausgeber






Kann die Erde heute und in Zukunft alle Menschen ausreichend und gesund ernähren? Ja, sie kann. Aber nur, wenn ein grundlegendes Umdenken bei der landwirtschaft lichen Produktion, bei der nationalen und internationalen Verteilung und Nutzung von Ressourcen und bei den weltweiten Konsumgewohnheiten stattfindet.

Dass jeder sechste Mensch auf der Welt hungert, liegt nicht daran, dass zu wenig Nahrungsmittel produziert werden. Im Gegenteil: Mit 2,3 Milliarden Tonnen Getreide wurde im Jahr 2008 mehr geerntet als je zuvor. Doch fast 40 Prozent des Getreides wird in Industrieländern genutzt – für Lebens- und Konsumgewohnheiten, die weder nachhaltig noch fair oder gesund sind. Fast die Hälfte der Agrarprodukte weltweit wird heute gar nicht direkt für den menschlichen Konsum verwendet, sondern zuerst als Tierfutter genutzt oder gar zu Treibstoff oder Industrierohstoffen verarbeitet – Tendenz steigend.

Diese Entwicklung ist ein Grund dafür, dass die Preise für Agrarprodukte seit der Jahrtausendwende steigen. Allein die hohen Agrarpreise im Jahr 2008 haben dazu geführt, dass zusätzliche 150 Millionen Menschen akut von Hunger betroffen waren. Die Bauern selbst profitieren kaum von den hohen Preisen. Die Gewinne verbleiben bei den großen Händlern, Produktionsmittel werden teurer, und häufig fehlt es an Land und Wasser, um den Preisanreizen zu folgen und die Produktion auszuweiten.

Das derzeitige industrielle Agrarmodell ist nicht zukunftsfähig. Wie muss also eine Landwirtschaft aussehen, die Hunger bekämpft, eine steigende Weltbevölkerung ernährt und gleichzeitig Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels und den Erhalt von Ökosystemen bietet? Wie kann eine Landwirtschaft aussehen, die das Menschenrecht auf Nahrung ernst nimmt?

Mit dem Weltagrarbericht (IAASTD) wurde 2008 erstmals auf globaler Ebene ein Dokument entwickelt, das diese Fragen ins Zentrum seiner Empfehlungen stellt. Die Landwirtschaft wird in ihrer Multifunktionalität anerkannt. Sie produziert nicht nur Lebensmittel, sondern ist bedeutsam als Lebensgrundlage für die ländliche Bevölkerung sowie den Erhalt von Ökosystemen und Ressourcen.

Der diesjährige Bericht zur Lage der Welt zeigt praktische Ansätze, wie dies alles erreicht werden kann. Lokale Fähigkeiten und lokales Wissen der Produzentinnen und Produzenten werden ernst genommen. Vielfältige Beispiele ermutigen zum Handeln.

Statt kapital- und technologieintensive Großbetriebe und -plantagen zu begünstigen, sollen Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Nord und Süd fließen. Die natürliche Bodenfruchtbarkeit muss auch aus ökologischen Gründen in den Vordergrund rücken. Die wachsenden städtischen Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern sollten vor allem und wo immer möglich aus einheimischer Produktion versorgt werden. Das schafft Einkommen und Beschäftigung für Bauern, verarbeitende Unternehmen und Händler. Diese Ausrichtung auf die nationale Ernährungssicherheit muss flankiert und unterstützt werden durch eine entsprechende internationale Agrar- und Handelspolitik, allen voran der Europäischen Union, die diese Anstrengungen nicht unterläuft, sondern befördert.

Afrika ist der Schwerpunkt des diesjährigen Berichts zur Lage der Welt. Dort werden in den nächsten Jahrzehnten die Bevölkerung und auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln immens anwachsen, und dort leidet schon heute ein großer Teil der Menschen unter Armut, Hunger und den Folgen des Klimawandels.

Eine entscheidende Frage globaler Dimension im 21. Jahrhundert heißt: Kann die internationale Gemeinschaft ein Landwirtschafts- und Ernährungsmodell etablieren, das die voraussichtlich neun Milliarden Menschen im Jahre 2050 nachhaltig und gesund ernähren kann? Die Antworten müssen wir bald geben und die Weichen heute stellen.

Berlin, im Januar 2011






Barbara Unmüßig
Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Klaus Milke
Vorstandsvorsitzender Germanwatch






auf der Website des Oekom-Verlags: Kapitel 1 (PDF)