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Donella Meadows, Jørgen Randers, Dennis Meadows
Die Grenzen des Wachstums – Das 30-Jahre-Update
Signal zum Kurswechsel

Stuttgart 2006 (Hirzel); 324 Seiten; ISBN: 978-3-7776-1384-0
Das Original erschien 2004 unter dem „Titel Limits to Growth – The 30-Year Update“ bei Chelsae Green Publishing Company, White River Junction, Vermont, USA

»Wir schreiben dieses Buch nicht als Vorhersage, was tatsächlich im 21. Jahrhundert passieren wird. Wir prognostizieren keine bestimmte Entwicklung für die Zukunft. Wir präsentieren ganz einfach einige alternative Szenarien: genauer gesagt, zehn unterschiedliche Bilder, wie die Entwicklung im 21. Jahrhundert ablaufen könnte. Wir möchten Sie damit zum Lernen, zum Nachdenken und zu persönlichen Entscheidungen anregen.

Wir glauben nicht, dass die verfügbaren Daten und Theorien jemals exakte Vorhersagen erlauben werden, was im Laufe des kommenden Jahrhunderts auf der Welt geschehen wird. Aber wir sind der Ansicht, dass wir aufgrund unserer gegenwärtigen Erkenntnisse eine Reihe von Zukunftsvisionen als unrealistisch ausschließen können. Durch die verfügbaren Fakten werden bereits viele implizite Erwartungen der Menschen hinsichtlich eines nachhaltigen Wachstums in der Zukunft entkräftet – sie sind nichts als Wunschdenken: reizvoll, aber falsch, zweckmäßig, aber unwirksam. Unsere Analyse wird dann von Nutzen sein, wenn sie die Bürger der globalen Gesellschaft zwingt, die globalen physischen Grenzen, die eine wichtige Rolle in ihrem zukünftigen Leben spielen, neu zu überdenken, genauer kennen und achten zu lernen.«

(Aus dem Vorwort der Autoren)

Prof. Dr. Donella Meadows, geboren 1941, Systemanalytikerin, lehrte Umweltwissenschaft am Dartmouth College und schrieb Kolumnen über den Kurswechsel, ohne den es keine Nachhaltigkeit geben kann; 2001 unerwartet verstorben.

Prof. Dr. Dennis Meadows, geboren 1942, Systemwissenschaftler, lehrte Ingenieurwissenschaften, Management und Sozialwissenschaften an drei großen amerikanischen Universitäten, hielt Vorlesungen und Kurse in über 50 Ländern. Heute konzipiert und leitet er Trainingsprogramme für Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik.

Prof. Dr. Jørgen Randers, geboren 1945, Politikanalytiker, war lange Präsident der Norwegian School of Management.

INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort der Autoren
Hintergrund – 1972: Die Grenzen des Wachstums – Das Ende des Wachstums – 1992: Die neuen Grenzen des Wachstums – 1970 bis 2000: Anwachsen des ökologischen Fußabdrucks der menschlichen Gesellschaft – Was wird passieren? – Waren die Aussagen in „Die Grenzen des Wachstums“ richtig? – Warum ein Weiteres Buch? – Szenarien und Prognosen – Bücher und der Übergang zur Nachhaltigkeit – Grenzüberschreitung und Zusammenbruch in der Praxis – Pläne für die Zukunft

Kapitel 1 – Overshoot: Grenzüberschreitung

Kapitel 2 – Die Treibende Kraft: exponentielles Wachstum
Die Mathematik des exponentiellen Wachstums
Exponentiell wachsende Größen
Wachstum der Weltbevölkerung
Das globale Wirtschaftswachstum
Mehr Menschen, mehr Armut, noch mehr Menschen

Kapitel 3 – Die Grenzen: Quellen und Senken
Erneuerbare Ressourcen – Nahrung, Land, Boden, Wasser, Wälder, Arten und Ökosystemleistungen
Nicht erneuerbare Ressourcen – Fossile Brennstoffe, Material
Senken für Schadstoffe und Abfälle
Jenseits der Grenzen
Leben vom Kapital, nicht vom Einkommen

Kapitel 4 – World3: die Dynamik des Wachstums in einer begrenzten Welt
Zweck und Struktur von World3
Mit Grenzen – ohne Grenzen
Grenzen und Verzögerungen
Grenzüberschreitung und Schwingungen
Grenzüberschreitung und Zusammenbruch
World3: zwei mögliche Szenarien
Warum kommt es zu Grenzüberschreitung mit Zusammenbruch?

Kapitel 5 – Zurück hinter die Grenze: die Geschichte des Ozonlochs
Das Wachstum
Die Grenze
Die ersten Signale
Die Verzögerungen
Grenzüberschreitung: das Ozonloch
Die nächste Reaktion: Verzögerungen in der Praxis
Ohne FCKW auskommen
Die Moral von der Geschichte?

Kapitel 6 – Technik, Märkte und Grenzüberschreitung
Technologie und Märkte in der „realen Welt“
Erweiterung der Grenzen durch Technologie in World3
Einige Einschränkungen
Warum Technik und Märkte allein die Grenzüberschreitung nicht verhindern können
Ein Beispiel für die Unvollkommenheit des Marktes: Schwankungen am Erdölmarkt
Technologie, Märkte und der Zerfall der Fischerei
Eine Bilanz

Kapitel 7 – Übergänge zu einem nachhaltigen System
Gezielte Wachstumsbeschränkung
Wachstumsbeschränkung und verbesserte Technik
Was zwanzig Jahre ausmachen können
Wie viel ist zu viel?
Die nachhaltige Gesellschaft

Kapitel 8 – Rüstzeug für den Übergang zur Nachhaltigkeit
Die ersten beiden Revolutionen: die landwirtschaftliche und die idustrielle Revolution
Die nächste Revolution: Nachhaltigkeit
Wunschvisionen
Aufbau von Netzwerken
Wahrhaftigkeit
Lernbereitschaft
Nächstenliebe

Anhang 1 – Veränderungen von World3 zu World3-03
Neue Strukturen in World3-03
Die Skalen der Variablen in den Szenarien von World3-03

Anhang 2 – Indikatoren für den Wohlstand der Menschen und den ökologischen Fußabdruck
Hintergrund
Der Entwicklungsindex des UNDP
Der Wohlstandsindex in World3
Der ökologische Fußabdruck von Mathis Wackernagel
Der ökologische Fußabdruck in World3

Liste der Abbildungen und Tabellen mit Quellenangaben
Register

LESEPROBE
Auszüge aus dem Vorwort der Autoren

1970 bis 2000: Anwachsen des ökologischen Fußabdrucks der menschlichen Gesellschaft

Die vergangenen 30 Jahre brachten viele positive Entwicklungen. Als Reaktion auf die ständig wachsenden menschlichen Auswirkungen auf die Umwelt – den „Fußabdruck“ – wurden weltweit neue Technologien entwickelt, Verbraucher änderten ihre Kaufgewohnheiten, neue Institutionen wurden gegründet und multinationale Übereinkünfte getroffen. In manchen Regionen wuchsen die Nahrungsmittel-, Energie- und Industrieproduktion weit schneller als die Bevölkerung. In diesen Regionen haben die meisten Menschen mehr Wohlstand erlangt. Das Bevölkerungswachstum ist infolge des erhöhten Durchschnittseinkommens zurückgegangen. Umweltprobleme sind heute viel stärker ins Bewusstsein gerückt als 1970. In den meisten Ländern gibt es Umweltministerien, und Umwelterziehung ist an der Tagesordnung. In den reichen Ländern wurden Schadstoffemissionen durch Fabrikschlote und die Ableitung verschmutzter Industrieabwässer weitgehend verbannt, und führende Firmen setzen erfolgreich eine immer höhere ökologische Effizienz durch.

Dieser scheinbare Erfolg machte es schwierig, um 1990 Probleme der Grenzüberschreitung anzusprechen. Erschwert wurde die Situation noch dadurch, dass es an grundlegenden Daten und selbst an einem elementaren Vokabular im Zusammenhang mit der (im Englischen als
overshoot bezeichneten) Überschreitung von Grenzen mangelte. Es dauerte mehr als zwei Jahrzehnte, bevor das konzeptionelle Gerüst – beispielsweise das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vom Wachstum des ökologischen Fußabdrucks zu unterscheiden – genügend ausgereift war, um eine intelligente Diskussion über die Problematik der Grenzen des Wachstums zu ermöglichen. Und die globale Gesellschaft versucht immer noch, das Konzept der Nachhaltigkeit zu begreifen, ein verschwommener Begriff, der selbst 16 Jahre nachdem er von der Brundtland-Kommission geprägt worden ist noch missverstanden wird.

Die letzten zehn Jahre brachten viele Daten, die unsere Prognosen in
Die neuen Grenzen des Wachstums, dass die Welt sich in einem Zustand der Grenzüberschreitung befindet, untermauerten. Heute zeigt sich, dass die weltweite Pro-Kopf-Getreideproduktion ihren Höhepunkt Mitte der 1980er-Jahre hatte. Die Aussichten für eine wesentliche Zunahme der Fangmenge von Meeresfischen stehen schlecht. Naturkatastrophen ziehen immer höhere Kosten nach sich, und die Bemühungen, die Süßwasservorräte und fossilen Brennstoffe unter der konkurrierenden Nachfrage aufzuteilen, werden immer intensiver und konfliktbeladener. Die Vereinigten Staaten und andere große Nationen setzen weiterhin immer größere Mengen Treibhausgase frei, obgleich in Wissenschaftlerkreisen Übereinstimmung darüber herrscht und auch die meteorologischen Daten belegen, dass der Mensch durch seine Aktivitäten das globale Klima verändert. An vielen Orten und in vielen Regionen leidet die Wirtschaft schon unter einem anhaltenden Rückgang. In 54 Nationen – mit 12% der Weltbevölkerung – ist das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt im Zeitraum von 1990 bis 2001 schon über ein Jahrzehnt lang rückläufig.

Das vergangene Jahrzehnt brachte auch ein neues Vokabular und neue quantitative Maße für die Diskussion der Grenzüberschreitung. So bestimmten Mathis Wackernagel und seine Kollegen den
ökologischen Fußabdruck der Menschheit und verglichen ihn mit der „ökologischen Tragfähigkeit“ unseres Planeten. Sie definierten den ökologischen Fußabdruck als diejenige Fläche, die erforderlich wäre, um die von der globalen Gesellschaft benötigten Ressourcen (Getreide und andere Nahrungsmittel, Holz, Fisch und Siedlungsraum) zu liefern und ihre Emissionen (Kohlendioxid) aufzunehmen. Bei einem Vergleich mit der verfügbaren Fläche gelangte Wackernagel zu dem Schluss, dass der menschliche Ressourcenverbrauch derzeit ungefähr 20% über der ökologischen Tragfähigkeit der Erde liegt. Nach diesen Berechnungen befand sich die Menschheit zum letzten Mal in den 1980er Jahren auf einem nachhaltigen Niveau. Dieses hat sie nun um rund 20 % überschritten.

Leider nimmt der ökologische Fußabdruck der menschlichen Gesellschaft trotz technologischer und institutioneller Fortschritte weiter zu. Das ist umso bedenklicher, weil die Menschheit sich
bereits jetzt in einem nicht nachhaltigen Bereich befindet. Aber die Allgemeinheit ist sich dieser misslichen Lage nur in hoffnungslos begrenztem Maße bewusst. Es wird noch sehr lange dauern, bis die Veränderungen der persönlichen Werteinstellungen und der Politik, die zu einer Umkehr der gegenwärtigen Trends führen und den ökologischen Fußabdruck wieder auf eine Größe unterhalb der langfristigen Tragfähigkeit des Planeten bringen könnten, politische Unterstützung finden.

Was wird passieren?

Die globale Herausforderung ist ganz einfach zu formulieren: Um Nachhaltigkeit zu erreichen, muss die Menschheit zwar den Verbrauch der Armen der Welt erhöhen, aber gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt verkleinern. Dazu sind technologische Fortschritte, persönliche Veränderungen und ein längerfristig vorausschauendes Denken erforderlich. Ebenfalls nötig sind eine größere gegenseitige Achtung sowie eine verstärkte Fürsorge und die Bereitschaft, über politische Grenzen hinweg zu teilen. Bis es so weit ist, werden selbst unter den besten Bedingungen Jahrzehnte vergehen. Keine moderne politische Partei hat breite Unterstützung für ein solches Programm erlangt und ganz gewiss nicht unter den Reichen und Mächtigen, die Raum für Wachstum bei den Armen schaffen könnten, indem sie ihre eigenen Fußabdrücke verkleinern. Inzwischen wird der globale Fußabdruck von Tag zu Tag größer.

Folglich sind wir heute weitaus pessimistischer bezüglich der Zukunft der Erde, als wir es noch 1972 waren. Es ist wirklich traurig, dass die Menschheit die vergangenen 30 Jahre weitgehend verschwendet hat mit nutzlosen Debatten und gut gemeinten, aber halbherzigen Reaktionen auf die weltweiten ökologischen Herausforderungen. Wir können nicht noch weitere 30 Jahre zaudern. Es wird sich vieles verändern müssen, wenn auf die voranschreitende Grenzüberschreitung im 21. Jahrhundert nicht der Zusammenbruch folgen soll.

Wir versprachen Dana Meadows vor ihrem Tod Anfang 2001, wir würden den „Lagebericht nach 30 Jahren“ des von ihr so sehr geliebten Buches fertig stellen. Aber hierbei wurden wir uns erneut der so unterschiedlichen Hoffnungen und Erwartungen der drei Autoren bewusst.

Dana war der immerwährende Optimist. Sie war geprägt von einem besorgten, mitfühlenden Glauben an die Menschheit. Ihr gesinntes Lebenswerk gründete sie auf die Annahme, man müsse den Menschen nur genügend richtige Informationen zur Hand geben, dann würden sie letzten Endes weise, weitsichtige und humane Lösungen finden – in diesem Fall eine globale Politik, die eine Grenzüberschreitung verhindert (oder, sofern das nicht gelingt, die Welt wieder von dieser Grenze wegholt). Dana arbeitete ihr ganzes Leben lang für dieses Ideal.

Jørgen ist der Zyniker. Seiner Ansicht nach wird die Menschheit bis zum bitteren Ende kurzfristige Ziele wie steigenden Konsum, Beschäftigung und finanzielle Sicherheit verfolgen und dabei die immer deutlicher und stärker werdenden Signale ignorieren, bis es zu spät ist. Der Gedanke macht ihn traurig, dass die Gesellschaft freiwillig auf die wunderbare Welt, die sie hätte schaffen können, verzichten könnte.

Dennis sitzt zwischen diesen beiden Stühlen. Er glaubt, dass letztlich Maßnahmen getroffen werden, um die schlimmsten Formen eines globalen Zusammenbruchs zu vermeiden. Er erwartet, dass die Welt sich letzten Endes für eine relativ nachhaltige Zukunft entscheiden wird, aber erst, wenn schlimme globale Krisen ein spätes Handeln erzwingen. Und die mit langer Verzögerung erzielten Ergebnisse werden sehr viel weniger attraktiv sein als jene, die durch früheres Handeln hätten erreicht werden können. Viele der wunderbaren ökologischen Schätze unseres Planeten werden dadurch zerstört; viele attraktive politische und wirtschaftliche Optionen werden verloren gehen; und es wird zu ausgeprägten, dauerhaften Ungleichheiten kommen, zu einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft und verbreiteten Konflikten.

Diese drei Auffassungen lassen sich unmöglich zu einer gemeinsamen Ansicht über die wahrscheinlichste Zukunft unseres Planeten vereinigen. Wir sind uns jedoch einig, welchen Ausgang wir erhoffen. Die Veränderungen, die wir gerne sehen würden, sind in einer leicht aktualisierten Version von Danas hoffnungsvollem Schlusskapitel von
Die neuen Grenzen des Wachstums beschrieben, das nun den Titel „Rüstzeug für den Übergang zur Nachhaltigkeit“ trägt. Es hat folgende Botschaft: Wenn wir unsere pädagogischen Bemühungen fortsetzen, dann werden die Menschen der Welt zukünftig zunehmend den richtigen Weg in die Zukunft wählen, aus Liebe und Achtung für ihre menschlichen und nicht-menschlichen Mitbewohner auf der Erde in der Gegenwart und der Zukunft. Wir hoffen inständig, dass sie dies rechtzeitig tun werden.

Szenarien und Prognosen

Wir schreiben dieses Buch nicht als Vorhersage, was tatsächlich im 21. Jahrhundert passieren wird. Wir prognostizieren keine bestimmte Entwicklung für die Zukunft. Wir präsentieren ganz einfach einige alternative Szenarien: genauer gesagt, zehn unterschiedliche Bilder, wie die Entwicklung im 21. Jahrhundert ablaufen könnte. Wir möchten Sie damit zum Lernen, zum Nachdenken und zu persönlichen Entscheidungen anregen.

Wir glauben nicht, dass die verfügbaren Daten und Theorien jemals exakte Vorhersagen erlauben werden, was im Laufe des kommenden Jahrhunderts auf der Welt geschehen wird. Aber wir sind der Ansicht, dass wir aufgrund unserer gegenwärtigen Erkenntnisse eine Reihe von Zukunftsvisionen als unrealistisch ausschließen können. Durch die verfügbaren Fakten werden bereits viele implizite Erwartungen der Menschen hinsichtlich eines nachhaltigen Wachstums in der Zukunft entkräftet – sie sind nichts als Wunschdenken: reizvoll, aber falsch, zweckmäßig, aber unwirksam. Unsere Analyse wird dann von Nutzen sein, wenn sie die Bürger der globalen Gesellschaft zwingt, die globalen physischen Grenzen, die eine wichtige Rolle in ihrem zukünftigen Leben spielen, neu zu überdenken, genauer kennen und achten zu lernen.

Grenzüberschreitung und Zusammenbruch in der Praxis

Zu einer Grenzüberschreitung beim gesellschaftlichen Lebensstandard – mit darauf folgendem Rückgang – kommt es, wenn die Gesellschaft sich nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet. Ein Verlust an Lebensstandard tritt beispielsweise ein, sofern nicht rechtzeitig für Ersatz gesorgt wird, wenn Ressourcen wie Erdölreserven, Fischbestände und teure Tropenhölzer zur Neige gehen. Verschlimmert wird dieses Problem noch, wenn die Ressourcen erodierbar sind und durch die Grenzüberschreitung zerstört werden. Dann kann daraus ein gesellschaftlicher Zusammenbruch resultieren.

Um die Jahrtausendwende ereignete sich tatsächlich ein eindrucksvolles Beispiel für eine globale Grenzüberschreitung mit nachfolgendem Zusammenbruch: die so genannte „Dot-com-Blase“ am globalen Aktienmarkt. Diese Blase verdeutlicht die Dynamik exponentiellen Wachstums oder Zerfalls in diesem Buch, obgleich sie sich auf die Finanzwelt und nicht auf die Welt der materiellen Ressourcen bezieht. Die erodierbare Ressource war in diesem Fall das Vertrauen der Investoren.

Hier nur kurz, was passierte: Die Aktienkurse verzeichneten von 1992 bis März 2000 einen spektakulären Höhenflug bis zu einem – im Nachhinein gesehen – absolut nicht haltbaren Höchstwert. Von diesem Höchstwert fielen die Kurse ganze drei Jahre lang, bevor sie im März 2003 einen Tiefpunkt erreichten. Danach erholten sie sich allmählich wieder (zumindest bis Januar 2004, als dies geschrieben wurde).

Genau wie es zu erwarten ist, wenn die Menschheit bei einer Ressource oder bei Emissionen die Grenze überschreitet, war der lang anhaltende Anstieg der Aktienkurse kaum von irgendwelchen Härten begleitet. Im Gegenteil, es herrschte jedes Mal weithin Enthusiasmus, wenn der Aktienindex neue Höhen erreichte. Am bemerkenswertesten war jedoch, dass dieser Enthusiasmus selbst dann noch anhielt, als die Aktienkurse bereits einen nicht haltbaren Bereich erreicht hatten – was rückblickend offenbar bereits 1998 der Fall war. Erst lange nach Erreichen des Höchstwertes und einige Jahre nach dem Zusammenbruch begannen die Investoren langsam zu akzeptieren, dass es sich um eine „Blase“ handelte – ihr Ausdruck für eine Grenzüberschreitung. Als der Zusammenbruch erst einmal begonnen hatte, ließ er sich nicht mehr aufhalten. Nach weiteren drei Jahren hegten viele Zweifel, dass er je wieder enden würde. Das Vertrauen der Investoren war vollständig geschwunden.

Wir sind leider überzeugt, dass die Welt eine mit der Dot-com-Blase vergleichbare Grenzüberschreitung mit anschließendem Zusammenbruch bei der Nutzung der globalen Ressourcen und bei den Umweltbelastungen erleben wird – wenn auch über einen viel längeren Zeitraum hinweg. Die Wachstumsphase wird bejubelt und gefeiert werden – selbst dann noch, wenn sie schon längst einen nicht mehr haltbaren Bereich erreicht hat (dies wissen wir, weil es bereits passiert ist). Zur großen Überraschung aller wird es sehr schnell zu einem Zusammenbruch kommen. Und wenn dies dann einige Jahre angehalten hat, wird immer deutlicher werden, dass die Situation vor dem Kollaps alles andere als nachhaltig war. Nach noch mehr Jahren des Rückgangs wird kaum noch jemand daran glauben, dass er je wieder enden wird. Nur einige werden glauben, dass irgendwann einmal wieder genügend Energie und Fisch zur Verfügung stehen werden. – Hoffentlich erweist sich dies als falsch.

Pläne für die Zukunft

Einst lagen die Grenzen des Wachstums in weiter Zukunft. Jetzt sind sie weitgehend Wirklichkeit geworden. Die Vorstellung des Zusammenbruchs war einst undenkbar. Nun ist sie allmählich zum öffentlichen Gesprächsstoff geworden – wenn auch nach wie vor als weit entferntes, hypothetisches und akademisches Konzept. Unserer Ansicht nach wird es ein weiteres Jahrzehnt dauern, bis die Folgen der Grenzüberschreitung deutlich zu erkennen sind, und weitere zwei Jahrzehnte, bevor dies allgemein als Tatsache akzeptiert wird. Die Szenarien im vorliegenden Band zeigen, dass das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts nach wie vor eine Periode des Wachstums sein wird – wie die Szenarien in
Die Grenzen des Wachstums vor 30 Jahren. Daher weichen unsere Erwartungen für den Zeitraum von 1970 bis 2010 noch nicht allzu sehr von denen unserer Kritiker ab. Wir müssen alle ein weiteres Jahrzehnt abwarten, bis schlüssige Beweise darüber vorliegen, wer die besseren Erkenntnisse hat.

Wir planen bereits jetzt eine Aktualisierung dieses Berichtes für 2012, 40 Jahre nach Erscheinen unseres ersten Buches. Zu diesem Zeitpunkt werden ausreichend Daten vorhanden sein, nehmen wir an, um zu überprüfen, ob die Grenzüberschreitung Realität ist. Wir werden dann Beweise dafür anführen können, dass wir Recht hatten – oder Daten akzeptieren müssen, die darauf hindeuten, dass Technologien und der Markt die globalen Grenzen tatsächlich weit über die Anforderungen der menschlichen Gesellschaft hinaus nach oben verschoben haben. Ein Rückgang von Bevölkerung und Wirtschaft steht uns bevor, oder die Welt wird sich auf viele weitere Jahrzehnte des Wachstums einstellen. Bis wir diesen Bericht erstellen können, müssen Sie sich Ihre eigene Meinung darüber bilden, wodurch der ökologische Fußabdruck der Menschheit wächst und welche Folgen das mit sich bringt. Wir hoffen, dass Ihnen die hier zusammengestellten Informationen hierbei als nützliche Grundlagen dienen.

Januar 2004
Dennis L. Meadows, Durham, N.H., USA
Jørgen Randers, Oslo, Norwegen


Aus Kapitel 8 – Rüstzeug für den Übergang zur Nachhaltigkeit

Wahrhaftigkeit

Wir sind uns der Wahrheit genauso wenig gewiss wie andere auch. Aber wir erkennen Unwahrheit oft, wenn wir sie hören. Viele Unwahrheiten werden bewusst verbreitet, von Rednern und Zuhörern aber auch als solche verstanden. Sie sollen manipulieren, einlullen oder verführen, ein Eingreifen hinauszögern, eigennütziges Handeln rechtfertigen, dem Erlangen oder Erhalten von Macht dienen oder eine unangenehme Realität leugnen.

Solche Unwahrheiten verzerren den Informationsstrom. Ein System kann aber nicht gut funktionieren, wenn seine Informationsströme durch Lügen verfälscht werden. Informationen sollten weder verfälscht noch hinausgezögert oder ganz zurückgehalten werden – das ist einer der wichtigsten Grundsätze der Systemtheorie. Warum das so ist, haben wir in diesem Buch hoffentlich deutlich zum Ausdruck gebracht.

„Die gesamte Menschheit ist in Gefahr", meinte Buckminster Fuller, „wenn sich nun und fortan keiner von uns mehr traut, stets die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit – und zwar unverzüglich, ohne Umschweife.“ Wann immer man mit jemandem spricht - auf der Straße, am Arbeitsplatz, vor einer größeren Zuhörerschaft und insbesondere mit einem Kind –, sollte man sich bemühen, Lügen aufzudecken und die Wahrheit zu bekräftigen. Man kann beispielsweise deutlich machen, dass niemand ein besserer Mensch wird, nur weil er mehr besitzt. Oder man kann in Frage stellen, dass es den Armen hilft, wenn die Reichen noch reicher werden. Je mehr falsche Informationen aufgedeckt werden, desto leichter können wir unsere Gesellschaft auf den richtigen Weg bringen.

Wir haben hier einige allgemeine Vorurteile und Vereinfachungen, sprachliche Fallen und verbreitete Unwahrheiten zusammengestellt, mit denen wir bei unseren Gesprächen über die Grenzen des Wachstunis häufig konfrontiert werden. Sie müssen unserer Ansicht nach unbedingt aufgezeigt und vermieden werden, wenn jemals klare Überlegungen zur menschlichen Wirtschaft und ihrer Beziehung zur Begrenztheit unseres Planeten möglich sein sollen.

Falsch: Eine Warnung vor zukünftigen Entwicklungen ist gleichbedeutend mit einer Prognose bevorstehenden Unheils.
Richtig: Eine Warnung vor zukünftigen Entwicklungen ist eine Empfehlung, einen anderen Weg einzuschlagen.

Falsch: Die Umwelt ist ein Luxus, ein konkurrierender Faktor oder ein Gut, das sich Menschen kaufen, wenn sie es sich leisten können.
Richtig: Die Umwelt ist die Grundlage allen Lebens und jeder Wirtschaft. Meinungsumfragen zeigen in der Regel, dass die Öffentlichkeit bereit ist, für eine gesunde Umwelt mehr auszugeben.

Falsch: Veränderungen verlangen Opfer und sollten daher vermieden werden.
Richtig: Veränderungen sind eine Herausforderung; sie sind notwendig zur Sicherung der Nachhaltigkeit in einer sich ständig verändernden Umwelt.

Falsch: Wenn das Wachstum gestoppt wird, bleiben die Armen in ihrer Armut gefangen.
Richtig: Die Habgier und die Gleichgültigkeit der Reichen halten die Armen in ihrer Armut gefangen. Was die Armen brauchen, ist ein Sinneswandel bei den Reichen. Erst dann wird es zu einem Wachstum kommen, das speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist.

Falsch: Alle Menschen sollten den materiellen Lebensstandard der reichsten Nationen erlangen.
Richtig: Es ist gänzlich unmöglich, den materiellen Lebensstandard aller Menschen auf ein Niveau anzuheben, wie es heute die Reichen genießen. Die grundlegenden materiellen Bedürfnisse jedes Einzelnen sollten befriedigt werden. Darüber hinaus sollten materielle Bedürfnisse erst dann befriedigt werden, wenn dies für alle möglich ist, ohne dass dadurch der tragbare ökologische Fußabdruck überschritten wird.

Falsch: Alles Wachstum ist gut. Es muss nicht weiter hinterfragt, unterschieden oder nachgeforscht werden.
Falsch: Alles Wachstum ist schlecht.
Richtig: Wir brauchen nicht Wachstum, sondern Entwicklung. Sofern für die Entwicklung ein materieller Zuwachs erforderlich ist, sollte dieser gerecht erfolgen und unter Berücksichtigung sämtlicher realen Kosten finanzierbar und nachhaltig sein.

Falsch: Die Technik wird alle Probleme lösen.
Falsch: Die Technik verursacht nichts als Probleme.
Richtig: Wir müssen Techniken fördern, die den ökologischen Fußabdruck der Menschheit verkleinern, die Effizienz erhöhen, Ressourcen stützen, Signale deutlicher machen und materielle Benachteiligung beenden.
Und: Wir müssen unsere Probleme als Menschen angehen und außer der Technik noch weitere Möglichkeiten zu ihrer Lösung einsetzen.

Falsch: Das Marktsystem wird uns automatisch die Zukunft bringen, die wir haben wollen.
Richtig: Wir müssen schon selbst entscheiden, welche Zukunft wir möchten Dann können wir das Marktsystem ebenso wie viele andere organisatorische Hilfsmittel dazu nutzen, dieses Ziel zu erreichen.

Falsch: Die Industrie ist die Ursache aller Probleme – oder das Allheilmittel.
Falsch: Die Regierungen sind die Ursache aller Probleme – oder das Allheilmittel.
Falsch: Umweltschützer sind die Ursache aller Probleme – oder das Allheilmittel.
Falsch: Irgendeine andere Gruppe [wir denken beispielsweise an die Wirtschaftswissenschaftler] ist die Ursache aller Probleme – oder das Allheilmittel.
Richtig: Alle Menschen und Institutionen spielen in der Gesamtstruktur des Systems eine Rolle. In einem System, dessen Struktur auf Grenzüberschreitung ausgerichtet ist, tragen alle Akteure bewusst oder unbewusst zu dieser Grenzüberschreitung bei. In einem auf Nachhaltigkeit ausgerichteten System tragen die Industrie, Regierungen. Umweltschützer und insbesondere Wirtschaftswissenschaftler ganz entscheidend dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.

Falsch: Hoffnungsloser Pessimismus.
Falsch: Grenzenloser Optimismus.
Richtig: Die Entschlossenheit, sowohl über Erfolge als auch über Fehlschläge der Gegenwart und die Möglichkeiten und Hindernisse für die Zukunft wahrheitsgemäß zu berichten.
Ganz besonders wichtig: Der Mut, die Lasten der Gegenwart zu akzeptieren und zu tragen und dabei stets die Vision einer besseren Zukunft Blick zu behalten.

Falsch: Das Modell World3 oder irgendein anderes Modell ist richtig oder falsch.
Richtig: Alle Modelle, auch die in unseren Köpfen, sind ein wenig richtig, aber viel zu einfach und deshalb überwiegend falsch. Wie können wir unsere Modelle überprüfen und dabei feststellen, ob sie richtig oder falsch sind? Wie können wir uns mit einer angemessenen Mischung aus Skepsis und Respekt kollegial über unsere Modelle unterhalten? Wie können wir es schaffen, uns nicht gegenseitig vorzuhalten, was richtig oder falsch ist, sondern stattdessen Tests für unsere Modelle zu entwickeln, mit denen sich an der wirklichen Welt überprüfen lässt, was richtig und falsch ist?

SIEHE AUCH
Dennis und Donella Meadows, Erich Zahn, Peter Milling: Die Grenzen des Wachstums (1972)
Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit

Donella und Dennis Meadows, Jørgen Randers: Die neuen Grenzen des Wachstums (1992)
Die Lage der Menschheit – Bedrohung und Zukunftschancen

Club of Rome (Hrsg): Earth for All
Ein Survivalguide für unseren Planeten (2022)

clubofrome.de
Website der Deutschen Gesellschaft Club of Rome
clubofrome.de/die-grenzen-des-wachstums/