langelieder > Bücherliste > Barnes 2008




Peter Barnes
Kapitalismus 3.0

Ein Leitfaden zur Wiederaneignung der Gemeinschaftsgüter






Hamburg 2008 (VSA-Verlag); 220 Seiten; ISBN: 978-3-89965-312-0






»Zum ersten Mal in der Geschichte befindet sich die Natur, die eine Generation ihren Kindern hinterlässt, in einem verheerend schlimmeren Zustand als jene Natur, die diese Generation von ihren Eltern übereignet bekam. Der Grund dafür ist nicht, dass wir heute unseren Planeten vernutzen, als ob es kein Morgen gäbe – das geschieht seit Jahrhunderten. Der Grund dafür ist, das die kumulativen Effekte unserer vergangenen und gegenwärtigen Vergehen uns an verschiedene Wendepunkte gebracht haben. Die Natur hat ihre Toleranzgrenzen. Von denen haben wir mittlerweile viele erreicht und – mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit – in einigen Fällen bereits überschritten.« (S. 26)

»Seit seinem Entstehen im 18. Jahrhundert hat der Kapitalismus Antlitz und Chemie der Erde verändert. Er tut dies weiterhin, trotz der Anzeichen planetarer Gefährdungen – er läuft wie eine außer Kontrolle geratene Dampfmaschine ohne Überdruckventil. Der Kapitalismus hat Unmengen privaten Reichtums angehäuft und erhebliche Teile davon den Gemeinschaftsgütern entnommen. Zu unserer Zufriedenheit trägt dieser Reichtum in seiner Masse kaum etwas bei. Die Hauptakteure des Kapitalismus – die gewinnmaximierenden Kapitalgesellschaften – sind aus dem Ruder gelaufen und die Erträge ihrer Strapazen äußerst ungleich verteilt. – Warum agiert der Überflusskapitalismus so? Stellen wir etwa immer wieder unfähige Geschäftsführer ein? Ich glaube nicht. Es ist das Betriebssystem, das m.E. die Mehrzahl der Geschäftsführer veranlasst, mit der nächsten Quartalsbilanz im Kopf, nicht aber der nächsten Generation im Blick, zu handeln. Dies deutet darauf hin, dass das Betriebsystem aufgerüstet werden muss, wenn wir den Folgen von Kapitalismus 2.0 begegnen wollen.« (S. 58 f)

»Im Kapitalismus der Version 2.0 verzehren Privatunternehmen mit Hilfe des Staates die unorganisierten Gemeinschaftsgüter. Die Wettbewerbsbedingungen sind äußerst ungleich. Während einer darauf folgenden Übergangsphase erkennt der Staat den Institutionen für gemeinsame Vermögen Rechtstitel zu, wie er das auch im Falle der Privatunternehmen tut. Die Wettbewerbsbedingungen gleichen sich an. Im Kapitalismus der Version 3.0 schließlich stärken und beschränken die privatwirtschaftlichen Unternehmen und die organisierten Gemeinschaftsgüter einander. Der Staat sorgt dafür, dass die Wettbewerbsbedingungen ausgewogen bleiben.« (S. 106) – Grafiken


Peter Barnes


geboren 1940 in New York, ist Unternehmer und Schriftsteller. Er hat verschiedene erfolgreiche Firmen gegründet und geleitet. Gegenwärtig (2008) ist er Senior Fellow am Tomales Bay Institute in Point Reyes Station, Kalifornien. – Studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Seine journalistische Laufbahn begann er bei The Lowell Sun (Massachusetts). Anschließend arbeitete er als Korrespondent von Newsweek in Washington D.C. und für The New Republic an der Westküste. Im Jahre 1976 gehörte er zu den Gründern eines selbstverwalteten Unternehmens für Solarenergie in San Francisco, zusammen mit anderen gründete er 1983 Working Assets Money Fund. Daran anschließend war er Präsident von Working Assets Long Distance. Im Jahre 1995 wurde er zum Socially Responsible Entrepreneur of the Year for Northern California gewählt. Peter Barnes war Mitglied vieler Aufsichtsräte, so z.B. der National Cooperative Bank, des California State Assistance Fund for Energy, der California Solar Industry Association, der Business for Social Resposibility, der Rainbow Workers Cooperative, von Techmar, Redefining Progress, dem Familiy Violence Prevention Fund, dem Public Media Center, dem TV-Turnoff Network, von Noise Pollution Clearinghouse, Greenpeace International, der California Tax Reform Association und dem Center for Economic and Policy Research. – Zu seinen bisherigen Büchern gehören »Pawns. The Plight of the Citizen-Soldier« (Knopf, 1972), »The People‘s Land« (Rodale, 1975) und »Who owns the sky? Our Common Assets and the Future of Capitalism« (Island Press, 2001). Im Jahre 1997 gründete er Mesa Refuge, eine Rückzugsgelegenheit für Schriftsteller im Norden Kaliforniens.


Inhaltsverzeichnis


Einleitung: Auch der Kapitalismus braucht Gemeinschaftsgüter. Von Ralf Fücks



Vorwort




Eine persönliche Einsicht – Thematischer Umfang des Buches – Danksagung







Teil 1: Das Problem



Kapitel 1: Es ist an der Zeit, das Betriebssystem nachzurüsten




Die Welt, wie sie heute ist – Was sind Gemeinschaftsgüter? – Die Tragödie der Gemeinschaftsgüter ist anders zu verstehen als man landläufig denkt – Unser wirtschaftliches Betriebssystem – Illth und Thneeds – Rüsten wir unser Betriebssystem nach – Grundannahmen dieses Buches



Kapitel 2: Eine kurze Geschichte des Kapitalismus




Der Niedergang der Gemeinschaftsgüter – Der Aufstieg der Kapitalgesellschaften – Vom Mangel- zum Überflusskapitalismus – Drei Pathologien des Kapitalismus – Warten auf 3.0



Kapitel 3: Die Grenzen des Staates




Amerikas zwei Experimente – Die Grenzen der Regulierung – Die Grenzen der Besteuerung – Die Grenzen öffentlichen Eigentums – Lektionen für die Zukunft



Kapitel 4: Die Grenzen der Privatisierung




Die Algorithmen von Kapitalismus 2.0 – Sozial verantwortungsvolle Unternehmen – Öko-Liberalismus – Aneignung, nicht aber Privatisierung







Teil 2: Eine Lösung



Kapitel 5: Die Wiedererfindung der Gemeinschaftsgüter




Unsere gemeinsamen Vermögen – Auch Gemeineigentum ist Eigentum – Organisationsprinzipien des Gemeinschaftsgütersektors – Ein Blick voraus



Kapitel 6: Eine Treuhandschaft für die Schöpfung




Das heilige Recht des Kapitals – Von Gärten zu Ökosystemen – Trusts für Gemeineigentum – Ventile und ihre Kontrolleure – Eine vollständigere Buchführung – Über Coases Vorschläge hinaus – Auswirkungen auf die Armut – Verantwortlichkeit und Demokratie



Kapitel 7: Universelle Geburtsrechte




Die Spielregeln – Die Idee der Geburtsrechte – Dividenden aus gemeinsamen Vermögen – Ein Trust für die Chancengleichheit der Kinder – Geteiltes Gesundheitsrisiko -



Kapitel 8: Auf dem Weg zu einer gemeinsamen geteilten Kultur




Wer zahlt für Kultur? – Wie mit Werbung umzugehen wäre – Die Übertragungsfrequenzen – Das Internet – Patentiert unwissenschaftlich – Erst stärken, dann ausbauen







Teil 3: Die Realisierung



Kapitel 9: Die Errichtung eines Gemeinschaftsgütersektors




Lokale Initiativen – Regionale Initiativen – Nationale Initiativen – Globale Initiativen – Die Rolle des Staates



Kapitel 10: Was Sie tun können




Rollen für alle: Eltern, Lohnempfänger, Kapitalisten, Unternehmer für Gemeinschaftsgüter, Anwälte, Ökonomen, Religionsführer, Politiker, – Eine neue Wirtschaft für eine neue Ära







Anhang: Grundlegende Merkmale der drei Sektoren Unternehmen, Staat und Gemeinschaftsgüter (Tabelle)







Literatur, Index



Der Autor


Leseprobe


Vorwort






Ich bin Geschäftsmann und glaube, dass die Gesellschaft erfolgreichen Unternehmungsgeist honorieren sollte. Gleichzeitig weiß ich um die ungesunden Nebenwirkungen profitorientierter Unternehmen. Sie verschmutzen die Umwelt, produzieren Abfälle, führen zu Ungleichheit und Ängsten sowie zu nicht unerheblicher Verwirrung über den Sinn des Lebens.






Von meiner politischen Einstellung her habe ich nichts dagegen, wenn die Regierung eine gewisse Rolle in unserem Alltag spielt. Dennoch hat mich die Geschichte gelehrt, dass die Interessen der einfachen Bürger durch den Staat nicht angemessen geschützt werden. Noch weniger ist eine repräsentative Regierung in der Lage, die Interessen von zukünftigen Generationen, Ökosystemen und nichtmenschlichen Arten zu wahren. Das ist deshalb so, weil Regierungen meistenteils, wenn auch nicht immer, den Interessen der Unternehmen Priorität einräumen. Dies ist ein systemisches Problem kapitalistischer Demokratien, nicht aber eine Frage der Wahl neuer politischer Führer.






Wer mit diesen Meinungen übereinstimmt, mag sich – wie ich in letzter Zeit – irritiert und demoralisiert fühlen. Wenn der Kapitalismus, so wie wir ihn kennen, mit erheblichen Mängeln behaftet ist, die Regierung hingegen keine Abhilfe verspricht, worauf soll man dann noch hoffen?






Mir scheint das ein grundsätzliches Dilemma unserer Zeit zu sein. Seit Jahren sagt die Rechte – nein, sie brüllt das heraus –, dass der Staat das Problem ist und das Heil allein in Privatisierung, Deregulierung und Steuersenkung besteht. Ebenso lange beharrt die Linke auf der Position, dass die Märkte das Problem sind und das Heil allein im Staat liegt. Beide Seiten haben – und dies ist das Problem – zur einen Hälfte recht, zur anderen nicht. Beide haben recht, wenn sie sagen, dass die Märkte und der Staat Mängel aufweisen, und sie haben unrecht, insofern sie in einer der beiden Sphären das Heil suchen. Was soll man nun tun, wenn es sich so verhält? Vielleicht mangelt es an einer weiteren Reihe von Institutionen, die uns hier weiterhelfen könnten.






Vor etwa zehn Jahren begann ich, mich mit diesem Dilemma zu beschäftigen, nachdem ich mich von Working Assets, einem von mir 1982 mitgegründeten Unternehmen, zurückgezogen hatte. (Working Assets ist ein Anbieter von Telefon- und Kreditkartendienstleistungen, der automatisch an gemeinnützige Organisationen spendet, die für eine bessere Welt arbeiten.) Mein anfängliches Grübeln drehte sich um den Klimawandel, der durch Treibhausgasemissionen verursacht wird, für die die Menschen verantwortlich sind. Für einige Analysten war das »die Tragödie der Gemeinschaftsgüter« – ein vor 40 Jahren von dem Biologen Garret Hardin in Umlauf gebrachter Gedanke. [1] Hardin zufolge werden Menschen die Gemeinschaftsgüter immer über Gebühr in Anspruch nehmen, denn es liege in ihrem Eigeninteresse, dies zu tun. Für mich war das Problem hingegen eine zweifache Tragödie: erstens eine Tragödie des Marktes, der seine eigenen Exzesse nicht einzudämmen vermag; zweitens eine Tragödie der Regierung, die nicht in der Lage ist, die Atmosphäre zu schützen, weil die umweltverschmutzenden Unternehmen Macht besitzen und zukünftige Generationen nicht wahlberechtigt sind.






Diese Sichtweise führte mich zu einer Hypothese: Falls die Gemeinschaftsgüter das Opfer der Defizite von Markt und Regierung sein sollten, statt selbst die Ursache ihrer Zerstörung zu sein, dann mag das Heilmittel darin liegen, die Gemeinschaftsgüter zu stärken. Wie aber sollte dies geschehen? Der vorherrschenden Meinung zufolge lassen sich die Gemeinschaftsgüter der Sache nach nur schwer verwalten. Denn sie gehören effektiv niemandem. Besäße Waste Management Inc. [2] die Atmosphäre, so würde sie von Luftverschmutzern eine Gebühr verlangen, wie sie dies im Falle von Müllverklappung auf Landdeponien tut. Weil aber niemand einen Rechtsanspruch auf die Atmosphäre hat, wird die Luft grenzen- und kostenlos verschmutzt.






Dass keiner einen Rechtsanspruch auf die Atmosphäre hat, ist natürlich kein Zufall. Immer stand, soweit man sich erinnern kann, ausreichend Luft zur Verfügung, sodass es keinen Sinn ergab, an ihr irgendwelche Anteile zu besitzen. Mittlerweile hat sich das geändert. Unser weiter Himmel ist nicht mehr leer. Wir haben ihn mit unsichtbaren Gasen angereichert, die die klimatologischen Muster ändern, an die sich die Menschen und andere Lebewesen angepasst haben. In diesem neuen Kontext wird die Atmosphäre zu einer knappen Ressource – und so wäre es vielleicht keine so schlechte Idee, wenn es jemanden gäbe, der sie besäße.






Wer aber sollte den Himmel besitzen? Dieses Problem wurde für mich zu einer Art Zen-Koan – einer scheinbar harmlosen Frage, die bei genauerem Nachdenken zu vielen unverhofften Einsichten führte. So erwog ich, ein profitorientiertes Unternehmen zu gründen, das Anteile an der Atmosphäre erwerben sollte, um den Planeten zu schützen; schließlich bin ich bisher auch vorangekommen, indem ich Gutes getan habe. Wenn das nicht das Richtige wäre, was würde, so fragte ich mich, geschehen, wenn wir, als Gesellschaft genommen, einen Trust zum Zwecke der Verwaltung der Atmosphäre für zukünftige Generationen gründeten, mit den heute Lebenden als sekundär Anspruchsberechtigten? Ein solcher Trust täte genau das, was Waste Management Inc. tun würde, falls diese Firma den Himmel besäße: Umweltverschmutzer dafür zur Kasse bitten, dass sie den schwindenden Speicherplatz belegen. Die Kosten für die Verschmutzung der Umwelt stiegen, und die Umweltverschmutzung ginge zurück. All dies würde ohne Eingreifen der Regierung geschehen, nachdem zu Beginn die Rechte dem Trust übertragen worden wären. Falls letzterer aber – anders als Waste Management Inc. oder irgend ein anderes Unternehmen – den Himmel besäße, so gäbe es noch einen wundervollen Bonus: Jede Bürgerin und jeder Bürger bekäme eine jährliche Dividende.






Aus diesem Gedankenexperiment wurde ein Plan, der als Sky Trust bekannt geworden ist und politisch einiges bewirkt hat. Auch diente diese Idee als Epizentrum meiner Überlegungen über die Gemeinschaftsgüter – die wiederum zu diesem Buch führten. (…)






Thematischer Umfang des Buches






In etwa so, wie unsere Verfassung die Regeln des Regierens festlegt, bestimmt unser wirtschaftliches Betriebssystem die Regeln des Handels. Ich nutze das Possessivpronomen »unser«, um hervorzuheben, dass dieses wirtschaftliche Betriebssystem jedem von uns gehört. Es ist nicht unwandelbar. Auch haben wir das Recht, es auf den neuesten Stand zu bringen, wie wir das Recht haben, unsere Verfassung zu verbessern. Dieses Buch erklärt, warum das System nachgerüstet werden muss, wie das neue Betriebssystem aussieht und wie es zu installieren wäre.






Das Buch gliedert sich in drei Teile. Teil 1 beschäftigt sich mit unserem gegenwärtigen Betriebssystem, einer Version, die ich »Kapitalismus 2.0« nenne (Kapitalismus 1.0 verschwand etwa 1950, wie ich in Kapitel 2 erläutern werde). Ich lege dar, wie dieses System die Natur vernichtet, die Ungleichheit vergrößert und uns dabei unglücklich macht. Obwohl viele Leser sich dieser Probleme bereits bewusst sind, werde ich sie abermals untersuchen. Denn ich möchte zeigen, dass diese Resultate nicht zufällig auftreten, sondern Konsequenzen sind, die unsere wirtschaftliche Software zwangsläufig zeitigt. Das heißt, sie lassen sich nicht durch Behelfsreparaturen lösen. Um die Dinge zu richten, müssen wir den Programmkode ändern.






Teil 2 des Buches richtet das Augenmerk auf den Kapitalismus, wie er sein könnte – eine Version, die ich »Kapitalismus 3.0« nenne. Der grundlegende Unterschied zwischen den Versionen 2.0 und 3.0 besteht im Einschluss einer Reihe von Institutionen, die ich den »Gemeinschaftsgut-Sektor« nenne. Statt nur mit einer Maschine zu arbeiten – also dem unternehmensdominierten Privatsektor –, würde unser verbessertes Wirtschaftssystem mit zwei Maschinen laufen: einer auf private Profitmaximierung gerichteten und einer zweiten, die auf den Erhalt und die Mehrung des gemeinschaftlichen Reichtums orientiert ist.






Diese beiden Maschinen – nennen wir sie den Unternehmens- und den Gemeinschaftsgut-Sektor – würden einander befördern und in Schach halten. Einer würde für unsere Ich-Seite sorgen, der andere für unsere Wir-Seite. In ein ausgewogenes Verhältnis gebracht – und Ausgewogenheit herzustellen, wäre die entscheidende Aufgabe der Regierung –, führte diese Zwillingsmaschine zu mehr Wohlstand, Sicherheit und Zufriedenheit, als dies unsere gegenwärtig allein laufende Maschine tut oder tun könnte. Und sie würde dies tun, ohne den Planeten zu zerstören.






In Teil 2 werden eine Anzahl neuer Eigentums- und Geburtsrechte sowie Institutionen vorgeschlagen, die auf die eine oder andere Weise zur Erweiterung des Gemeinschaftsgut-Sektors führen. Diese Vorschläge verbinden, so glaube ich, Hoffnung und Realitätssinn miteinander. Sie umfassen u.a.:






eine Reihe von Trusts für Ökosysteme, die Luft, Wasser, Wälder und Habitate schützen;



einen Investmentfonds, der allen Bürgerinnen und Bürgern Dividenden zahlt – jedem den gleichen Anteil;



einen Trustfonds als Startkapital für jedes Kind;



einen Pool für jedermanns Gesundheitsfürsorge zum Zweck, finanzielle Risiken zu mindern;



einen auf Urheberrechtsgebühren gegründeten Nationalfonds zur Unterstützung einheimischer Künstler;



eine Beschränkung von Werbung.






Im Schlussteil des Buches wird erläutert, wie wir von hier aus zum Kapitalismus 3.0 gelangen; wie die Modelle funktionieren und wie ein jeder von uns etwas dafür tun kann, dass sie funktionieren.






Die dramatis personae des Buches sind die kapitalgesellschaftlichen Unternehmen, der Staat und die Gemeinschaftsgüter. Die Geschichte verläuft etwa wie folgt: Der Bühnenvorhang hebt sich, und die Kapitalgesellschaften verschlingen die Gemeinschaftsgüter. Sie sind die Großen des Geschäfts und die Gemeinschaftsgüter – ein desorganisiertes Konglomerat von Natur, Gesellschaft und Kultur – die permanenten Verlierer. Den Gemeinschaftsgütern fehlen Eigentumsrechte, und so müssen sie sich unter die Fittiche der Regierung begeben. Der Staat jedoch ist ein unzuverlässiger Hüter, weil er in starkem Maße den Unternehmen zuneigt.






Glücklicherweise wird der Staat nicht immer von den Unternehmen beherrscht. Von Zeit zu Zeit fallen denen die Zügel aus der Hand. So lässt sich vorstellen, dass eine Regierung – im Interesse der einfachen Bürger [4] – unversehens die Gemeinschaftsgüter stärkt, wenn der unternehmerische Einfluss schwindet. Sie überträgt dann den Trusts für Gemeinschaftsgüter neue Eigentumsrechte, baut die Infrastruktur der Gemeinschaftsgüter aus und schafft eine neue Klasse wirklicher Miteigentümer. Wenn dann die Unternehmerseite wieder die Zügel ergreift, was unweigerlich geschehen wird, dann wird sie das neue System nicht ungeschehen machen können. Die Gemeinschaftsgüter sind nunmehr mit Schutzvorrichtungen und Treuhändern ausgestattet und für eine langwierige Auseinandersetzung gewappnet. Im Laufe der Zeit akzeptieren Aktiengesellschaften schließlich die Gemeinschaftsgüter als ihre Geschäftspartner. Sie bemerken, dass sie nach wie vor Profite machen, weiterhin ihre Marktaktivitäten planen können und global gesehen sogar wettbewerbsfähiger werden.






Keiner der in diesem Buch unterbreiteten Vorschläge wird morgen Wirklichkeit sein. Das ist auch nicht meine Hoffnung. Ich möchte ein Fanal setzen, eine neue Art System vorstellen, das wir schrittweise errichten sollten, sobald sich Möglichkeiten dafür ergeben. Der Aufbau des Systems wird, so glaube ich, Jahrzehnte in Anspruch nehmen, unterbrochen durch Episoden schnellen Wandels. Angesprochen sind Unternehmen und Politiker, Ökonomen und Anwälte, Bürger und Meinungsführer verschiedener gesellschaftlicher Ebenen. Um nicht die Orientierung zu verlieren, benötigen wir eine Anleitung – die ich mir von diesem Buch verspreche.







[1] Garrett Hardin,The Tragedy oft he Commons, Science,1968,162,S.1243-1248.Siehe:
http://www.garretthardinsociety.org/articles/art_tragedy_of_the_commons.html.






[2] Waste Management Inc.ist ein Müllentsorgungs- und Wiederverwertungsunternehmen, das in den Vereinigten Staaten und in Kanada operiert. (A.d.Ü.)






[4] Im Original »commoner« – Wortspiel desVerfassers, weil es anders als »citizen« etymologisch auf »Commons« / »Gemeinschaftsgüter« hindeutet. (A.d.Ü.)






Aus: Kapitel 5: Die Wiedererfindung der Gemeinschaftsgüter






Auch Gemeineigentum ist Eigentum






(…) Eigentumsrechte sind nützliche menschliche Erfindungen – gesetzlich einklagbare Übereinkünfte, durch welche die Gesellschaft Eigentümern spezifische Rechte verleiht. Zu diesen Rechten gehören die Rechte, ein bestimmtes Vermögen zu nutzen, abzusondern, zu verkaufen, zu pachten, zu verleihen, einzutauschen und zu vererben. Diese verschiedenen Privilegien können in nahezu jeder möglichen Weise zusammengefügt wie auch entflochten werden.






Volkswirtschaften werden wesentlich durch Eigentumsrechte geprägt. Das feudalistische Wirtschaftssystem basierte auf dem Grundbesitz, den die Adligen ihren ältesten Söhnen vererbten, wie auch auf den Gemeinschaftsgütern, die das Volk ernährten. Das gemeine Volk musste auf die eine oder andere Weise für die Adligen arbeiten, die von dieser Arbeit und der Freigiebigkeit der Bodens lebten. Die Gesamtkonstruktion gründete im so genannten Gottesgnadentum der Könige.






In ähnlicher Weise ist der Kapitalismus durch Eigentumsrechte geprägt, die wir heute schaffen und würdigen. Seine größte Erfindung ist das Netz von Eigentumsrechten, das wir »Kapitalgesellschaft« nennen. Dieses fiktive Gebilde erfreut sich unbefristeten Daseins, beschränkter Haftung und – gleich dem Feudalbesitz vergangener Zeiten – nahezu grenzenloser Herrschaftsgewalt. Sein zweckdienlicher Eigentumstitel ist in handelbare Anteile zerlegt, die selbst wiederum eine Art von Eigentum sind. Eigentumsrechte sind jedoch nicht von vornherein dazu bestimmt, in profitmaximierende Hände zu gehören. Man könnte z.B. einen Trust gründen, um sich einen Wald oder bestimmte Rechte an ihm im Auftrag künftiger Generationen zu sichern. Diese Eigentumsrechte wären so deutlich vernehmbar wie die Anteile am Kapitalstock von Pacific Lumber – jedoch verbunden mit einer völlig anderen Zielsetzung: nämlich den Wald zu schützen, statt ihn auszubeuten. (…)






Man stelle sich eine Reihe solcher Eigentumsrechte vor. Nennen wir sie allgemein »Gemeineigentumsrechte«. Würden solche Eigentumsrechte nicht existieren, gäbe es gute Gründe dafür, sie zu erfinden. Glücklicherweise gibt es sie bereits in verschiedener Gestalt – z.B. als Territorien oder Nutzungsrechte, die sich in permanenter Treuhandschaft (z.B. der Nature Conservancy) befinden, oder auch in Form von körperschaftlichen Vermögen, die im Namen großer Gemeinschaften (z.B. durch den Alaska Permanent Fund) verwaltet werden.






Einige Formen des Gemeineigentums beinhalten individuelle Anteile (auch hierfür ist der Alaska Permanent Fund ein Beispiel). Diese individuellen Anteile unterscheiden sich jedoch von den Anteilen, die man an Privatunternehmen halten kann. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um Wertpapiere, die auf einem Markt gehandelt werden können. Sie sind daran gebunden, dass man Gemeinschaftsmitglied ist. Wer emigriert oder stirbt, verliert seinen Anteil. Wer umgekehrt in diese Gemeinschaft hineingeboren wird, erwirbt ihn als Geburtsrecht.






Ich akzeptiere, dass für einige die Umwandlung gemeinsamen Vermögens in Eigentum – egal welcher Art – ein Sakrileg ist. »Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen, die Wärme des Landes?«, hatte Chief Seattle, Häuptling des Stammes der Suquamish, gefragt. Diese Gefühlsregung vermag ich nachzuempfinden. Andererseits bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es dem Himmel gegenüber respektloser wäre, ihn grenzen- und kostenlos zu verschmutzen, statt ihn in treuhänderischer Verwaltung für künftige Generationen zum Gemeineigentum zu machen. Folglich befürworte ich Aneignung, nicht aber Privatisierung.






Organisationsprinzipien des Gemeinschaftsgütersektors






Eigentumsrechte, insbesondere die Gemeineigentum betreffenden, erfordern zu ihrer Verwaltung qualifizierte Institutionen. Neben einem Mehr an Gemeineigentum benötigen wir heute folglich – und zwar in Abgrenzung von Kapitalgesellschaften und Regierung – eine Reihe von Institutionen, deren spezifische und ausdrückliche Aufgabe darin besteht, das Gemeineigentum zu verwalten.






Ich sagte »eine Reihe«, weil es eine Vielfalt von ihnen geben wird und geben muss. Der Gemeinschaftsgut-Sektor darf keine Monokultur sein, wie es der Unternehmenssektor ist. Jede Institution sollte ihrem besonderen Vermögen und jeweiligen Ort angemessen sein.






Die Vielfalt bemisst sich unter anderem daran, ob das zugrundeliegende Vermögen begrenzt oder unerschöpflich ist. Charakteristischerweise sind die Gaben der Natur beschränkt: Die Atmosphäre verkraftet ohne Einbuße nur soundso viel CO2, die Ozeane nur soundso viele Treibnetze. Natürliche Vermögen verwaltende Institutionen müssen deshalb in der Lage sein, deren Inanspruchnahme einzuschränken. Im Unterschied dazu lassen sich Ideen und kulturelle Kreationen endlos entwickeln und wiederverwenden. Institutionen, die diese Gemeinschaftsgüter verwalten, müssen den öffentlichen Zugang erweitern und den Zutritt gegen Bezahlung einschränken.






Trotz ihrer Unterschiede haben die Institutionen, die den Gemeinschaftsgütersektor verwalten, eine Reihe gemeinsamer Prinzipien; die grundlegenden seien hier genannt:






Lass' genug und ebenso gutes allen gemeinsam
Locke hatte behauptet, es sei in Ordnung, Teile der Gemeinschaftsgüter zu privatisieren, solange nur »genug und ebenso gutes« für alle übrigen für immer übrig gelassen werde. »Genug« im Falle eines Ökosystems meint hinreichend, um es am Leben und gesund zu halten. Zumindest so viel sollte den Gemeinschaftsgütern zugehören, auch wenn Teile des Ökosystems Privateigentum sind. »Genug« im Falle von Kultur und Wissenschaft meint hinreichend für ein dynamisches öffentliches Leben. Ausschließlichkeitsgenehmigungen wie Patente und Copyrights sollten die Ausnahme bleiben.






Künftigen Generationen gebührt die erste Stelle
Kapitalgesellschaften stellen die Interessen der Aktionäre obenan, Regierungen die der Wahlkampfspender und Wähler. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es niemanden, der die Interessen künftiger Generationen favorisiert. Das wäre der Job Nummer Eins für den Gemeinschaftsgütersektor. Praktisch würde dies bedeuten, dass Treuhänder künftigen Generationen gegenüber im juristischen Sinne rechenschaftspflichtig wären. (Wie das funktionieren könnte, wird Kapitel 6 zeigen.) Diese sollten auch durch das Vorbeugeprinzip gebunden sein, im Zweifelsfalle auf Nummer sicher zu gehen. Angesichts eines Konflikts zwischen kurzfristigem Gewinn und langfristiger Bewahrung sollte von ihnen gefordert werden, letztere zu wählen.






Je mehr, desto glücklicher
Während Privateigentum weitgehend ausschließt, wirkt Gemeineigentum einschließend. Denn Gemeineigentum strebt nach zusätzlichen Miteigentümern oder Teilnehmern, was mit dem Ziel, das betreffende Vermögen zu bewahren, in Einklang steht. – Dieses Organisationsprinzip ist klar auf Gemeinschaftsgüter wie Kultur oder das Internet anwendbar, bei denen es keine physischen Grenzen gibt und zunehmende Nutzung Synergieeffekte zuhauf produziert. Es gilt auch für Sozialverträge wie Social Security und Medicare, die allgemeine Teilnahme voraussetzen. Die Finanzmechanismen dieser Verträge sind Ausdruck unserer Solidarität mit anderen Mitgliedern unserer Nation. Sie sind effizient und fair, weil sie einen jeden einschließen. Gründeten sie auf den Prinzipien der Profitmaximierung, würden sie unweigerlich die Armen (die sich die Teilnahme dann nicht leisten könnten) sowie jene ausschließen, die den Privatversicherern zu riskant erschienen.






Ein Anteil pro Person
Moderne Demokratien gründen auf dem Prinzip, jeder Person eine Stimme zu geben. Analog würde der moderne Gemeinschaftsgütersektor auf dem Prinzip beruhen, jeder Person einen Anteil zuzumessen. Im Falle knapper Naturressourcen ist es erforderlich, zwischen Nutzungs- und Ertragsrechten zu unterscheiden. Dass jeder ein begrenztes Gemeinschaftsgut in gleichem Maße nutzt ist unmöglich. Jedoch sollte ein jeder gleiche Anteile an den Erträgen erhalten, die aus dem Verkauf beschränkter Nutzungsrechte entstehen.






Liquidität ist kein Nachteil
Gegenwärtig erfreuen sich Privateigentümer nahezu monopolartig des Privilegs, Erträge aus ihrem Eigentum zu erwirtschaften. Wie jedoch der Alaska Permanent Fund zeigt, ist es auch Anteilseignern am Gemeineigentum möglich, Erträge zu erzielen. Eine Ertragsbeteiligung brächte das Privateigentum nicht nur um sein Liquiditätsmonopol, sondern nähme ihm auch die ausschließliche Aufmerksamkeit. Die Menschen würden auf das Gemeineigentum aufmerksam, wenn sich Erträge damit erwirtschaften ließen. Sie würden sich darum kümmern, darüber nachdenken und sprechen. Die Anteilnahme für unsichtbare Gemeinschaftsgüter nähme zu. – Liquidität lässt sich vom Gemeineigentum jedoch nicht umstandslos fordern. Da Gemeineigentumsrechte Geburtsrechte sind, dürfen sie nicht wie Kapitalanteile gehandelt werden. Das heißt, Gemeineigentümer könnten keine Veräußerungsgewinne einheimsen. Sie würden stattdessen ihre erworbenen Anteile ihr Leben lang behalten und durch diese Beteiligungen Anteile an Pacht- und anderen Zinsen, Tantiemen und Dividenden erwerben.






Ein Blick voraus






Im Unterschied zu einem Computerbetriebssystem steht der Kapitalismus 3.0 nicht auf einer CD-Rom oder DVD zur Verfügung. Auch lässt sich dieses Betriebssystem nicht herunterladen. Es muss stattdessen in der realen Welt aufgebaut werden: ein Vermögensbestand nach dem anderen, ein Gemeinschaftsgut nach dem anderen. Der Vorgang ist in Abbildung 5.2 zusammengefasst und in Kapitel 9 ausführlicher beschrieben.






Im Kapitalismus der Version 2.0 verzehren Privatunternehmen mit Hilfe des Staates die unorganisierten Gemeinschaftsgüter. Die Wettbewerbsbedingungen sind äußerst ungleich. Während einer darauf folgenden Übergangsphase erkennt der Staat den Institutionen für gemeinsame Vermögen Rechtstitel zu, wie er das auch im Falle der Privatunternehmen tut. Die Wettbewerbsbedingungen gleichen sich an. Im Kapitalismus der Version 3.0 schließlich stärken und beschränken die privatwirtschaftlichen Unternehmen und die organisierten Gemeinschaftsgüter einander. Der Staat sorgt dafür, dass die Wettbewerbsbedingungen ausgewogen bleiben.