langelieder
> Bücherliste
> Binnig 1989
|
|
|
|
|
Gerd
Binnig Aus dem Nichts Über
die Kreativität von Natur und Mensch
München
1989 (Piper); 298 Seiten; ISBN 3-492-03353-9 Mit Zeichnungen
und Gedichten von Rudi Gerharz
|
|
|
|
Gerd Binnig,
Experimentalphysiker und Physik-Nobelpreisträger des Jahres
1986, hat in den letzten Jahren eine neue Vorstellung von
Evolution entwickelt. Zu diesem Thema hat er nun sein erstes Buch
geschrieben.
Evolution ist ein kreativer Prozess. Deshalb
handelt Binnigs Buch vor allem von Kreativität. Er schreibt
schon der außermenschlichen Natur Kreativität zu,
nicht erst dem Menschen.
Das Buch behandelt Kreativität
in zweifacher Weise: Zum einen werden kreative Mechanismen
beschrieben, zum anderen ist das Buch selbst ein kreativer
Prozeß, an dem der Leser teilnimmt. Es ist – sehr
stark durch persönliche Erfahrungen des Autors geprägtes
– kreatives Nachdenken über Kreativität.
Das
im ersten Teil erarbeitete neue Bild der Kreativität wird im
zweiten Teil vertieft und auf alltägliche und
nicht-alltägliche Situationen angewandt. Binnigs Modell
beschreibt die Welt als ein Kollektiv ineinandergeschachtelter
„Lebewesen“ – und das können Staaten,
Organe, Zellen, Moleküle, Atome, ja Gedanken sein. Zwischen
ihnen findet eine besondere Art von darwinistischem Wechselspiel
statt – selbstähnliche Prozesse von Isolation,
Attraktion, Reproduktion, Mutation und Auslese. Dies gilt auch
für kreative Denkprozesse, da Gedanken und Denkmuster im
großen wie im kleinen immer wieder reproduziert, mutiert
und auf ihre Lebensfähigkeit hin überprüft
werden.
Der Autor blickt und denkt mit diesem Buch weit
über die Grenzen seines Fachs hinaus. Seine Leser brauchen
keine Fachkenntnisse, aber Lust dazu, sich in einen kreativen
Prozeß verwickeln und zu einem neuartigen Nachdenken über
Mensch und Natur anregen zu lassen.
|
|
|
(Klappentext)
|
|
Gerd
Binnig
|
|
geboren 1947 in
Frankfurt. Studium der Physik, Diplom und Promotion (1978) in
Frankfurt, ab 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter am
IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bei Zürich. Dort mit
Heinrich Rohrer Entwicklung des „Raster-Tunnel-Mikroskops“.
1985/86 an der Stanford University und am IBM-Forschungszentrum
in San José (Kalifornien), 1986-89 Gastprofessor an der
Stanford University. Seit 1987 Honorarprofessor an der
Universität München. Erhielt zahlreiche
wissenschaftliche Preise und 1986 (mit Heinrich Rohrer und Ernst
Ruska) den Nobelpreis für Physik.
|
|
Inhaltsverzeichnis
|
|
Vorwort
|
|
|
|
|
|
Erster
Teil: Die Entwicklung einer Idee
|
|
|
|
|
|
Göttliche
oder menschliche Kreativität? Spiel
mit dem Kreativitätsmuskel - „Kreativität“
ist ein allumfassendes Thema – Der Mensch, „nur“
ein Bestandteil der Natur – Existiert Kreativität? –
Zu einer Definition der Kreativität – Die
„Bausteinstruktur“ unserer Welt
|
|
|
Große
und kleine Pyramiden Spielerisches
Umgehen mit den Pyramiden – Einige Hypothesen zum
Pyramidenmodell – Beispiele zum Pyramidenmodell – Die
„Denkpyramide“ – Logik – Die
„Wissenspyramide“ – Kreativität in der
Wissenspyramide
|
|
|
Der
künstliche natürliche Tod oder die Ticks der Natur Die
Dynamik der Pyramiden – Beispiel Rastertunnelmikroskopie –
Wirkungseinheiten in der belebten Natur – Beschränkung
der Vielfalt – Kreative Mechanismen des Lebens – Noch
einmal: das Beispiel Rastertunnelmikroskopie
|
|
|
Bau‘
Dir eine Pyramide, und wohne darin für eine Zeit Wie
entstand die Tunnelmikroskopie? – Die ersten Möbelstücke
– Exkurs: Der Wille zur Kreativität und Intuition –
Weitere Möbelstücke – Austauschen und Verändern
bringt neue Wirkungseinheiten
|
|
|
Ein
Gedankensprung
|
|
|
Dualismus
und das Kreativitäts-Rädchen Zwischen
den Polen – Kreativität als Wechselspiel –
Kreativität an unseren Schulen? – Synthese, Analyse –
Der Dialog zur Kreativität - Kreativität: ein
kollektives Phänomen
|
|
|
Vier
große Evolutionen – und die Mechanismen sind immer
die gleichen Evolution
des Raumes – Die Entwicklung geht in alle Richtungen –
Die Pyramiden – Geht die Pyramide nach unden weiter? –
Alle Evolutionspyramiden wachsen auf die gleiche Art –
Vergleich der verschiedenen Evolutionen – Dualismus als
Urprinzip
|
|
|
Zielgerichtet
und unscharf Zielgerichtetheit
– Adler und Hase – Auslese und Mutation – Ziel:
Die Beschränkung auf ein Feld von Möglichkeiten –
Ziele und Wege, eine Unschärferelation – Der goldene
Mittelweg – Das Sprunghafte in der Natur – Die Rolle
der Zeit – Strukturierter Zufall?
|
|
|
Hundert
Gründe, nicht kreativ zu sein Kreativität
und Beschränkung – Angstblockaden –
Psychobarrieren im kreativen Prozeß – Gründe für
die Angst vor Kreativität
|
|
|
Psychologie
und menschliche Kreativität Kreativität
kann man lernen – Sei ein Narr – Individuelle Wege –
Nicht entmutigen lassen!
|
|
|
Die
fraktale Struktur der Evolutionen Fraktale
– Die statische Struktur – Das Wachstum der
Strukturen – Ziele als Motor der Evolution – Einige
zusammenfassende Schlußfolgerungen
|
|
|
|
|
|
Zweiter
Teil: Ein Jahr danach – Arbeiten mit der Idee
|
|
|
|
|
|
Es
ist immer wieder überraschend, was alles schon gedacht
wurde Pyramide
und Baukasten – Veränderungen der Bilder und Begriffe
– Eine große Evolution – Chaosforschung –
Ein Beispiel – Wo liegt die Trennungslinie zwischen Ordnung
und Chaos? – Die Lehren Darwins –
Selbstorganisierende Systeme und Evolution – Der Gedanke
des Archetypus – Biologie – Hirnforschung und die
Nachahmung des Gehirns - Philosophie
|
|
|
Wozu
Kreativität, wozu Grundlagenforschung? Grundlagenforschung
- Grundlagenforschung ist Sache der Gesellschaften –
Geistige Modelle, die Religionen – Nötig ist bessere
Information über Grundlagenforschung – Die negativen
Folgen der Grundlagenforschung – Angst bewirkt Veränderung
– Die Verantwortung des Wissenschaftlers – Ethische
Wissenschaft – Wozu Kreativität? – Erweiterung
des menschlichen Horizonts – Grundlagenforschung auf allen
Gebieten
|
|
|
Narzißmus
und Immunität Narzißmus
im fraktalen Bild erklärt – Narzißmus in
Großgebilden wie Staaten – Abwehrmechanismen, Distanz
– Unsere Lage in Europa
|
|
|
Kreatives
Management, fraktales Management Führung,
die fraktale Sicht – Fraktale und Mathematik, konkrete
Beispiele – Kreative Lösung des Frauenproblems –
Die Energiequellen bescheren uns einen Urknall – Kreatives
Management und Bürokratie – In einem fraktalen System
ist die Verantwortung aufgeteilt – Führen und führen
lassen – Verschiedene Arten von Kreativität
|
|
|
Naturgesetze
sind Evolutionsgesetze Bewegung
ist Anpassung an die Umwelt – Das relativistische
Nagelbrett – Addition von Geschwindigkeiten –
Subjektive Wechselwirkungen – Zeitdehnung –
Massenzuwachs – Das statistische Verhalten - Tunneln
|
|
|
Kreative
Stationen meines Lebens
|
|
|
|
|
|
Register
|
|
Leseprobe
|
|
Vorwort
|
|
|
|
|
|
Jede
Art von schriftlicher Betätigung ist für mich ein
Greuel, auch wenn es sich nur um das Schreiben einer Postkarte
handelt. Zu diesem Buch hat es mich jedoch regelrecht getrieben,
und zum erstenmal hat mir Schreiben Spaß gemacht. Meine
Hoffnung ist, daß Sie mein Bild der Kreativität so
aufregend und faszinierend finden wie ich selbst. Diese Hoffnung
war für mich der Antrieb beim Schreiben.
Mir geht es
in diesem Buch nicht darum, detaillierte Patentrezepte für
kreatives Verhalten zu geben, sondern in erster Linie darum, ein
tieferes Verständnis von Kreativität zu erreichen. Dazu
muß man sich aber die gesamte Natur und nicht nur den
Menschen anschauen. Die Natur war und ist in der Lage, ständig
Neues hervorzubringen, ist also kreativ. Läßt sich die
menschliche Kreativität mit der Kreativität der übrigen
Natur vergleichen? Kann man Regeln angeben, nach denen
Kreativität stattfindet?
Etwa ein Jahr bevor ich
dieses Buch geschrieben habe, hatte ich lediglich ein intuitives
Gefühl davon, was Kreativität sein könnte. Das
Thema hat mich jedoch brennend interessiert, und ich wollte mehr
darüber wissen. Im Laufe meines Lebens und während
meiner Arbeit habe ich in dieser Hinsicht oft erstaunliche
Erfahrungen gemacht, die mich immer wieder veranlaßten,
über das Thema nachzudenken. Besonders plastische Eindrücke
erhielt ich natürlich, wenn ich selbst in kreative Prozesse
verstrickt war. Ich begann meine Gedanken und Eindrücke zu
sortieren und konsequent weiter zu durchdenken. Dazu habe ich
mich einen Tag pro Woche in ein stilles Kämmerlein
eingeschlossen und gegrübelt. Ohne ein direktes Ziel hätte
ich das nie gekonnt, also nahm ich mir vor, dieses Buch zu
schreiben.
Als ersten Schritt dazu hielt ich an der
Universität München eine Vorlesung zum Thema
„Kreativität aus der Sicht eines Physikers“. Der
erste Teil dieses Buches besteht aus der leicht überarbeiteten
zehnstündigen Vorlesung. Sie brauchen keine Befürchtungen
zu haben, es handelt sich dabei keineswegs um eine Vorlesung im
üblichen Sinn. Ich versuche ganz zwanglos und spielerisch
herauszufinden, was Kreativität ist. Dabei erhielt ich zudem
einige wertvolle Anregungen von Studenten und anderen Hörern
der Vorlesungen. Dafür bin ich sehr dankbar. Lassen Sie sich
bitte nicht von der Naivität des ersten Teils, die sich auch
im Stil ausdrückt, irritieren. Für kreative Prozesse
braucht es reichlich Naivität.
Dieses Buch behandelt
das Thema Kreativität in zweifacher Weise: Zum einen
beschreibt es kreative Mechanismen, zum anderen verkörpert
es selbst einen kreativen Prozeß. Während das Buch
fortschreitet und entsteht, entwickelt sich nach und nach ein
neues Bild von Kreativität. Der erste Teil des Buches ist
nicht nach, sondern während eines Denkprozesses
entstanden. Dies bedeutet, daß ich bei keinem der ersten
neun Kapitel auch nur ahnte, was sich in den folgenden Kapiteln
entwickeln würde. Dies ist sicherlich eine unübliche
Art, populärwissenschaftlich zu schreiben. Ich hoffe jedoch,
daß es einerseits das Thema vertieft und andererseits dem
Buch eine besondere Dynamik und Lebendigkeit verleiht.
Im
zweiten Teil versuche ich, das im Buch entwickelte Bild von
Kreativität zu vertiefen und damit zu arbeiten, d.h. es auf
alltägliche und auch auf nicht alltägliche Situa-tionen
anzuwenden. Dies könnte man im Prinzip beliebig ausdehnen,
denn es gibt keinen Zusammenhang und keine Situation, die mit
Kreativität nichts zu tun hätte. Die Breite des Themas
sollte auch in den verschiedenen Ausdrucksformen dieses Buches
deutlich werden.
Ich bin sehr froh darüber, daß
es mir gelungen ist, Rudi Gerharz dafür zu gewinnen,
künstlerische Beiträge zum Text dieses Buches
beizusteuern. Rudi Gerharz ist für mich einer der
kreativsten Künstler unserer Zeit. Ich bin davon überzeugt,
daß seine Gedichte und Bilder dem Buch eine zusätzliche
Dimension verleihen und tiefere Regionen in Ihnen ansprechen
werden, als dies der beschreibende Text allein vermocht
hätte.
Es sei noch erwähnt, daß unzählige
Diskussionen mit meiner Frau, mit Freunden und Arbeitskollegen
mir sehr geholfen haben. Im besonderen entstand das Kapitel
„Naturgesetze sind Evolutionsgesetze“ aus einer engen
Zusammenarbeit mit Jürgen Beier, Heinrich Hörber und
Michael Niksch. Zu diesem Thema bin ich auch Theo Hänsch für
anregende Diskussionen dankbar. Von Heidi Bohnet, Tilman Steiner,
Manfred Weick, Rudi Gerharz und Heinrich Hörber, die das
Manuskript des Buches sorgfältig gelesen haben, erhielt ich
wertvolle Anregungen und Hinweise. Beim technischen Erstellen des
Manuskriptes war die Hilfe von Petra Radzak von unschätzbarem
Wert.
Schließlich danke ich meinen beiden Kindern,
Iris (4) und Marvin (3). Sie haben mein Leben verändert und
dadurch auch unter anderem dieses Buch möglich
gemacht.
München, im April 1989 Gerd Binnig
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Zitate
(Sätze,
die auch im Buch hervorgehoben sind)
Im
ersten Teil des Buches:
Kreativität ist das
Ermöglichen neuer Wirkungseinheiten, und sie ist
lokal.
Evolution läßt sich immer als
Komplexitätspyramide darstellen. Kreativität ist das
Ermöglichen des Wachstums solcher Pyramiden. Alle
Pyramiden wachsen nach den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen
Mechanismen.
Kreativität ist ein kollektives
Phänomen.
Man kann nicht kreativ sein, wenn man nicht
beschränkt ist.
Im zweiten Teil
des Buches:
Die Mutationen unterliegen selbst
Mutations-Auslese-Zyklen.
Wirkungseinheiten gruppieren
sich zu einem fraktalen Wechselwirkungsnetz, das
Mutations-Auslese-Zyklen durchläuft.
Jede uns
bekannte Wirkungseinheit zeigt einerseits das Bedürfnis nach
Nähe und andererseits nach Distanz.
Unsere Welt ist
deshalb fraktal, weil dies die beste Art der
Informationsverarbeitung ist.
Die Komplexität jedes
Systems ist unfaßbar groß.
Ein System, das
nicht zu Ausnahmen fähig ist, ist ein totes System.
|
|
Siehe
auch
|
|
http://www.drillingsraum.de/gerd-binnig/gerd-binnig-1.html
(Interview
2010)
|
|
|
|