langelieder > Jugendinitiative Steinhöring 2000-2004 > Rundbrief 2003



Jugendinitiative Steinhöring 2000-2004

Rundbrief an Eltern und Förderer (25. Mai 2003)



Von Ernst Weeber



Liebe Mamas und Papas, Omas und Opas, Onkel, Tanten, sonstige Angehörige, Erziehungsberechtigte, Bezugspersonen, mehr oder weniger Verantwortliche, mehr oder weniger Beunruhigte und alle, die hellhörig werden, wenn es um die Frage geht, wo sich unsere Jugendlichen eigentlich die ganze Zeit herumtreiben!


Wo sie sich die ganze Zeit herumtreiben, kann ich auch nicht sagen. Aber den Jungs und Mädels, die jetzt diesen Rundbrief zuhause abliefern, kann ich bescheinigen, dass sie nicht nur Unsinn machen. Die treffen sich schon seit längerem immer wieder und jetzt immer häufiger in unserer Jugend-Initiativgruppe, die zusammen mit mir und mit der Unterstützung durch die Gemeinde ihren „Jugendtreff“ einrichten möchte.


Bis vor kurzem haben wir unsere Treffen im Antonius-Stüberl des Betreuungszentrums abgehalten. Aber seit April sind die Container vis-à-vis vom Sportlerheim soweit ausgestattet mit Wasser, Kanal und Strom, Sessel und Sofas, Spezi und Sprudel, dass wir uns jetzt dort versammeln können. Gemütlich ist es da freilich noch nicht, weder innen noch außen. Außen sieht alles noch nach Baustelle aus. Im Innern haben wir immerhin schon das gröbste geputzt, aber es wartet noch jede Menge Hand- und Kopfarbeit auf uns. Dieses Projekt ist eine Herausforderung für uns alle, wir machen so was alle zum ersten Mal, und wir können uns jetzt noch nicht auf einen Termin festlegen, bis wann die Einweihung gefeiert werden kann. Das wird noch eine Weile dauern. Wir sind ja auch auf mannigfache Hilfen angewiesen, und diejenigen, die uns helfen können und wollen, haben auch nicht immer gleich Zeit. Vor allem aber geht es uns nicht nur um das Ziel, den fertigen Jugendtreff — der nie ganz fertig sein wird — sondern auch um den Weg.


In unserem eigenen Tempo möchten wir auf diesem Weg vorangehen. All die gemeinsamen Aktivitäten, Bemühungen, Schwierigkeiten und Teilerfolge bringen uns eine Menge wichtiger Erfahrungen. Allein schon das gemeinsame Planen und Beschließen, erst recht dann die Zusammenarbeit, das Organisieren und die unzähligen Detailfragen erfordern Teamgeist, Konzentration, konstruktives Denken und Freude am Schaffen. Die Freude möchten wir uns nicht durch einen Termindruck verderben. Termindruck gibt es genug in unserem Leben. Hier aber soll sich jeder und jede freiwillig einsetzen, je nach der Art und dem Maß der eigenen Begeisterung — oder es bleiben lassen.


Betreuung


Ich selbst habe zwar so manche Erfahrung in der Betreuung von Gruppen und im Umgang mit den Tücken der menschlichen Kommunikation, aber einen Jugendtreff zusammen mit Jugendlichen „aufzubauen“, das ist auch für mich alles andere als eine Routinearbeit. Einen Nachteil sehe ich darin keineswegs, im Gegenteil: so komme ich gar nicht erst in die Versuchung, mich als Lehrer aufzuführen, sondern muss mit den Jugendlichen zusammen dazulernen: wie wir das, was zu tun ist, gemeinsam anpacken können, wie wir dabei miteinander umgehen und wie unser Projekt ein Teil des Gemeindelebens werden kann und kein Fremdkörper bleiben muss.


Bei dieser Gelegenheit sollte ich mich mal selbst vorstellen. Ich bin Jahrgang 1952, aufgewachsen in Neufinsing (Landkreis Erding), wäre in den siebziger Jahren beinahe Lehrer geworden, danach beinahe Heilpraktiker, und bin schließlich, zu Beginn der achtziger Jahre, als Betreuungshelfer im BZ Steinhöring gelandet. Zwei bis drei Jahre gedachte ich damals im BZ zu bleiben — vor kurzem sind es zwanzig geworden. Meine Aufgabe in all den Jahren ist es gewesen, Menschen durch meine Betreuung zur größtmöglichen Selbständigkeit zu verhelfen, sprich: mein Eingreifen möglichst überflüssig zu machen. Genau darum geht es mir auch bei der Betreuung der Steinhöringer Jugendinitiative: die Jugendlichen sollen lernen, ihren „Laden“ selber zu schmeißen, in weitgehend eigener Verantwortung.


„JUTS“


Jetzt haben wir also unseren „JUTS“ (Jugendtreff Steinhöring — im Unterschied zu der allgemeinen Bezeichnung JUZ=Jugendzentrum), und vielleicht finden wir auch noch einen geistreicheren Namen dafür. Seit 19. Mai haben die Jugendlichen ihren eigenen Schlüssel für den Jugendtreff und versuchen nun, die „Theorie“ eines geregelten, selbstorganisierten Betriebs in die Praxis umzusetzen. Viele der Abmachungen und Regeln, die bis jetzt getroffen wurden, sind vorläufiger Art und zum Teil auch noch „schwammig“, weil sich erst in der Praxis zeigt, wie sie sich bewähren und was alles mitbedacht werden muss. Für den regelmäßigen Betrieb wurde erst einmal die Kernzeit 16-22 Uhr vereinbart. An Tagen, auf die kein Schultag folgt, kann die Öffnungszeit verlängert werden. Sonntags beginnt der allgemeine Betrieb erst ab 17 Uhr; davor, von 16 bis 17 Uhr, trifft sich der Vorstand der Jugendinitiative zur wöchentlichen Lagebesprechung.


Geöffnet wird der Jugendtreff nur, wenn eine/r von den Jugendlichen Thekendienst macht, also den Schlüssel und damit in einem bestimmten Maß Aufsicht und Verantwortung übernimmt: der Thekendienst kommt als erster und geht als letzter, gibt die Getränke aus, trägt die Verantwortung für die Getränkekasse und achtet darauf, dass gewisse Grundsätze der Hygiene und die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes eingehalten werden. Beim Schließen des Jugendtreffs kontrolliert er Fenster, Türen, Licht, Elektrogeräte und Wasserhähne. Den Schlüssel gibt er zuverlässig an die/den nächste/n Diensttuende/n weiter.


Am ersten Sonntag eines jeden Monats wird das Vorstandstreffen von 16 bis 17 Uhr erweitert zur Vollversammlung aller Aktiven und Interessierten.


Förderkreis


Beim Gestalten und Betreiben des Jugendtreffs ist die Jugendinitiative immer wieder auf die Hilfestellung durch Sachkundige angewiesen. Eine Menge Unterstützung erhalten wir bereits von Gemeinde-Bauhof und Gemeindebürgern. Das gelegentliche praktische Zusammenwirken der Alten und der Jungen fördert mit Sicherheit auch die Vertrauensbildung auf beiden Seiten. Auch wenn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit ein programmatisches Ziel der Jugendinitiative ist, wird das Projekt „Jugendtreff“ wahrscheinlich nur erfolgreich sein können, wenn wir es als ein gemeinsames Projekt der Jungen und der Älteren verstehen können. Die Jugendlichen brauchen den Rückhalt durch interessierte Angehörige und andere sympathisierende Gemeindebürger/innen.


Zu wünschen wäre auch, dass ich nicht der einzige „Jugendbetreuer“ bliebe. Auch der Jugendbetreuer könnte ein wenig Begleitung brauchen. Vielleicht findet sich noch jemand, der/die sich etwas näher auf die Jugendinitiative einlassen mag...?


Vielleicht bringen wir Steinhöringer ja sogar einen Förderkreis Jugendtreff zustande. Es muss gar kein eingetragener Verein sein. Ein solcher müsste es sein, um die rechtliche Trägerschaft für den Jugendtreff zu übernehmen. Die Trägerschaft liegt derzeit aber bei der Gemeinde und ist dort bis auf weiteres auch gut aufgehoben. Unter einem Förderkreis stelle ich mir in erster Linie etwas wie einen Freundeskreis vor, einen Kreis von Leuten, die einen intensiveren Kontakt mit der Jugendinitiative — gelegentlich oder öfter mal — nicht scheuen, und an die sich die Jugendlichen wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. Diese Art von Unterstützung haben mir schon mehrere Personen zugesagt.


Ich hoffe, im Laufe der Zeit alle Eltern „meiner“ Jugendlichen einmal im JUTS begrüßen zu können: über einladende Besuchsregelungen wird nachgedacht. Mit einem Rundbrief wie diesem werde ich Sie von Zeit zu Zeit über die weitere Entwicklung unseres Projekts informieren: Sie sollen zur Meinungsbildung nicht allein auf die Nachrichten aus der Gerüchteküche angewiesen sein.


Ernst Weeber