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Club of Rome (Hrsg), Wuppertal Institut (Hrsg.)
Earth for All – Deutschland
Aufbruch in eine Zukunft für Alle

München 2024 (oekom); 280 Seiten; ISBN: 978-3-98726-111-4
Verlagsseite

Dieses Buch handelt von radikaler Veränderung. Denn eine tiefgehende gesellschaftliche Transformation ist angesichts der Vielzahl der globalen Krisen unumgänglich. Es geht um Möglichkeiten und Chancen, gemeinsam die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Produktions- und Konsumweisen so zu verändern, dass die Ausbeutung von Menschen und Natur gestoppt werden kann. Wir behaupten, dass es genügend wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass dies keine unerreichbare Utopie ist, sondern eine Vision, die Realität werden kann. Sicher nicht gleich morgen, aber noch für unsere Kinder und Enkel, wenn wir uns heute energisch auf den Weg machen. Und nicht nur hier in Deutschland, sondern auch anderswo.

Die derzeitigen katastrophalen Veränderungen, die multiplen ökologischen und sozialen Krisen – allen voran die Klimakrise und die Kriege – sind menschengemacht. Daher können Menschen sie auch ändern, wenn sie den Mut und Gestaltungswillen aufbringen, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern, die das lähmende Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein immer wieder hervorrufen. Veränderungsdruck ausgesetzt zu sein, führt bei vielen Menschen zu starken Verunsicherungen, nicht selten verbunden mit Zukunftsängsten und Verzweiflung. Oder er fördert illusionäre, oft genug politisch reaktionäre Rückwärtsgewandtheit. Mut zur Veränderung dagegen kann Mehrheiten beflügeln, wenn das Ziel, eine Wohlergehensgesellschaft für alle, hinreichend klar und akzeptiert ist und die Wege dorthin gangbar und präzise ausgeschildert werden. Unser Buch liefert verschiedene Vorschläge für solche Wege.

(Aus Kapitel 1)

Der Club of Rome ist einer der bekanntesten Thinktanks der Welt. Er wurde 1968 gegründet und setzt sich für eine nachhaltige Zukunft ein. Bekannt wurde die gemeinnützige Organisation durch den Bericht »Die Grenzen des Wachstums«, der international über 30 Millionen Mal verkauft wurde und als zentraler Meilenstein bis heute auf den wachstumskritischen Diskurs wirkt. Der Denkfabrik gehören Expert*innen verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern an. In Deutschland bekannte Mitglieder des Club of Rome sind u.a. Jørgen Randers, Maja Göpel, Hans Joachim Schellnhuber, Peter Hennicke, Christian Berg, Stefan Brunnhuber und Ernst Ulrich von Weizsäcker. Seit den »Grenzen des Wachstums« erscheinen regelmäßig weitere Berichte an den Club of Rome, die sich den wichtigsten Zukunftsproblemen der Menschheit und der Erde widmen – vom Klimawandel bis zu sozialer Ungleichheit.

Das
Wuppertal Institut ist ein umsetzungsorientiertes Forschungsinstitut für Nachhaltigkeits- und Transformations­forschung. Kernauftrag des 1991 gegründeten Wuppertal Instituts ist es, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Beitrag dafür zu leisten, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Transformations­pfaden in eine klimagerechte und ressourcen­schonende Zukunft. Dafür entwickeln die Wissenschaftler*innen System-, Ziel- und Transformations­wissen und erforschen praxisnahe Leitbilder und Strategien für die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – auf lokaler Ebene, in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt.

INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort aus dem Club of Rome
Vorwort aus dem Wuppertal Institut

KAPITEL 1
Welche Reise unsere Leser*innen erwartet
Transformation ist notwendig und auf demokratischem Wege möglich
Transformation ist mehrheitsfähig
Ständiges Wachstum auf einem begrenzten Planeten ist unmöglich
Von den »Grenzen des Wachstums« zu den »planetaren Grenzen«
Weltgipfel, Meilensteine, Ernüchterung
2015 – das Jahr, das den Lauf der Geschichte ändern könnte
Die Kippmomente im Klimasystem
Turn fear into action: Was den Lauf der Geschichte noch ändern könnte
Game Changer: Positive soziale Kippmomente
Was löst soziale Kippmomente aus?
Earth4All – Rückfall oder großer Sprung?
Kein Giant Leap ohne Klimasozialpolitik

KAPITEL 2
Etwas stimmt nicht in Deutschland
Das Budgetprinzip: Wie viel muss Deutschland zur Eindämmung des globalen Klimawandels beitragen?
Klimaschutz kann nur global funktionieren – Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen (Dirk Messner)
Auch in Deutschland sind Verursachung und Betroffenheit extrem ungleich verteilt
Von der Freiheit für Wölfe und Schafe
Modelle und Szenarien für die Zukunft
Demokratie stärken
Welche Wege stehen uns (noch) offen?
Der nächste Schritt

KAPITEL 3
Die Armutswende: Gerechtigkeit bei uns und in der Welt
Von Schulden erdrückt
Armut – auch in Deutschland
Energie- und Mobilitätsarmut
Die Rolle und das Dilemma der Kommunen
Too Little Too Late – ist das unser Weg?
Armut verringern – wie geht das?
Globale Armutswende – was Deutschland und Europa tun können (Jayati Ghosh)
Gerechtigkeit für alle!

KAPITEL 4
Die Ungleichheitswende: Wohlstand gerecht verteilen
Was bedeutet Ungleichheit in Deutschland?
Die Ursachen der Ungleichheit
Ungleichheit stärkt populistische Kräfte
Eine gerechtere Gesellschaft ist möglich
Der Kern des Giant Leap

KAPITEL 5
Die Empowermentwende: Selbstwirksamkeit für alle
Wo steht Deutschland eigentlich?
Zwischen Kinderbetreuung und Pflege
Mehrfachdiskriminierung verschärft die Situation
Selbstbestimmung, Sorgearbeit und Schule
Die soziale Wende ist möglich!

KAPITEL 6
Die Ernährungswende: Gut für uns und den Planeten
Ernährung ist ein Menschenrecht – hohe Profite nicht
Das System Landwirtschaft
Wird die Zukunft öd und leer?
Also was nun?
Wohin wollen wir gehen?

KAPITEL 7
Die Energiewende ist auf dem Weg, aber noch lange nicht am Ziel
Der holprige Start der Energiewende
Zu teuer, zu langsam, zu gefährlich, zu blockierend (Claudia Kemfert)
Hemmende »mentale Infrastrukturen«
Ein Rückfall in eine Too-Little-Too-Late-Strategie wäre fatal
Über Konsens und Dissens
Technische und soziale Strategien brauchen Balance
Kredite für Zukunftsinvestitionen
Ein gestaltender Staat muss Leitplanken setzen

KAPITEL 8
Zirkuläre Ökonomie: So könnte genug für alle da sein
Die Nachfrage nach Rohstoffen steigt
Auch die Energiewende und der Klimaschutz brauchen Rohstoffe
Herausforderungen der effizienten Nutzung von Ressourcen
Vom Ressourcenkonflikt zum Ressourcenkrieg
Eine andere Ökonomie ist nötig
Zirkulär wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen
Maßhalten
Eine neue Ökonomie für eine Erde für alle

KAPITEL 9
Und jetzt?
Der Giant Leap ermöglicht Synergien und Co-Benefits
Viele Rollen im Giant Leap – ein Appell
Weiterdenken!

Das Team hinter dem Buch
Anmerkungen

LESEPROBE
Siehe Verlagsseite

Vorwort aus dem Club of Rome

Wir befinden uns in einer Zeit, die von noch nie da gewesenen Herausforderungen geprägt ist. Unsere Welt ist mit einer Polykrise konfrontiert – einer Konvergenz von Umwelt-, Gesundheits-, Sicherheits- und sozialen Krisen. Herausforderungen wie die Klimakrise, zunehmender Hunger, steigende Lebenshaltungskosten, stagnierende Löhne und wachsende Armut schüren den Populismus und untergraben die Demokratie. Diese miteinander verknüpften Krisen erfordern dringende systemische Maßnahmen. Schwache politische Antworten haben die Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem Pariser Abkommen ins Stocken gebracht. Eine radikale Umgestaltung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme ist dringend erforderlich.

1972 hat »Die Grenzen des Wachstums«, der erste Bericht an den Club of Rome, unser Verständnis der Auswirkungen des kontinuierlichen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums auf einem endlichen Planeten grundlegend verändert. Er machte deutlich, dass unsere Entwicklungsmodelle dringend überdacht werden müssen. Doch lange Zeit wurden seine Erkenntnisse im Rahmen einer Ideologie, die »Wachstum« als Ersatz für Wohlstand propagiert, vernachlässigt oder ignoriert.

Wir sehen heute, dass Ideologien, die auf ständigem Wachstum basieren, die materiellen Grenzen unseres Planeten nicht umgehen können. Wir haben inzwischen sechs von neun planetare Grenzen, die das Leben auf der Erde unterstützen, überschritten. Wir müssen uns nicht nur mit der Umwelt befassen, sondern auch mit der Verbindung zwischen der Klimakrise, der Erschöpfung der Ressourcen und der sozialen Ungleichheit. Aus diesem Grund wurde Earth4All im Jahr 2022 gegründet: Es baut auf diesem Erbe auf, indem es einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz fördert, der ökologische Nachhaltigkeit und soziales Wohlergehen integriert.

Der hier vorliegende deutsche Earth4All-Bericht bietet praktische Lösungen, die auf den deutschen Kontext zugeschnitten sind.
Er unterstreicht die Bedeutung einer Politik, die wirtschaftlichen Fortschritt mit ökologischer Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit in Einklang bringt.

Echter Fortschritt erfordert das Verständnis von und die Anpassung an das komplexe Zusammenspiel von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Systemen. Durch die Umsetzung der in diesem Buch dargelegten Strategien kann Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen und eine wohlhabende und nachhaltige Gesellschaft innerhalb der Grenzen der Erde schaffen.

Wir hoffen, dass dieser Bericht zum Handeln anregt. Gemeinsam können wir eine Welt aufbauen, in der sowohl die Menschen als auch unser Planet gedeihen.

Sandrine Dixson-Declève & Paul Shrivastava
Präsident*innen des Club of Rome


Vorwort aus dem Wuppertal Institut

Wir stehen als Gesellschaft – national wie global – vor zentralen Weichenstellungen und unter steigendem Handlungsdruck. Das Zeitfenster, in dem wir noch eine Möglichkeit haben, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schließt sich schnell oder ist vielleicht schon geschlossen. Die Halbzeitbilanz zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) vom Herbst 2023 zeigt, dass wir nur bei 15 Prozent der Unterziele substanzielle Fortschritte gemacht haben.

Industrieländer wie Deutschland stehen hier in einer besonderen Verantwortung, Lösungsbeiträge zu leisten und den Ländern des globalen Südens bei der Transformation zu helfen. Grundvoraussetzung dafür ist eine konsequente und mutige Umsetzung der eigenen Transformationsaufgaben. Die Klimaschutzlücke in Deutschland ist immer noch groß: 45 Prozent der Treibhausgasemissionen konnten gegenüber 1990 reduziert werden, gemäß Klimaschutzgesetz ist bis 2030 eine Reduktion um weitere 20 Prozentpunkte notwendig, bis 2045 muss Treibhausgasneutralität erreicht werden. Dies erfordert eine massive Erhöhung der Umsetzungsintensität, die Bereitschaft für einen weitgehenden Umbau zentraler Produktionsprozesse und eine substanzielle Anpassung von etablierten Verhaltensmustern und Routinen.

Das ist eine komplexe politische und gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe, die derzeit durch multiple globale Krisen und geopolitische Spannungen überlagert wird. Auch in Deutschland selbst nimmt die Schärfe der Auseinandersetzungen zu, nicht zuletzt, weil Klimaschutzmaßnahmen zwangsläufig immer näher an den Lebensalltag der Menschen heranrücken, wenn es um Mobilitätsverhalten, Heizungstausch oder energetische Sanierung geht.

In dieser Situation braucht es mehr denn je Orientierungswissen – zu dessen Bereitstellung die Wissenschaft einen wichtigen Beitrag leisten muss. Sie kann und muss auch den Mut aufbringen, potenzielle Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimensionen in Vorausschau transparent zu machen. Genauso wichtig ist es, die vielfältigen Chancen aufzuzeigen, die mit einer konsequenten Transformationsagenda verbunden sind.

Dieses Buch und das ihm zugrunde liegende Modell leisten einen Beitrag zu diesem Orientierungswissen. Es fokussiert dabei auf Deutschland, ein leistungsstarkes Industrieland mit einer hohen Bevölkerungsdichte, hohen Anteilen energieintensiver Industrie sowie entsprechend hoher Wertschöpfung und Beschäftigung in der Industrie – aber eben auch ein Land, das vor immensen sozialpolitischen Herausforderungen steht.

Das Buch gibt konkrete Impulse und zeigt, wie Transformationswege gestaltet werden können, um mögliche Konflikte zu reduzieren und Synergien zu erschließen. Die folgenden Seiten machen Mut, dass eine erfolgreiche Transformation möglich ist. Dabei erheben die Autor*innen in keiner Weise den Anspruch, bereits einen abgeschlossenen Politikmix vorzulegen und alle Antworten geben zu können. Die Leser*innen erwartet ein Diskussionsangebot, welches zur Weiterentwicklung und Vertiefung der Ansätze einlädt. Es würde uns freuen, wenn möglichst viele dieses Angebot annehmen würden. Wir freuen uns auf die daraus folgenden Diskurse!

Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick
Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts

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