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Joanna Macy und Molly Young Brown
Die Reise ins lebendige Leben

Strategien zum Aufbau einer zukunftsfähigen Welt


Paderborn 2003, 2. Auflage 2007 (Junfermann); 260 Seiten; ISBN: 978-3-87387-548-7
Die amerikanische Orifinalfassung erschien 1998 unter dem Titel:
Coming Back To Life. Practices to Reconnect Our Lives, Our World.






Dieses Buch ist ein Reiseführer. Seine Landkarten weisen uns Wege zu der Lebenskraft und der Entschlossenheit, die jeder und jedem von uns innewohnen und die uns alle befähigen, an der Heilung unserer Welt mitzuwirken. Die Arbeit, die es beschreibt, ist in den letzten fünfundzwanzig Jahren entstanden und hat Hunderttausenden Männern und Frauen rund um den Erdball geholfen, Solidarität und Rückhalt zu finden und mutig zu handeln, trotz der rapiden Verschlechterung unserer sozialen und ökologischen Lebensbedingungen.

Man kann diese Arbeit für sich allein machen. Sie hat das Leben zahlloser Menschen verändert. Ihre größte Wirkung zeigt die Arbeit aber in Gruppen, zumal sie aus der Gruppenarbeit und in Workshopsituationen entstanden ist. Viele Menschen haben durch diese Methode bemerkenswerte neue Einsichten in die Wahrheit über unsere gemeinsame Situation erlangt, und das in sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, vom Klassenzimmer bis zur Konferenz, von Kirchen bis zu Organisationstreffen. Und weil sie uns gegenseitig und mit all den Wesen auf der Erde wieder verbindet, unsere Leidenschaft für das Leben weckt und unsere Kräfte, es zu schützen, anregt, deshalb haben wir sie einfach die Arbeit, die wieder verbindet, genannt. (…)


(Vorbemerkungen von Joanna Macy – Fortsetzung)


Joanna Macy


Ph. D., lehrt Buddhismus, Allgemeine Systemtheorie und Tiefe Ökologie. Zugleich gilt sie als eine der führenden Stimmen in der Bewegung für Frieden, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Umwelt. Vor dem Hintergrund ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit und der Erfahrung von vier Jahrzehnten politisch aktiven Handelns hat sie einen wegweisenden theoretischen Rahmen für das neue Paradigma des persönlichen und gesellschaftlichen Wandels geschaffen. Joanna Macy hält Vorträge, Workshops und Trainings in allen Erdteilen. Sie lebt in Berkeley und lehrt als freie Professorin an der Starr King School of the Ministry und der University of Creation Spirituality.




Molly Young Brown


ist seit mehr als 20 Jahren in der transpersonalen Psychologie und der Psychosynthese aktiv und arbeitete eng mit dem Begründer der Psychosynthese, Roberto Assagioli, in Italien zusammen. Sie hat Ausbildungs-Lehrgänge und Workshops international geschaffen und geleitet, bis 1986 als Co-Leiterin der Intermountain Associates for Psychosynthesis in New Mexico, Initiatorin und Co-Leiterin des Sowjetischen Psychosynthese Projektes. Sie unterrichtet Psychosynthese und System-Veränderung in der Fakultät für Holistische Studien an der John F. Kennedy Universität und am Institut für Kultur und Schöpfungs-Spiritualität in Oakland. In den letzten Jahren arbeitete sie eng mit der Autorin/Ausbildnerin Joanna Macy bei der Entwicklung von Kursen in Tiefen-Ökologie, angewandter System-Theorie und Ökopsychologie zusammen.


Inhaltsverzeichnis


Zur Zukunft fähig werden – Vorwort zur deutschen Ausgabe von Nikolaus Einhorn und Norbert Gahbler



Grußwort des Dalai Lama



Vorbemerkungen von Joanna Macy



Vorbemerkungen von Molly Young Brown






1. Für das Leben



Die Entscheidung für eine nachhaltige Welt



Der Große Wandel



I.

„Rettungsaktionen“ zum Schutz des Lebens auf der Erde



II.

Die Analyse struktureller Ursachen und die Schaffung alternativer Strukturen



III.

Eine veränderte Wahrnehmung der Realität – kognitiv und spirituell






2. Die größte Gefahr – Apathie: Gleichgültigkeit, die Verstand und Herz abstumpfen lässt



Schmerz um die Welt



Psychologische Ursachen der Verdrängung




Angst vor dem Schmerz
Angst vor der Verzweiflung
Angst davor, als schwach zu gelten
Mangelndes Vertrauen in die eigene Intelligenz
Angst vor der eigenen Mitschuld
Angst davor, andere zu beunruhigen
Angst, als labil oder als zu emotional zu gelten
Glaube an ein eigenständiges Selbst
Angst vor der eigenen Machtlosigkeit



Sozioökonomische Ursachen der Verdrängung




Massenmedien
Zeit- und Arbeitsdruck
Soziale Gewalt



Konsequenzen der Verdrängung




Innere Zerrissenheit und Entfremdung
Ersatzhandlungen
Schuldzuweisung und die Suche nach Sündenböcken
Politische Passivität
Schmerzlichen Nachrichten ausweichen
Die Beeinträchtigung unseres Intellekts
Das Burnout-Syndrom
Das Gefühl von Ohnmacht



Sich daraus befreien






3. Das grundlegende Geheimnis: unsere wahre Natur, unsere Macht



Systemtheorie




Wie sich das Leben selbst-organisiert
Feuer, Wasser und das Gewebe
Der holonische Wandel des Bewusstseins
Die Gaia-Theorie
Positiver Zerfall



Tiefe Ökologie




Die Überwindung des Anthropozentrismus
Das ökologische Selbst
Immer tiefer fragen
Verwandte Bewegungen: Ökofeminismus, Ökogerechtigkeit, Ökophilosophie



Das Alte Wissen




Die Abrahamitischen Religionen
Erdreligionen
Buddhistische Lehren



Die wahre Natur unserer Macht, unserer Kraft




Macht über (jemanden oder etwas)
Macht mit (jemandem oder etwas)
Macht und Feedback
Die Macht der Enthüllung und der Verweigerung
Synergie und Gnade






4. Die Arbeit, die wieder verbindet



Die Ziele der Arbeit



Theoretische Grundlagen



Die Shambhala-Prophezeiung






5. Das Anleiten von Gruppen



TEIL 1




Warum in Gruppen arbeiten?
Die Rolle des Anleitens
Mit starken Gefühlen arbeiten
Persönliche Verzweiflung und gesellschaftliche Verzweiflung
Schwierigkeiten beim Anleiten von Workshopgruppen



TEIL 2




Die äußeren Bedingungen des Workshops
Der Ablauf
Eröffnung des Workshops
Hilfen für die Teilnehmenden: offenes Sprechen und aktives Zuhören
Die Gruppenenergie stützen und die aktive Teilnahme wachhalten
Beendigung des Workshops






6. Wir beginnen mit Dankbarkeit



Der Wert der Dankbarkeit



Übungen




Warmwerden: Öffnung durch Atem, Körper, Tönen und Stille
Die Eröffnungsrunde
Brainstorming über den Großen Wandel
Vertrauensspaziergang: „Schau in den Spiegel“



Das Thema Dankbarkeit im weiteren Verlauf des Workshops






7. Verzweiflungsarbeit: Unseren Schmerz um die Welt annehmen und würdigen



Vorbemerkungen zum Anleiten dieser Übung



Übungen




Sich mitteilen in kleinen Gruppen
Mitten im Leben
Offene Sätze
Es ist mir egal
Das Wahrheitsmandala
Das Verzweiflungsritual
Spontanes Schreiben
Innere Bilder mit Farben oder mit Ton gestalten






8. Die Wende: Mit neuen Augen sehen



Wie geschieht diese Wende?



TEIL I




Schlüsselkonzepte
Hinweise für die Vermittlung der Schlüsselkonzepte



TEIL II: Übungen




Das System-Spiel
Wachsende Ringe
Das Wiegen
„Sage mir, wer du bist“
Der Tanz zur Zerstückelung des Egos
Meine Entscheidungen in diesem Leben
Das Rad des Großen Wandels






9. Die Tiefe Zeit:
Wie wir uns wieder verbinden mit den Generationen der Vergangenheit und der Zukunft



Ein gesünderes Verhältnis zur Zeit



Übungen




Die Anrufung der Wesen der drei Zeiten
Die Gaben der Vorfahren ernten
Heute in dreißig Jahren
Tonbandaufnahmen aus der Zukunft
Ein Brief aus der Zukunft
Der Doppelkreis






10. Die Konferenz des Lebens: Ein Bund mit der natürlichen Welt



Entstehung und Ziel der tiefenökologischen Arbeit



Übungen




Bericht an Häuptling Seattle
Die evolutionären Geschenke der Tiere
Das evolutionäre Erinnern
Das Bestiarium
Der Klagekreis
Die Konferenz des Lebens






11. Hinausgehen – auf die Reise ins lebendige Leben



Was haben wir gelernt, was bringen wir mit in unser Alltagsleben und in unsere Lebenszusammenhänge?



Übungen




Geschichten von der Macht
Wie wir uns unsere Macht und Kraft vorstellen
Ziele und Hilfsmittel
Beratungsgruppen
Das Klärungskomitee
Aktionen vorbereiten
Wir verneigen uns vor unseren Widersachern
Darüber sprechen, was uns mit Sorge erfüllt und was uns Hoffnung macht – Die Übung
Darüber sprechen, was uns mit Sorge erfüllt und was uns Hoffnung macht – Ein Leitfaden
Netzwerk-Arbeit
Hindernisse überwinden
Den eigenen Weg bekräftigen
Der Kreis der Segnung






12. Mediationen für die Reise ins lebendige Leben




Das Gewebe des Lebens
Gaia-Meditation
Meditation über den Tod
Meditation über die liebevolle Freundlichkeit
Das Durch-Atmen
Den großen Ball der guten Taten formen
Einander sehen lernen







Anhang A: Die Rede des Häuptlings Seattle



Anhang B: Das Bestiarium



Anhang C: Die Konferenz des Lebens: Ein Ort spricht



Nachwort zur deutschen Ausgabe von Joanna Macy






Literatur, Kontakte, Anmerkungen, Personen- und Stichwortverzeichnis


Leseprobe


Vorbemerkungen von Joanna Macy



(Fortsetzung)






Zu Beginn nannten meine Kollegen und ich sie die „Arbeit mit der Verzweiflung und Ermutigung“, wegen ihrer zentralen Dynamik – den tiefen und existenziellen Veränderungen, welche geschehen, wenn wir unseren Schmerz für die Welt annehmen und ihn nutzen, statt ihn zu unterdrücken. So wurde sie auch in meinem Buch „Mut in der Bedrohung" (1986) beschrieben. Später fand der Begriff „Tiefe Ökologie“ (oder „Tiefenökologie“) Einlass in den Sprachgebrauch, da sie ihre Kraft aus unserer wechselseitigen Verbundenheit mit allen Wesen im großen Gewebe des Lebens bezieht. In „Denken wie ein Berg – Die Konferenz des Lebens“ (1989) haben meine Mitautoren und ich einige der neueren Erkenntnisse und Übungen dargestellt, die aus unserem Verständnis der Tiefen Ökologie gewachsen sind.






Die Begriffe haben heute noch ihre Gültigkeit. Beide Namen werden heute von vielen Gruppen und in vielen Büchern für die sich ständig ausweitende Arbeit rund um den Erdball verwendet. Doch beim Schreiben dieses Buches, das Sie nun in Ihren Händen halten, zögerten meine Mitautorin Molly Brown und ich, die Begriffe weiter zu verwenden. Wir fürchteten, sie könnten Menschen verwirren („Verzweiflung? Wer ist denn hier verzweifelt?“) oder ihnen das Gefühl vermitteln, die Arbeit gehöre einer bestimmten philosophischen Schule an („Was bedeutet Tiefenökologie?“). Die Arbeit hat sich in ihrer Wirksamkeit und Vielseitigkeit so sehr bewährt, dass wir den Kreis der Menschen, die sich von ihr angesprochen fühlen, nicht durch Namen und Begriffe unnötig einschränken wollen. Sie ist nicht nur für die vielen Männer, Frauen und die jungen Menschen da, die in den letzten zwei Jahrzehnten daraus ihren Nutzen gezogen haben und deren Weiterentwicklung sie inspiriert hat. Gemeinsam mit ihnen fühlen wir, dass diese Arbeit für alle Menschen da ist, die auf die Zukunft setzen.






Eine Zukunft, die zunehmend gefährdet scheint. Kriege entzünden sich überall auf der Erde; Wälder werden dem Erdboden gleich gemacht; Hungrige und Obdachlose leben auf unseren Straßen; wir finden Gifte in unserer Nahrung, im Wasser, in der Luft, in der Muttermilch; ganze Tier- und Pflanzenarten, ganze Kulturen werden ausgerottet. Da wird es immer schwieriger, Hoffnung in unsere gemeinsame Reise zu setzen. Wir sind versucht, uns zu verschließen, den Blick auf uns und unsere Familie zu beschränken, das kurzfristige Überleben zu sichern. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten mag die Herausforderung, eine zukunftsfähige Gesellschaft zu formen, geradezu absurd und unmöglich erscheinen.






Und doch keimt hier und jetzt die langfristig lebenserhaltende Gesellschaftsform, von der die Zukunft abhängt. Ihre Saat sprießt in den zahllosen Aktionen, die zum Schutz des Lebens durchgeführt werden, und in der neuen Sichtweise auf unsere wechselseitige Zusammengehörigkeit im lebendigen Körper der Erde – kühne, neue Erkenntnisse, sowohl von naturwissenschaftlicher als auch von spiritueller Seite. Auch wenn wir nichts davon in den allmorgendlichen Schlagzeilen und in der abendlichen Tagesschau finden, geht doch eine stille Revolution vonstatten. Sie bringt uns nie dagewesene Veränderungen in der Art und Weise, wie wir die Dinge sehen, wie wir denken und uns verhalten. Ich stelle mir vor, dass zukünftige Generationen auf diese Jahrzehnte zurückschauen und sie die Zeit des „Großen Wandels“ nennen werden. Es ist dies ein epochaler Umbruch von der selbstzerstörerischen industriellen Wachstumsgesellschaft hin zu einer langfristig lebenserhaltenden Gesellschaft.






Die Arbeit, wie wir sie hier vorstellen, zielt darauf ab, jeder und jedem Einzelnen von uns zu helfen, unsere Rolle zu spielen beim „Großen Wandel“. Ihre Qualität liegt nicht etwa darin, irgendeine ideologisch gefärbte Zustandsanalyse oder Lösungsvorschläge zu präsentieren, sondern darin, unseren Willen zu wecken. Die interaktiven Übungen legen unsere tiefsten Beweggründe frei, an der Gesundung unserer Welt teilzuhaben. Sie greifen unsere Sehnsüchte auf und verhelfen uns gerade dadurch zu dem Mut, der Bereitschaft, uns einzulassen, und zu der Gemeinschaftlichkeit, die wir benötigen, um unser Leben zu ändern und zur Wiedergesundung unserer Welt beizutragen. Unsere Methoden beruhen auf Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft ebenso wie auf wiederentdeckten uralten geistigen Lehren und lassen diese Erkenntnisse lebendig erfahrbar und praktisch anwendbar werden.






Wenn wir die Augen offen halten, stoßen wir auf viele Schätze, die uns beim „Großen Wandel“, von dem ja unsere Zukunft abhängt, von Nutzen sein können. Diese reichen von den alten Überlieferungen bis zu modernsten Forschungserkenntnissen. In meinem eigenen Leben gab es starke Strömungen, die die Arbeit, die wieder verbindet, genährt und geformt haben. Durch meinen Großvater, einen protestantischen Prediger, waren meine frühen Jahre geprägt von Einstellungen aus der jüdisch-christlichen Lehre – besonders Jesaja und Jesus –, die besagten, dass wir für etwas Größeres hier auf Erden sind als das Streben nach rein persönlichen Zielen. Meine Doktoranden-Studien in der allgemeinen Theorie lebender Systeme haben mich mit wertvollen Einsichten und begrifflichen Werkzeugen ausgestattet. Und das gilt auch für den Buddhismus, der in den letzten fünfunddreißig Jahren mein Leben zutiefst bereichert und erhellt hat. Der Buddha Dharma bringt mich dazu, in meinen Gedanken die Arbeit, wie sie in diesem Buch beschrieben ist, als Bodhisattva-Training zu verstehen. Bodhisattva ist im Buddhismus die Verkörperung des Mitgefühls. Bodhisattvas handeln einfach und mutig zum Wohl aller Wesen und nähren dabei ihre Lebenskraft – ja sogar ihre Befreiung – durch die wechselseitige Verbundenheit mit allen und allem.






Jeder Mensch, der oder die sich in der Arbeit, die wieder verbindet, engagiert, verfügt über entsprechende Stärken. Molly Brown, meine Mitautorin, kann aus ihrer Kindheit in Los Alamos und auch aus ihrer Ausbildung und Praxis in der Psychosynthese schöpfen. Andere Kolleginnen und Kollegen bringen ihr Hintergrundwissen und Können als Künstler-, Naturforscher oder Geistliche mit ein. Und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, werden – so hoffe ich –, wenn Sie dieses Buch lesen, dabei auch Ihre eigenen persönlichen Erfahrungen und Stärken entdecken.






Was Sie hier in Ihren Händen halten, ist ein Handbuch für die Arbeit, die wieder verbindet. Ich möchte Sie einladen, es entsprechend zu nutzen.






Die ersten drei Kapitel fassen die Grundlagen der Arbeit zusammen. Lassen Sie sich bitte nicht durch Ihre Neugier auf die angebotenen Übungen dazu veranlassen, diese drei Kapitel zu überblättern. Sie enthalten die gedankliche Basis, und sie zu überschlagen würde Ihr Verständnis der Arbeit und Ihre Befähigung, sie zu leiten, erheblich schmälern.






Kapitel 4 und 5 erklären die Ziele und Prinzipien der Arbeit und enthalten unsere Ratschläge an Sie zum Leiten einer Gruppe.






Alle nachfolgenden Kapitel und die wichtigen Anhänge beschreiben jeweils bestimmte Übungen für Gruppenprozesse einschließlich detaillierter Einleitung, Voraussetzungen und Zielsetzung. Diese Übungen wurden nicht am Schreibtisch entwickelt, sondern sind aus zahlreichen Erfahrungen und der Zusammenarbeit mit unzähligen Kolleginnen und Kollegen erwachsen. Bei einigen Übungen ist es Molly und mir noch möglich, sie einzelnen Personen zuzuordnen, bei vielen anderen ist die Urheberschaft zu verwoben, um irgendjemand anders als Quelle zu benennen als wie das Leben selbst, das in dieser Zeit durch uns lebt.






Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir diese Übungen, indem wir sie hier veröffentlichen, in Anlehnung an die indianische Tradition des „give-away“ freizügig weitergeben. Wir tun das in tiefem Vertrauen, dass Sie, die Sie dieses Buch lesen und damit arbeiten, sich mit Molly, mir und unserem Verleger verbunden fühlen, in unserer Hingabe und unserem Tun für eine lebenswerte Welt für alle Wesen auf der Erde. Wir freuen uns über ihre Rückmeldungen und Ratschläge. Und wir bitten Sie, die Quelle der Übungen zu erwähnen, wenn Sie sie in ihrer Arbeit benutzen.






Ich möchte dieses Buch in Dankbarkeit widmen, zumal ich in der Arbeit die wieder verbindet, so vieles lernen und so große Freude erfahren durfte: Ich danke meiner Mitautorin Molly Brown, unserem Verleger Chris Plant bei New Society Publishers und Gottfried Probst vom Junfermann Verlag, der diese deutschsprachige Ausgabe ermöglicht hat. Dank auch an meine Kinder Peggy, Jack und Chris, die mich in den letzten fünfundzwanzigjahren mit ihrer Liebe und ihrem großen Respekt für diese Arbeit, manchmal auch mit ihrem trockenen Humor, aufrecht gehalten haben, und an meinen Mann Fran, der mit seiner scharfen politischen Auffassungsgabe die Arbeit bereichert, der sie zu seinen Kollegen in den Ländern der früheren Sowjetunion trägt und mit mir die Arbeit in so vielen Ländern leitet. Meiner Freude darüber fehlen die Worte. Am meisten aber danke ich für die Tausende strahlender Stunden in Nordamerika, Europa, Asien und Australien mit Menschen, die ihre Herzen und ihren Verstand öffnen für das Leid und die Herausforderungen in dieser Erden-Zeit.






Auch nach so vielen Jahren, die ich die Arbeit tue, bin ich noch immer überrascht von der Größe des menschlichen Herzens. Immer wieder passiert es, dass ich zu einer Gruppe von Menschen komme – gewöhnliche Menschen, wie sie mir auf der Straße begegnen –, um mit ihnen diese Arbeit zu teilen, und mich von Ehrfurcht ergriffen fühle, wenn ich sehe, wie sie sich um die Erde sorgen. Ein schmerzliches Sorgen, das weit über das Ego und seine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse hinausgeht. Immer wieder bin ich tief berührt von ihrer Bereitschaft, sich den schlechten Nachrichten zu stellen und die Auswirkungen der weltumspannenden Krise auf ihr Leben und ihre nähere Umgebung zu formulieren. Wenn ich erlebe, wie sie die Chance ergreifen, ohne Tagesordnung, ohne zermürbende Diskussion zu diesen Themen zu sprechen, fühle ich Demut vor ihrem Schmerz und ihrem Zorn und dem Mut und der Kreativität, die sie freisetzen. Ich lerne aus den Veränderungen, die sie in ihrem Leben und in ihrem Lebensumfeld bewirken – Veränderungen, die so real und so mutig sind, dass sie mich immer wieder herausfordern, die Grundlagen der Arbeit wirklich ernst zu nehmen, nämlich unsere zutiefst in uns verwurzelte Einbindung in das Netz des Lebens, in unsere wahre Natur als mitfühlende Wesen – als Bodhisattvas.






Diese Arbeit war und ist eine fortwährende Offenbarung für mich. Ich biete sie Ihnen in der Hoffnung an, dass auch Sie darin Segen finden mögen und das Erlebnis, heimzukehren zu unserer wahren Natur.









4. Die Arbeit, die wieder verbindet






Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gib mir Gewand.

– Rainer Maria Rilke






Grundlegende Einblicke in das Wunder unserer Existenz – ob wir sie aus der allgemeinen Systemtheorie, aus buddhistischen Lehren oder aus anderen uralten Traditionen ableiten – sind uns genau in dem Jahrhundert möglich geworden, das uns an den Rand der vollständigen Zerstörung unseres Planeten und der Auslöschung allen bewussten Lebens auf Erden gebracht hat. Es sind dies Einsichten von so grundlegender Art, mit so weitreichenden Auswirkungen, dass sie wesentlich dazu beitragen können, uns aus der industriellen Wachstumsgesellschaft zu befreien und gemeinsam eine langfristig lebenserhaltende Gesellschaft zu schaffen. Wenn wir die Richtung unseres Lebens von diesen Erkenntnissen bestimmen lassen, dann können wir mit ihrer Hilfe den Großen Wandel bewirken.






Dies ist ein großes „Wenn“. Zwar ist „das neue Paradigma“ Thema unzähliger Vorträge und Veröffentlichungen, doch beschränkt sich seine Darstellung zumeist auf die rein intellektuelle Ebene. Sicherlich kann es faszinierend sein, Gedankenspiele zu diesen Themen anzustellen, auch Hoffnungen können sich darin begründen. Doch was wir wirklich brauchen sind Wege, die es ermöglichen, dass das neue Paradigma unser Leben verändert im Dienste einer gesünderen Welt.






In den letzten 25 Jahren ist eine Form der Einzel- und Gruppenarbeit entstanden, die uns dabei helfen kann, genau das zu erreichen. Sie nahm ihren Anfang in Nordamerika und breitete sich nach West- und Osteuropa, Australien und Japan aus, durch Veröffentlichungen und Berichte, die von Hand zu Hand weitergereicht wurden, und Workshops, an denen im Laufe der Jahre mehrere hunderttausend Menschen teilnahmen, Menschen aus den Bewegungen für Frieden, soziale Gerechtigkeit und eine gesunde Umwelt sowie auch Menschen, die nichts mit diesen Bewegungen zu tun hatten. Zu Anfang trug sie den Namen „Arbeit mit Verzweiflung und Ermutigung“, ein paar Jahre später „Tiefe Ökologie“ (oder „Tiefenökologie“). Manchmal nannten wir sie „Der Erde eine Stimme geben“ oder „Unser Leben als Gaia“, manchmal „Bodhisattva sein“ oder „Alle Wesen im Geist Gottes“. Heute sehen wir in der täglichen Praxis, wie vielseitig anwendbar und wie wirksam diese Arbeit ist: sie bewegt Menschen mit den unterschiedlichsten Überzeugungen und Hintergründen dazu, ihre Kräfte für das Leben einzusetzen. Das lässt uns zögern, ihr durch einen Namen einen bestimmten Stempel aufzudrücken' weil wir wissen, wie ein Name Grenzen setzen oder zu Verwirrungen führen kann. Und doch fordert diese Arbeit von uns, dass wir sie mit vielen Menschen teilen. Sie hat eine wichtige Stellung bei der Verbreitung des neuen Paradigmas. Ihre Prinzipien sind präzise, und ihre Methoden sind wirksam. Deshalb nennen wir sie jetzt in diesem Buch einfach die Arbeit, die wieder verbindet.






Die Ziele der Arbeit






Das Hauptziel der Arbeit, die wieder verbindet, ist es, Menschen dabei zu helfen ihre natürlicherweise bestehenden Verbindungen untereinander und mit den systemischen Selbstheilungskräften im Netz des Lebens zu entdecken, sie zu erfahren und so ermutigt und motiviert zu werden, ihren Teil zur Schaffung einer zukunftsfähigen Zivilisation beizutragen.






Deshalb verfolgen wir mit der Arbeit, die wieder verbindet, folgende Ziele:






Ø

Menschen Gelegenheit zu geben, ihre tiefsten inneren Reaktionen auf die gegenwärtigen Zustände in unserer Welt zu erfahren und sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen.







Ø

Menschen die Chance zu bieten, ihren Schmerz um die Welt neu zu definieren: als Beweis für ihr wechselseitiges Verbundensein im Gewebe des Lebens und damit für ihre Kraft und Fähigkeit, an der Heilung mitzuwirken.







Ø

Konzepte aus der systemischen Sicht, der Tiefen Ökologie und aus spirituellen Traditionen anzubieten, die Licht auf diese Kräfte und Fähigkeiten werfen, sowie Übungen, die den Menschen die Rolle dieser Kräfte und Fähigkeiten in ihrem eigenen Leben offenbaren.







Ø

Methoden zu vermitteln, durch die Menschen ihre wechselseitige Verbundenheit mit, ihre Verantwortung für und die Inspiration durch die Generationen der Vergangenheit und der Zukunft und auch durch nicht-menschliche Lebensformen erfahren können.







Ø

Menschen zu befähigen, den Großen Wandel als eine Herausforderung anzunehmen, der sie - je auf unterschiedlichste Weise - ganz und gar gewachsen sind, und als ein Privileg, das sie mit Freude erfüllen kann.







Ø

Menschen zu befähigen, sich gegenseitig darin zu unterstützen, klare Absichten zu fassen und sich gemeinsam für die Heilung der Erde zu engagieren.






Theoretische Grundlagen






Die Theorie, die dieser Arbeit zugrunde liegt, ist in den vorangegangenen Kapiteln bereits enthalten: sie leitet sich ab aus der aktuellen Herausforderung, sich für das Leben zu entscheiden, aus der Wahrnehmung und Würdigung dessen, was uns bremst und hindert, und aus dem Verstehen der selbstorganisierenden Kräfte des Universums, diesem allem zugrunde liegenden Geheimnis. Die folgenden Aussagen fassen noch einmal die grundlegenden Prinzipien zusammen, auf denen die Arbeit, die wieder verbindet, aufbaut:






1.

Die Weit, in die wir geboren wurden und in der wir existieren, ist lebendig. Sie ist nicht unser Selbstbedienungsladen, nicht unsere Mülldeponie, sie ist unser erweiterter Körper. Die Intelligenz, die uns aus Sternenstaub entwickelt hat und uns mit allen Lebensformen verbindet, ist in der Lage, die Gemeinschaft des Lebens auf der Erde zu heilen, wenn wir uns nur endlich auf dieses Ziel ausrichten.







2.

Unsere wahre Natur ist sehr viel älter und umfassender als das abgetrennte „Ich“, das von Gewohnheiten und Verhaltensnormen bestimmt ist. Wir sind ebenso ein Bestandteil unserer lebendigen Welt wie die Flüsse und Bäume, aus den gleichen komplexen Strömungen von Materie/Energie und Geist gewebt. Dadurch, dass sie uns zu einem selbstreflexiven Bewusstsein entwickelt hat, kann die Welt durch uns nun sich selbst erkennen, ihre eigene Schönheit betrachten, ihre eigenen Geschichten erzählen – und auch auf ihr eigenes Leid reagieren.







3.

Unser Erleben des Schmerzes um die Weit entspringt unserem wechselseitigen Verbundensein mit allen Lebewesen; aus diesem erwächst uns auch die Kraft, aktiv für sie einzutreten. Wenn wir unseren Schmerz um die Welt verleugnen und verdrängen oder ihn als unser persönliches Problem betrachten, so berauben wir uns unserer Kräfte, an der Gesundung der Welt mitzuwirken. Doch auch dann müssen wir nicht unabänderlich in unserer Teilnahmslosigkeit verharren. Die Fähigkeit, auf unser eigenes Leid und das Leiden anderer zu reagieren – also die Feedback-Schleifen, die uns mit dem Leben verbinden –, können wieder freigelegt werden.







4.

Blockaden lösen sich auf, wenn wir unseren Schmerz um die Weit nicht nur mit dem Verstand würdigen, sondern ihn erleben. Rein verstandesmäßige Informationen über die Krise, in der wir uns befinden, sogar über unsere psychologischen Reaktionen darauf reichen nicht aus. Wenn wir vor unserem Schmerz Angst haben, sogar Angst, für immer in Verzweiflung zu versinken oder an diesem Schmerz zu zerbrechen, so können wir uns davon nur befreien, wenn wir uns erlauben, diese Gefühle zu spüren. Nur so können wir ihre fließende, dynamische Qualität entdecken. Nur so können wir mit Körper und Seele erfahren, dass wir wirklich mit allem Leben verbunden sind im Netz des Lebens.







5.

Wenn wir uns mit dem Leben wieder verbinden, indem wir unseren Schmerz für das Leben freiwillig auf uns nehmen, findet unser Geist zu seiner natürlichen Klarheit zurück. Wenn wir unsere wechselseitige Verbundenheit in der Gemeinschaft des Lebens auf der Erde konkret erleben, entfaltet sich dadurch auch ein geistiges Interesse, das Denken im neuen Paradigma mit diesem Erleben zu verbinden. Konzepte, bei denen Wechselbeziehungen im Mittelpunkt stehen, gewinnen an Klarheit. Wichtige Lernprozesse können stattfinden, denn das gesamte Denken und Fühlen strukturiert sich um und orientiert sich neu auf der Grundlage eines erweiterten Verständnisses der Begriffe Identität und Eigeninteresse.







6.

Die Erfahrung, mit der Gemeinschaft des Lebens auf der Erde wieder verbunden zu sein, weckt das Verlangen, für das Leben zu handeln. Wenn sich die Selbstheilungskräfte der Erde in uns verankern, spüren wir in uns den Ruf, am Großen Wandel mitzuwirken. Wirksam können die Selbstheilungskräfte nur dadurch werden, dass wir ihnen vertrauen und aktiv werden. Es mögen bescheidene Schritte sein, die wir unternehmen, aber es sollten eine gewisse Herausforderung, ein wenig Risiko für unsere innere Bequemlichkeit dabei sein, damit wir nicht in alten, „sicheren“ Grenzen gefangen bleiben. Mut ist ein großartiger Lehrer und kann auch viel Freude bringen.


Siehe auch:


Verlagsseite: Mit dem Grußwort des Dalai Lama und Ausschnitten aus dem Kapitel „Eine veränderte Wahrnehmung der Realität – kognitiv und spirituell“