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Jugendinitiative Steinhöring 2000-2004

Aus dem Antonius-Stüberl des Betreuungszentrums Steinhöring



Ernst Weeber im „Stüberl-Blatt“ vom 1. März 2001:


Steinhöringer Dorfjugend


...trifft sich seit einiger Zeit regelmäßig im Stüberl zum Kickern und Billard spielen. Eine gute Sache – zunächst. Gäste „von draußen“ sind im Stüberl ja erst mal willkommen. Es kann aber auch geschehen, daß man ihrer überdrüssig wird und sie am liebsten wieder loshaben möchte. Ein solcher Überdruß hat sich nun manchmal an den Stammtischen des Stüberls breitgemacht. Sollte sich da quer durchs Stüberl eine Front bilden zwischen zwei Lagern, die nichts miteinander zu tun haben wollen oder können? Höchste Zeit, einen Dialog anzuzetteln zwischen denen, die Anstoß erregen, und denen, die Anstoß nehmen!


Aus dem Ärger heraus gesprochen könnte sich eine Beschreibung der Situation etwa so anhören: „Da kommt ein Haufen von Jugendlichen, die spitzgekriegt haben, daß man im Antonius-Stüberl kickern und Billard spielen kann ohne dafür zahlen zu müssen, die nehmen diese Möglichkeit für sich in Anspruch ohne Rücksicht auf die Heimbewohner, machen großen Lärm, werfen womöglich noch mit diskriminierenden Bemerkungen um sich und hinterlassen einen Haufen Abfall, wenn sie endlich wieder gehen! Das muß man sich doch nicht bieten lassen! Dem muß man doch einen Riegel vorschieben!“ — Diese überspitzt abwertende und dramatisierende wörtliche Rede ist frei erfunden, doch so manche Unmuts-Äußerung aus dem Kreis der Stüberl-Stammgäste klingt ganz ähnlich.


Lauter Flegel?


Mit etwas mehr Gelassenheit und Humor wird man das Treiben vielleicht doch eher so charakterisieren: Die Jugendlichen, manchmal sind es nur zwei oder drei, dann wieder bis zu zehn Personen, kommen natürlich in erster Linie zum Kickern und Billardspielen und nicht, um mit den Heimbewohnern Bekanntschaft zu schließen. Natürlich bleiben sie zuerst mal unter sich und scharen sich um die Spieltische. Sie sitzen auch gerne auf dem alten Sofa zum Ratschen und Rauchen und Beieinandersein. Ganz lässig läßt man nebenbei mal die Asche auf den Fußboden fallen, wenn ein Aschenbecher nicht in greifbarer Nähe ist. Und wohin auf die Schnelle mit der leeren Waffelverpackung und dem Schoko-Papierl? Kein Abfalleimer im Umkreis von zwei Metern, also muß es wohl so gedacht sein, daß der Abfall unter das Sofa oder die Sofapolster geschoben wird. Und leere Flaschen? Die stellt man einfach irgendwo ab und vergißt sie dann.


Solche schlechten Gewohnheiten sind gewiß ansteckend, aber man sollte daraus nicht gleich den Schluß ziehen, daß die Jugendlichen samt und sonders ungezogen sind. Sie unterhalten sich und kickern auch nicht lauter als die Heimbewohner, man kann auch nicht sagen, daß sie die ganze Zeit die Spieltische besetzen. Gar nicht so selten sieht man auch die Heimbewohner an den Spieltischen, unter sich oder zusammen mit Gästen. Alles in allem gibt es, im Gegensatz zu der anfangs formulierten pessimistischen Ansicht, auch guten Grund zu einer mehr optimistischen Herangehensweise.


Eine Lanze für die Jugend


Herangehen müssen wir an die Situation, denn von alleine wird sie sich nicht im Sinne der Optimisten entwickeln. „Wir“, das sind die Wohnheim-Betreuer, und allen voran sieht sich der Weeber Ernst, unser „Stüberl-Wirt“, in der Verantwortung. Auch der Ernst ist schon gelegentlich mit sehr, sehr ernster und bewölkter Miene gesehen worden, wenn er zum Feierabend den Müll unterm Sofa hervorgeräumt und die leeren Flaschen eingesammelt hat. Aber im Inneren seines Herzens ist er doch geneigt, eine Lanze für die Jugend zu brechen, und möchte zu restriktiven Maßnahmen erst dann greifen, wenn ihm gar nichts besseres mehr einfällt. Was ist ihm denn bis jetzt dazu eingefallen?


Er lernt die Namen der Mädels und Jungs auswendig und erzählt jedem und jeder einzelnen: dies hier ist kein öffentlicher Spielsaal, den man anonym betritt und wieder verläßt, sondern das Stüberl der Wohnheim-Bewohner, also vielmehr ein Club, in dem man sich gegenseitig kennt und achtet.


Wie heißt du eigentlich?


„Bevor ich Kickerball und Queues aushändige, begebe ich mich mitten in den ‚Haufen‘, rede mit den jungen Leuten kurz über das, was gerade angesprochen werden muß, stelle mich dabei selbst vor und bitte diejenigen, die ich noch nicht kenne, mir ihre Namen zu nennen, damit ich sie in Zukunft entsprechend anreden kann. Ich sage, daß sich hier keiner fremd fühlen soll und daß wir uns mit Vornamen und mit du ansprechen. Und siehe da: es erweist sich, daß der Haufen aus lauter einzelnen und einzigartigen Persönlichkeiten besteht, lauter liebenswerten und würdigen Menschenkindern, ein jedes mit seinem Namen, und ein jedes freut sich, wenn es namentlich angesprochen, angesehen und beachtet wird. Und diese Jugendlichen verstehen ohne große Mühe, daß sie im Stüberl Gäste der Heimbewohner sind und sich ein wenig danach richten müssen, haben es schon längst verstanden. Sie sind sich aber unsicher, wie sie sich den Behinderten gegenüber verhalten sollen, sagt eines der Mädchen. Unsicherheit ist da also im Spiel, und wer unsicher ist, der verbleibt natürlich im Schutze seiner eigenen Clique — das tun die Heimbewohner ja genauso. Einige Jugendliche wissen es schon besser, wissen, daß gar kein spezielles Verhalten notwendig ist, sondern daß man mit den Behinderten wie mit allen anderen Menschen verkehren kann. Man berücksichtigt ja auch bei jedem anderen Menschen dessen persönliche Eigenheiten und Erfordernisse. Manche zeigen schon eine ganz ungenierte Einstellung zu unseren Betreuten, vielleicht, weil die eigene Mutter als Betreuerin im Wohnheim arbeitet und ihre Kinder oft genug in die Gruppe oder auf ein Fest mitgenommen hat.“


Die Namen werden aufgeschrieben und das Alter dazu, der Jugendschutz-Bestimmungen wegen. Die Jugendlichen finden diese Aktion verständlich und sinnvoll. Sie kommen ihr sogar entgegen, indem sie jeden Neuankömmling, der „dem Ernst seine Ansprache“ noch nicht gehört hat und dessen Name noch nicht auf der Liste steht, zum Ernst hinschicken, auf daß diese Aufnahmeformalität mit namentlicher Begrüßung vollzogen werde.


Zuviel gelernt


„Unmöglich wird es von den Erziehungsberechtigten gerne genannt, wie sich Jugendliche manchmal aufführen. Dabei tun Jugendliche genau dies: alles mögliche! Sie führen sich genau so auf, wie sie es gelernt haben. Sie sind ausgesprochen lernbegierig, sie lernen viel mehr, als uns lieb ist und auch eine Menge Dummheiten und vieles andere, was nicht auf unseren Lehrplänen steht. Trotzdem lernen sie das meiste von uns. Das sind doch unsere Kinder – oder sind etwa nicht alle Kinder unsere Kinder? — Sollten wir uns nicht selbst wiedererkennen im Verhalten unserer Jugendlichen, wie in einem Spiegel? Einem Spiegel kann man es freilich nicht vorwerfen, wenn er mehr zeigt, als man gerne sehen möchte. Gewiß verlangt jugendliches Verhalten gelegentlich nach Zurechtweisung, aber auch nach Orientierung an Älteren, die nicht gerade die eigenen Eltern sind. Die Älteren sind jedoch alle zu sogenannten ‚nüchternen Realisten‘ geworden und proklamieren auf großen Plakaten Freiheit, coolness und persönlichen Stil durch Zigarettenrauchen, finden es aber unmöglich, wenn Zwölfjährige sich mit einer Kippe großartig vor­kommen und die dann ganz obercool auf dem Fußboden austreten.“


Gemeindebürger von morgen


Man sollte, so meint der Ernst, die Jugendlichen nicht gleich als einen verdorbenen, unartigen Haufen hinstellen, der ins Stüberl einfällt und die Heimbewohner drangsaliert. Es genüge fürs erste, den ganz banalen Konflikt zwischen der Lebhaftigkeit Jugendlicher und der gesetzteren Art der nicht mehr ganz so jugendlichen ins Auge zu fassen. Das Kunststück bestehe nun darin, die Bedürfnisse und Gewohnheiten zweier unterschiedlicher Altersgruppen in ein und dem selben Stüberl unterzubringen. Beide Gruppen seien hilfebedürftig, und wir, die Mitarbeiter im Wohnheim, sollten uns nicht einfach auf den Standpunkt zurückziehen, wir seien nur für unsere Betreuten zuständig — um die Jugendlichen haben sich die Eltern und die Gemeinde zu kümmern! Hier bietet sich doch die Chance für eine Einflußnahme zugunsten unserer Betreuten, hier bietet sich uns doch die Möglichkeit, in unserem Sinne auf die Jugendlichen einzuwirken und sie an einen respektvollen Umgang mit behinderten Mitbürgern zu gewöhnen. Unsere Jugendlichen sind doch die Gemeindebürger und „nüchternen Realisten“ von morgen! Wir sollten es begrüßen, wenn sie zu uns ins Stüberl kommen, und eine Herausforderung darin sehen, vielleicht sogar eine lohnende!


Mischen wir uns ein!


Wie gesagt: beide Parteien sind hilfebedürftig, wenn sie miteinander zurechtkommen sollen. Vielleicht braucht es nur winzige Anstöße in die richtige Richtung, kleine Begegnungen und freundliche Signale. Mehr Anwesenheit von kontaktfreudigen Kolleginnen und Kollegen, die sich ganz zwanglos in das Treiben einmischen, wäre jedenfalls wünschenswert und eine enorme Unterstützung für den Weeber Ernst. Ohne eine solche Unterstützung könnte sich sein idealistischer Ansatz nämlich als illusionär erweisen. —



Ernst Weeber im „Stüberl-Blatt“ vom 2. April 2001:


Die Jugendlichen


Erfreulich ist die Entwicklung, die sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet hat im abendlichen Stüberl-Leben zusammen mit den Jugendlichen. Fast dreißig Namen hat sich der Ernst inzwischen notiert, und die meisten davon sind für ihn nicht mehr nur Namen, sondern Personen, die er jetzt kennt und schätzt. Heimbewohner und Jugendliche bilden zwar weiterhin zwei unterschiedliche Gruppen, doch von Voreingenommenheiten zwischen beiden ist nicht mehr viel zu spüren. Am Verhalten der Jugendlichen gibt es, abgesehen von Kleinigkeiten, kaum noch was auszusetzen, im Gegenteil: die jungen Gäste zeigen mehr und mehr eine freundliche Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Kooperation. Von seiten der Heimbewohner waren auch keine ablehnenden Bemerkungen mehr zu hören. Die vorherrschende Stimmung im Stüberl ist gut und friedfertig: gekämpft wird am Kicker.


Ein gewisses Problem stellt die Aufsicht dar. Es ist nicht möglich, vom Verkaufsraum aus stets alle zugänglichen Räumlichkeiten des Gebäudes im Auge zu behalten. Durch gezielte Kontrollgänge konnte zwar schon so mancher heimliche Raucher von zartem Alter weit unter 16 Jahren überführt werden, doch wer weiß, was sich sonst alles zuträgt in den hinteren Winkeln. In der Halle selbst hat sich kürzlich ein Dreizehnjähriger beim Herumtollen im Dunkeln (!) eine Gehirnerschütterung zugezogen. Die Halle sollte um diese Zeit zugeschlossen sein. Eine leere Halle, in der ein Kettcar steht, wird schnell zu einer großen Versuchung für verwegene Jungs, die immer zu Heldentaten und Kabinettstückchen aufgelegt sind.


Unaufdringliche Kontrollgänge sind nötig. Es ist ein Unterschied, ob die langen Flure den Charakter heimlicher Rückzugsorte haben oder ob mit einem „öffentlichen Aufsehen“ jederzeit gerechnet werden muß. Der Ernst bittet gelegentlich einen der Stammgäste, sich beim Gang zum Klo umzusehen, ob alles in Ordnung ist da hinten, aber er möchte seine Gäste nicht zu Spitzeln und Zuträgern abrichten. Viel richtiger erscheint es ihm, wenn die Aufsicht auf eine lockere Art und Weise unterstützt wird von Kolleginnen und Kollegen, die mal eine Zeit lang von ihrer Gruppe weggehen können und im Stüberl vorbeischauen, sei es nun, daß sie sich, zusammen mit einigen ihrer Betreuten, für längere Zeit daselbst aufhalten, oder sei es nur für einen fünfminütigen Kurzbesuch auf dem Weg zur bzw. von der Kegelbahn oder um Jourdienst-Verpflegung zu kaufen oder Zigaretten zu holen. Da kann man sich auch schnell mal in besagten hinteren Winkeln umschauen nach paffenden Halbwüchsigen et cetera und nötigenfalls ein ernstes oder auch heiteres Wort der Ermahnung aussprechen.


Der „optimistische Ansatz“, wie er im letzten Stüberl-Blatt unter dem Titel Steinhöringer Dorfjugend vertreten wurde, hat bei den Leserinnen und Lesern viel Zustimmung gefunden. Auch Toni Karl hat sich erfreut und ermutigend darüber geäußert, daß wieder ein Anlauf unternommen wird, unser BZ-Völkchen kontinuierlich und auf eigenem Boden mit dem Steinhöringer Jungvolk in Berührung zu bringen.



Ernst Weeber im „Stüberl-Blatt“ vom 22. Februar 2002


Eingespielt


Das Miteinander von Heimbewohnern und Jugendlichen im Stüberl hat sich ganz gut eingespielt — im wahrsten Sinn des Wortes: es findet hauptsächlich beim Kicker- und Billardspielen statt. Darüber hinaus bleiben die jeweils Gleichaltrigen natürlich weiter meist unter sich, Konflikte oder Berührungsängste zwischen den einzelnen Gruppierungen spielen aber kaum noch eine Rolle. Und der Ernst fühlte sich in seinem abendlichen Stüberl-Dasein oft weniger isoliert vom Rest der Welt, wenn ein paar seiner jungen Stammgäste dazukamen, insbesondere solche, die schon alt genug waren, daß er ihnen das Rauchen erlauben durfte.


Eine erstaunliche Feststellung, nicht wahr ist der Ernst doch bekannt als einer, dem verrauchte Räume schnell zuwider werden, und der es im Stüberl nur dank der gut funktionierenden Entlüftung bis jetzt ausgehalten hat. Mit den Jugendlichen aber verhält es sich so: die bilden ja keine einheitliche Gruppe, sondern teilen sich in die etwas älteren und die etwas jüngeren eine höchst pragmatische Unterscheidung. Wo liegt nämlich die Grenze? Exakt bei 16 Jahren: die älteren dürfen im Stüberl rauchen, die jüngeren nicht. Die älteren haben durch ihr Recht, sich in aller Öffentlichkeit eine Zigarette anzuzünden, schon eine gewisse Gesetztheit erreicht; sie müssen nicht mehr befürchten, vom Ernst zur Rede gestellt zu werden und können ihrerseits mehr Gelassenheit, Gemütlichkeit und coolness ausstrahlen. Man befindet sich jetzt auf gleicher Augenhöhe. Die jüngeren stehen dagegen noch unter dem Druck, im Verborgenen rauchen zu müssen. Und sie sind enorm voller Lebensenergie und Übermut, man muß sie manchmal geradezu bremsen, daß sie nicht überschäumen und nicht zu gefährlich mit den Billardqueues herumfuchteln, und man muß sie natürlich gelegentlich daran erinnern, daß sie im Stüberl zum Ritual des Rauchens noch nicht zugelassen sind was sie in ihrem Eifer, erwachsen zu werden, glatt vergessen würden.


Er neigt immer mehr zum Sarkasmus, das gibt der Ernst ohne weiteres zu. Und am meisten neigt er zum Sarkasmus, wenn er den jungen Leuten beim Erwachsenwerden zuschaut. Aber nicht die Jugendlichen sind die Zielscheibe seines Spottes. „Es ist die Fragwürdigkeit der ganz ‚normalen‘ Erwachsenenwelt, der Gewohnheiten, der Mächte und der Medien, denen unsere ‚armen Kinder‘ ausgesetzt sind“, sagt er, „auf die ich mich durch die Jugendlichen ständig verwiesen fühle.“


Ernst Weeber im „Stüberl-Blatt“ vom 12. April 2002


Gesprächsrunde mit Jugendlichen


Zu einer neuen Runde im Gespräch mit unseren jugendlichen Stüberl-Stammgästen hatte Burghardt für den 21. März eingeladen. Die jungen Leute zeigten auch ihr Interesse und kamen in nicht geringer Zahl ins Stüberl. Anlaß für das Treffen waren zum einen Klagen über Verantwortungslosigkeit und Vandalismus der Jugendlichen auf dem BZ-Gelände, zum andern ein neu aufgekommener Unmut über jugendliche Geräusch-Intensität und Unruhe im Stüberl. Außerdem war es zu einem Konflikt zwischen einigen Jugendlichen einerseits und einer Heimbewohnerin andrerseits gekommen.


Dieser Konflikt konnte bereinigt werden, denn auch die betroffene Heimbewohnerin war mit ihrer Gruppenbetreuerin zu der Runde erschienen, und in der offenen Aussprache trat das Mißverständnis, das dem Konflikt zugrunde lag, sehr schnell zutage, die Verständigung wurde wieder hergestellt und damit auch die freundschaftliche Atmosphäre, an der sichtlich allen Beteiligten gelegen war.


Auch die Aussprache über das allgemeine Verhalten der jugendlichen Gäste im Stüberl und auf dem BZ-Gelände verlief in einer konstruktiven Art. Zunächst zählte Burghardt eine Reihe von fragwürdigen Gepflogenheiten auf, die den Hausfrieden stören und die Atmosphäre im Stüberl vergiften, und nannte dazu auch die jeweils besseren Verhaltensformen, die sich ein jeder und eine jede zur Gewohnheit machen sollte. Danach ergriff Jürgen Roßmann das Wort — und ließ es so schnell nicht wieder los. Das war auch gut so, denn Jürgen erklärte den jungen Leuten, daß ihre Anwesenheit im Stüberl und auf dem BZ-Gelände nicht nur geduldet sei, sondern sogar erwünscht! Sie seien ja die erwachsenen Steinhöringer Bürger von morgen und sollten als solche mit dem BZ und seinen Bewohnern ein wenig vertraut sein. Nach einer solchen „Grundsatzerklärung“ des Heimleiters, die den Jugendlichen ein ernstgemeintes Vertrauen aussprach und sie als Partner würdigte, konnte über Dinge wie Verantwortungsbewußtsein und Respekt noch mal ganz anders gesprochen werden, auf eine Art nämlich, die in den Beteiligten nachwirkt und Spuren hinterläßt.


Und so konnte auch von den Jugendlichen die Regelung akzeptiert werden, die nun bis auf weiteres in Kraft ist: Das Antonius-Stüberl samt Kickerraum bleibt jeweils am Sonntag, Montag und Dienstag den Heimbewohnern vorbehalten. Die Jugendlichen können sich an diesen Tagen, wenn sie wollen, Getränke kaufen und vor dem Stüberl aufhalten. Sie sollen mit dieser Regelung nicht für ihre Lebhaftigkeit bestraft werden, aber — und das konnte den Jugendlichen begreiflich gemacht werden — die Scheuen und Zartbesaiteten unserer Schützlinge brauchen etwas mehr Geborgenheit, damit sie sich überhaupt ins Stüberl trauen. Daß es dabei gar nicht so sehr um die Lautstärke geht, kann jeder leicht feststellen: laut wird es auch ohne die Jugendlichen, wenn nur genügend Leute im Stüberl beieinandersitzen. Die Unruhe der Jugendlichen ist mehr eine motorische. Sie sind voller Erlebnishunger, Lebendigkeit und Ausgelassenheit, was an sich ja in Ordnung ist, nur leider nicht immer gut mit den Bedürfnissen unserer Betreuten zusammenpaßt.


Gekickert wird seit März im separaten Kickerraum. Das hat eine spürbare Entspannung und Verbesserung der Atmosphäre gebracht.