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Das Klima-Buch
von
Greta Thunberg

Frankfurt am Main 2022 (S.Fischer); 512 Seiten; ISBN 978-3-10-397189-7
Aus dem Englischen übersetzt von Michael Bischoff und Ulrike Bischoff
Originaltitel:
The Climate Book created by Greta Thunberg

»Auf diesem wunderbaren blauen Planeten, der in unserem winzigen Winkel des riesigen Kosmos friedlich um seine Sonne kreist, leben gegenwärtig etwa 7,9 Milliarden von uns. Wir alle sind miteinander verbunden. Unsere Ursprünge lassen sich wie die aller anderen Lebewesen durch die Tiefen der Zeit bis zu den Quellen des Lebens zurückverfolgen, und daher sind wir untrennbar mit der Natur verbunden, so weit wir uns auch von ihr entfernen mögen.

Alle in diesem Buch geschilderten Fakten und Geschichten sind schon für sich genommen beunruhigend genug. Aber auch sie sind eng miteinander verknüpft – genau wie wir alle. Und wenn man erst einmal anfängt, sie zu verbinden und als Teil eines Netzes miteinander verwobener Ereignisse zu begreifen, erlangen sie sehr bald eine andere, weitaus alarmierendere Bedeutung. Wer ist dafür verantwortlich, diese umfassendere, ganzheitliche Geschichte zusammenzufügen? Wer ist unser Ansprechpartner, wenn es darum geht, sich um das ganze Bild zu kümmern? Eine übergeordnete Universität? Unsere Regierungen? Die Staatslenker der Welt? Die Wirtschaftswelt? Die Vereinten Nationen? Die Antwort ist: niemand – oder vielmehr alle.«
(Greta Thunberg, Seite 42)

»Today The Climate Book is finally released in many parts of the world! I want to use my platform to share the reality of the climate crisis – to communicate a holistic picture of how the world is changing and what we need to do about it. That is why I created this book. With over 100 incredible contributors – experts, activists and authors (swipe to see the full list) – it highlights many of the different faces of the crises we face, and aims to connect the dots between them. I will not earn any money from this book as my copyright belongs to the Greta Thunberg Foundation. So all royalties go to charity.«
(G.Thunberg am 27.10.2022 auf Instagram)

Greta Thunberg, geboren 2003, ist eine schwedische Klimaschutzaktivistin. Seit sie im August 2018 vor dem Schwedischen Reichstag den Schulstreik fürs Klima ausgerufen hat, haben sich ihr Millionen Menschen weltweit in der Bewegung #FridaysForFuture angeschlossen. In ihren Reden vor den Vereinten Nationen in New York, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos und vor dem Europäischen Parlament in Brüssel fordert sie eine Klimapolitik, die sich am aktuellen Stand der Wissenschaft orientiert. Zusammen mit ihrer Familie, Malena Ernman, Beata Ernman und Svante Thunberg widmet sie ihr Leben dem Klimaschutz. 2019 wurde ihr der Alternative Nobelpreis verliehen, das Magazin TIME wählte sie zur »Person of the Year«. – Greta Thunberg Foundation

Beteiligte Expert:innen: Abrahm Lustgarten, Adriana de Palma, Alexander Popp, Alexandra Urisman Otto, Alice Garvey, Alice Larkin, Amitav Ghosh, Ana M. Vicedo-Cabrera, Andy Purvis, Annie Lowrey, Ayana Elizabeth Johnson, Ayisha Siddiqa, Beth Shapiro, Beverly Law, Bill McKibben, Bjørn H. Samset, Carlos Nobre, Christian Brand, Dave Goulson, David Wallace-Wells, Derek Macfadden, Disha A. Ravi, Drew Shindell, Elin Anna Labba, Elizabeth Kolbert, Erica Chenoweth, Eugene Linden, Felipe J. Colón-González, Friederike Otto, George Monbiot, Gidon Eshel, Glen Peters, Hans-Otto Pörtner, Hilda Flavia Nakabuye, Hindou Oumarou Ibrahim, Ina Maria Shikongo, Isak Stoddard, Jacqueline Patterson, Jason Hickel, Jennie C. Stephens, Jennifer A. Francis, Jennifer Soong, Jillian Anable, Joëlle Gergis, Johan Rockström, John Barrett, John Brownstein, Julia Arieira, Karin Kvale, Karl-Heinz Erb, Kate Marvel, Kate Raworth, Katharine Hayhoe, Keith W. Larson, Ketan Joshi, Kevin Anderson, Laura Verónica Muñoz, Lorraine Whitmarsh, Lucas Chancel, Margaret Atwood, Marshall Burke, Mauricio Santillana, Michael Clark, Michael Mann, Michael Oppenheimer, Michael Taylor, Mike Berners-Lee, Mitzi Jonelle Tan, Naomi Klein, Naomi Oreskes, Nathália Nascimento, Nicholas Stern, Nicki Becker, Niclas Hällström, Nina Schrank, Olúfé.mi O. Táíwò, Örjan Gustafsson, Paulo Ceppi, Per Espen Stoknes, Peter Brannen, Peter H. Gleick, Rebecca Wrigley, Ricarda Winkelmann, Rob Jackson, Robin Wall Kimmerer, Saleemul Huq, Samuel S. Myers, Sarah McGough, Seth Klein, Silpa Kaza, Simone Gingrich, Solomon Hsiang, Sonia Guajajara, Sonja Vermeulen, Stefan Rahmstorf, Stuart Capstick, Sunita Narain, Taikan Oki, Tamsin Edwards, Tedros Adhanom Ghebreyesus, Thomas Piketty, Wanjira Mathai, Zeke Hausfather

INHALTSVERZEICHNIS
Original-Inhaltserzeichnis (mit ausführlichen Hinweisen zu den Autor:innen) hier als PDF

Teil 1 – Wie das Klima funktioniert

1.1
»Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es zuerst verstehen« Greta Thunberg
1.2 Die umfassende Geschichte des Kohlendioxids
Peter Brannen
1.3 Unser Einfluss auf die Evolution
Beth Shapiro
1.4 Zivilisation und Aussterben
Elizabeth Kolbert
1.5
»Die Wissenschaft ist so zuverlässig, wie sie nur sein kann« Greta Thunberg
1.6 Die Entdeckung des Klimawandels
Michael Oppenheimer
1.7 Warum haben sie nicht gehandelt?
Naomi Oreskes
1.8 Kipppunkte und Rückkopplungsschleifen
Johan Rockström
1.9
»Dies ist die größte Geschichte der Welt« Greta Thunberg

Teil 2 – Wie unser Planet verändert wird

2.1
»Das Wetter scheint auf Steroiden zu sein« Greta Thunberg
2.2 Wärme
Katharine Hayhoe
2.3 Methan und kurzlebige Treiber des Klimawandels
Zeke Hausfather
2.4 Luftverschmutzung und Aerosole
Bjørn H. Samset
2.5 Wolken
Paolo Ceppi
2.6 Die rasche Erwärmung der Arktis und der Jetstream
Jennifer Francis
2.7 Gefährliches Wetter
Frederike Otto
2.8
»Der Schneeball ist ins Rollen gebracht« Greta Thunberg
2.9 Dürren und Überschwemmungen
Kate Marvel
2.10 Eisschilde, Schelfeis und Gletscher
Ricarda Winkelmann
2.11 Die Erwärmung der Meere und der Anstieg des Meeresspiegels
Stefan Rahmsdorf
2.12 Versauerung der Ozeane und Meeresökosysteme
Hans-Otto Pörtner
2.13 Mikroplastik
Karin Kvale
2.14 Süßwasser
Peter H. Gleick
2.15
»Es ist viel näher, als wir glauben« Greta Thunberg
2.16 Waldbrände
Joëlle Gergis
2.17 Das Amazonasgebiet
Carlos Nobre
2.18 Boreale und gemäßigte Wälder
Beverly E. Law
2.19 Terrestrische Biodiversität
Adriana de Palma
2.20 Insekten
Dave Goulson
2.21 Der Naturkalender
Keith W. Larson
2.22 Boden
Jennifer L. Soong
2.23 Permafrost
Örjan Gustafsson
2.24 Was geschieht bei einer Erwärmung um 1,5 oder 2 oder 4 °C?
Tasmin Edwards

Teil 3 – Die Folgen für uns

3.1
»Die Welt hat Fieber« Greta Thunberg
3.2 Gesundheitliche Argumente für ein Handeln gegen den Klimawandel
Tedros Adhanom Ghebreyesus
3.3 Hitze und Krankheit
Ana M. Vicedo-Cabrera
3.4 Luftverschmutzung
Drew Shindell
3.5 Vektorübertragene Krankheiten
Felipe J. Colón-González
3.6 Antibiotikaresistenz
John Brownstein, Derek Mac Fadden, Sarah McGough, Mauricio Santillana
3.7 Nahrung und Ernährung
Samuel S. Myers
3.8
»Wir sitzen nicht alle im selben Boot« Greta Thunberg
3.9 Leben bei 1,1°C
Saleemul Huq
3.10 Umweltrassismus
Jacqueline Patterson
3.11 Klimaflüchtlinge
Abrahm Lustgarten
3.12 Der Anstieg des Meeresspiegels und kleine Inseln
Michael Taylor
3.13 Regeln in der Sahelzone
Hindou Oumarou Ibrahim
3.14 Winter in Sápmi
Elin Anna Labba
3.15 Kampf für den Wald
Sônja Guajajara
3.16
»Es warten enorme Herausforderungen« Greta Thunberg
3.17 Klimawandel und Ungleichheit
Salomon Hsiang
3.18 Wasserknappheit
Taikan Oki
3.19 Klimakonflikte
Marshall Burke
3.20 Die wahren Kosten des Klimawandels
Eugene Linden

Teil 4 – Was wir dagegen unternommen haben

4.1
»Wie können wir unser Versagen ungeschehen machen, wenn wir nicht mal zugeben können, dass wir versagt haben?« Greta Thunberg
4.2 Das neue Leugnen
Kevin Anderson
4.3 Die Wahrheit über staatliche Klimaziele
Alexandra Urisman Otto
4.4
»Wir gehen nicht in die richtige Richtung« Greta Thunberg
4.5 Die Hartnäckigkeit der fossilen Brennstoffe
Bill McKibben
4.6 Der Aufstieg der Erneuerbaren
Glen Peters
4.7 Wie können Wälder uns helfen?
Karl-Heinz Erb, Simone Gingrich
4.8 Was ist mit Geoengineering?
Niclas Hällström, Jennie C. Stephens, Isak Stoddard
4.9 Entnahmetechnologien
Rob Jackson
4.10
»Eine ganz neue Art zu denken« Greta Thunberg
4.11 Unser Abdruck auf dem Land
Alexander Popp
4.12 Die Nahrungsmittelfrage
Michael Clark
4.13 Die Gestaltung neuer Nahrungssysteme
Sonja Vermeulen
4.14 Die Kartierung von Emissionen in einer industrialisierten Welt
John Barrett, Alice Garvey
4.15 Das Problem der Technik
Ketan Joshi
4.16 Umweltproblem Verkehr
Alice Larkin
4.17 Ist die Zukunft elektrisch?
Jillian Anable, Christian Brand
4.18
»Ständig sagen sie das eine und tun das andere« Greta Thunberg
4.19 Die Kosten des Konsumdenkens
Annie Lowray
4.20 Wie sollten wir (nicht) kaufen?
Mike Berners-Lee
4.21 Der Müll in aller Welt
Silpa Kaza
4.22 Der Recyclingmythos
Nina Schrank
4.23
»Hier ziehen wir die Grenze« Greta Thunberg
4.24 Emissionen und Wachstum
Nichiolas Stern
4.25 Gerechtigkeit
Sunita Narain
4.26 Wachstumsrücknahme
Jason Hickel
4.27 Die Wahrnehmungslücke
Amitav Ghosh

Teil 5 – Was wir jetzt tun müssen

5.1
»Der effektivste Weg aus dieser verfahrenen Lage ist, uns weiterzubilden« Greta Thunberg
5.2 Individuelles Handeln, gesellschaftliche Transformation
Stuart Capstick, Lorraine Whitmarsh
5.3 Der Weg zu 1,5°C-Lebensstilen
Kate Raworth
5.4 Die Klimapathie überwinden
Per Espen Stoknes
5.5 Eine andere Ernährung
Gidon Eshel
5.6 Zum Gedenken an den Ozean
Ayana Elizabeth Johnson
5.7 Renaturierung
George Monbiot, Rebecca Wrigley
5.8
»Wir müssen jetzt das scheinbar unmögliche tun« Greta Thunberg
5.9 Praktische Utopien – Practical Utopias
Margret Atwood
5.10 Die Macht des Volkes
Erica Chenoweth
5.11 Das Medien-Narrativ verändern
George Monbiot
5.12 Dem neuen Leugnen entgegenwirken
Michael E. Mann
5.13 Eine echte Notfallreaktion
Seth Klein
5.14 Lehren aus der Pandemie
David Wallace-Wells
5.15
»Ehrlichkeit, Solidarität, Integrität und Klimagerechtigkeit« Greta Thunberg
5.16 Ein gerechter Wandel
Naomi Klein
5.17 Was bedeutet dir Gleichheit?
Nicki Becker, Disha A. Ravi, Hilda Flavia Nakabuye,Laura Verónica Muñoz, Ina Maria Shikongo, Ayisha Siddiqa, Mizzi Jonelle Tan
5.18 Frauen und die Klimakrise
Wanjira Mathai
5.19 Dekarbonisierung erfordert Umverteilung
Lucas Chanel, Tomas Piketty
5.20 Klima-Reparationen
Olúfémi O. Táíwò
5.21 Unser Verhältnis zur Erde in Ordnung bringen
Robin Wall Kimmerer
5.22
»Hoffnung muss man sich verdienen« Greta Thunberg
Was nun?

Die Autor:innen haben Tausende von Zitatnachweisen und Literaturhinweisen zusammengestellt. Da die Hinweise zu umfangreich sind, um in diesem Buch abgedruckt werden zu können, sind sie zu finden unter www.fischerverlage.de/spezial/dasklimabuch

LESEPROBE
siehe: www.book2look.com/book/9783103971897

Vorspann

Die globale Durchschnittstemperatur ist seit vorindustriellen Zeiten um etwa 1,2°C gestiegen.
Experten nennen gelegentlich unterschiedliche Zahlen für den Anstieg der globalen Temperaturen; diese Unterschiede bewegen sich in einem Bereich von 1–1,3°C. Die Gründe: Manche datieren den Beginn der industriellen Revolution auf andere Jahre; manche berechnen die Zahlen aus der Durchschnittstemperatur des letzten Jahrzehnts; und es gibt für die einzelnen Jahre geringfügige Unterschiede in den Temperaturangaben.

Im 2021 herausgegebenen Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC – kurz auch Weltklimarat genannt) über die »aktuellen Befunde der physikalischen Wissenschaften« gelangt eine Gruppe von 234 führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 66 Ländern zu demSchluss, es stehe »außer Zweifel, dass menschliche Einflüsse Atmosphäre, Meer und Land erwärmt haben. Die Atmosphäre, das Meer, die Kryosphäre und die Biosphäre haben weitreichende und rasche Veränderungen erlebt.«

Die Konzentration aus menschlichen Aktivitäten stammender Treibhausgase – darunter Kohlendioxid, Methan, Stickoxide und Fluorkohlenwasserstoffe – hat in der Atmosphäre ein Ausmaß erreicht, wie es seit Millionen Jahren nicht zu finden war, seit einer Zeit, als am Südpol Bäume wuchsen und der Meeresspiegel 20 Meter höher lag.

Trotz ernster Warnungen in den 1980er und 1990er Jahren haben wir seit 1991 mehr CO2 emittiert als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor.

Nach Schätzungen des IPCC betrug unser Kohlenstoffbudget für eine 67-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C Anfang 2020 etwa 400 Gigatonnen.
Das Kohlenstoffbudget ist die maximale Menge CO2, die noch emittiert werden darf, wenn die Menschheit eine Chance haben soll, die Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C zu begrenzen. (1 Gigatonne = 1 Milliarde Tonnen).

Bei den gegenwärtigen Emissionsraten werden wir dieses Kohlenstoffbudget schon vor 2030 ausgeschöpft haben.

Manche Länder tragen historisch eine erheblich größere Verantwortung für die Emissionen als andere. Die größten Emittenten setzten zwischen 1850 und 2021 Hunderte Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre frei.

2015 unterzeichneten fast alle Staaten der Erde – insgesamt 195 – das Pariser Klimaschutzabkommen. Ziel dieses Abkommens ist die Beschränkung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C und im Idealfall unter 1,5°C gegenüber vorindustriellen Niveaus.

Die Welt ist nicht auf dem Weg, diese Ziele zu erreichen. Zwischen den Zusagen der Staaten und den tatsächlich ergriffenen Maßnahmen klafft eine gewaltige Lücke. Viele Emissionen – wie die des internationalen Luft- und Schiffsverkehr und die mit dem Militär zusammenhängenden Emissionen – werden gar nicht erfasst oder bleiben bislang unberücksichtigt.

Auf der Grundlage der bisherigen Politik schätzt der IPCC, dass die globale Erwärmung 2100 etwa 3,2°C betragen wird.


»Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es zunächst verstehen«
Greta Thunberg, Seite 2 ff

Die Klima- und Ökologiekrise ist die größte Bedrohung, mit der die Menschheit je konfrontiert war. Ohne Zweifel ist sie das Problem, das unser zukünftiges Alltagsleben prägen wird wie kein anderes. Das ist schmerzlich klar. In den letzten Jahren hat sich die Art und Weise, wie wir diese Krise wahrnehmen und darüber reden, zu verändern begonnen. Aber da wir so viele Jahrzehnte damit verschwendet haben, diese eskalierende Notlage zu ignorieren und herunterzuspielen, befinden sich unsere Gesellschaften noch immer in einem Zustand der Verleugnung. Schließlich leben wir im Zeitalter der Kommunikation, in dem das, was man sagt, ohne weiteres mehr Gewicht haben kann als das, was man tut. So kommt es, dass so viele Länder, die zu den großen Produzenten fossiler Brennstoffe – und zu den Verursachern hoher Emissionen – gehören, sich als führend in Klimafragen bezeichnen, obwohl sie keinerlei glaubwürdige Politik zur Abschwächung des Klimawandels betreiben. Es ist das Zeitalter der großen Greenwashing-Maschinerie.

Es gibt im Leben kein Schwarz und Weiß. Keine kategorischen Antworten. Alles ist eine Frage endloser Debatten und Kompromisse. Das ist ein Grundprinzip unserer heutigen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die sich in Hinblick auf Nachhaltigkeit für vieles zu verantworten hat. Denn dieses Grundprinzip ist falsch. Manches ist durchaus schwarz oder weiß. Tatsächlich haben die Erde und die Gesellschaft Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Wir glauben beispielsweise, unsere Gesellschaften könnten ein bisschen mehr oder weniger nachhaltig sein. Aber langfristig können wir nicht ein bisschen nachhaltig leben – entweder wir leben nachhaltig oder nicht. Es ist, als ginge man über dünnes Eis – entweder es trägt das Gewicht oder nicht. Entweder man schafft es ans Ufer oder man bricht in tiefes, dunkles, kaltes Wasser ein. Und wenn uns das passieren sollte, gibt es keinen nahen Planeten, der uns rettet. Wir sind völlig auf uns allein gestellt.

Ich bin fest überzeugt, dass wir die schlimmsten Folgen dieser aufkommenden Existenzkrise nur abwenden können, wenn wir eine kritische Masse von Menschen zusammenbringen, die die notwendigen Veränderungen fordern. Damit das geschieht, müssen wir schnell Bewusstsein schaffen, denn noch immer fehlt es in der breiten Öffentlichkeit an grundlegendem Wissen, das notwendig ist, um die Notlage zu begreifen, in der wir uns befinden. Ich möchte Teil der Bemühungen sein, dies zu ändern.

Daher habe ich beschlossen, meine Plattform zu nutzen, um ein Buch zu den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammenzustellen – ein Buch, das die Klima-, Ökologie- und Nachhaltigkeitskrise ganzheitlich behandelt. Denn die Klimakrise ist selbstverständlich nur ein Symptom einer wesentlich umfassenderen Nachhaltigkeitskrise. Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch zu einer Art Nachschlagewerk wird, um diese verschiedenen, eng miteinander verflochtenen Krisen zu verstehen.

2021 bat ich zahlreiche führende Wissenschaftler:innen, Expert:innen, Aktivist:innen, Autor:innen und Erzähler:innen, ihr jeweiliges Fachwissen beizutragen. Dieses Buch ist das Ergebnis ihrer Arbeit: eine umfassende Sammlung von Fakten, Geschichten, Graphiken und Fotos, die einige der unterschiedlichen Gesichter der Nachhaltigkeitskrise mit einem klaren Fokus auf Klima und Ökologie zeigen.

Es behandelt alles, von schmelzenden Eisschelfen und -kappen bis hin zur Wirtschaft, von Fast Fashion bis zum Artensterben, von Pandemien bis zu untergehenden Inseln, von der Waldrodung bis zum Verlust fruchtbarer Böden, von Wasserknappheit bis zur Souveränität indigener Völker, von der zukünftigen Nahrungsmittelproduktion bis zu Kohlenstoffbudgets – und es enthüllt das Handeln der Verantwortlichen und das Versagen derer, die den Bürgerinnen und Bürgern der Welt diese Informationen schon längst hätten vermitteln müssen.

Noch bleibt uns Zeit, die schlimmsten Folgen abzuwenden. Noch besteht Hoffnung, allerdings nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es zunächst verstehen – und begreifen, dass es definitionsgemäß aus einer Reihe miteinander verknüpfter Probleme besteht. Wir müssen die Fakten darlegen und sagen, wie es ist. Die Wissenschaft ist ein Instrument, und wir alle müssen lernen, es zu nutzen.

Zudem müssen wir einige grundlegende Fragen beantworten. Etwa: Was genau wollen wir als Erstes lösen? Was ist unser Ziel? Wollen wir die Emissionen senken oder weiter so leben können wie heute? Ist es unser Ziel, die Bedingungen für ein Leben auf der Erde jetzt und für die Zukunft zu bewahren oder an einer auf hohem Konsum basierenden Lebensweise festzuhalten? Gibt es so etwas wie grünes Wachstum? Und können wir auf einem endlichen Planeten ewiges Wachstum haben? Gerade jetzt brauchen viele von uns Hoffnung. Aber was ist Hoffnung? Hoffnung für wen? Hoffnung für diejenigen von uns, die das Problem geschaffen haben, oder für diejenigen, die schon jetzt unter dessen Folgen leiden? Kann unser Wunsch, diese Hoffnung zu vermitteln, sich dem Handeln in den Weg stellen und daher Gefahr laufen, mehr zu schaden als zu nützen?

Das reichste eine Prozent der Weltbevölkerung ist für mehr als doppelt so viele Kohlenstoffemissionen verantwortlich wie die Menschen, die die ärmste Hälfte der Menschheit ausmachen.

Für die 19 Millionen US-Bürger:innen oder die 4 Millionen Chines:innen, die zu diesem oberen einen Prozent gehören – sowie für alle anderen, die ein Nettovermögen von über 10 055 337 $ besitzen –, ist Hoffnung vielleicht nicht das, was sie am dringendsten brauchen. Zumindest nicht objektiv betrachtet.

Selbstverständlich gibt es Fortschritte, hören wir. Manche Länder und Regionen melden eine recht erstaunliche Reduzierung der CO2-Emissionen – zumindest in den Jahren, seit die Welt erstmals die Rahmenwerke zur Handhabung unserer Statistiken ausgehandelt hat. Aber wie steht es um all diese Reduzierungen, wenn wir statt der sorgfältig manipulierten Landesstatistiken unsere Gesamtemissionen einbeziehen? Also all die Emissionen, die wir so erfolgreich aus diesen Zahlen herausgerechnet haben. Zum Beispiel durch die Verlagerung von Fabriken in ferne Erdteile und das Auslassen der Emissionen von internationalem Flug- und Schiffsverkehr in unseren Statistiken – was bedeutet, dass wir unsere Produkte nicht nur mit billigen Arbeitskräften und der Ausbeutung von Menschen herstellen, sondern auch die damit verbundenen Emissionen auslöschen – Emissionen, die in Wirklichkeit gestiegen sind. Ist das Fortschritt?

Um unsere internationalen Klimaziele einzuhalten, müssen wir unsere individuellen Pro-Kopf-Emissionen auf etwa eine Tonne Kohlendioxid pro Jahr senken. In Schweden liegt dieser Wert gegenwärtig bei etwa neun Tonnen, wenn man den Konsum von Importwaren einbezieht. In den USA liegt er bei 17,1 Tonnen, in Kanada bei 15,4 Tonnen, in Australien bei 14,9 Tonnen und in China bei 6,6 Tonnen. Nimmt man biogene Emissionen – wie die aus der Verbrennung von Holz und anderen Pflanzen – hinzu, sind diese Werte in vielen Fällen noch höher. Und in Forstwirtschaftsländern wie Schweden und Kanada liegen sie noch weit darüber.

Für eine große Mehrheit der Weltbevölkerung stellt es kein Problem dar, die Emissionen unter einer Tonne pro Kopf und Jahr zu halten, da sie – wenn überhaupt – nur bescheidene Reduzierungen vornehmen müssen, um innerhalb der Grenzen unseres Planeten zu leben. In vielen Fällen könnten sie ihre Emissionen sogar beträchtlich erhöhen.

Aber die Vorstellung, dass Länder wie Deutschland, Italien, die Schweiz, Neuseeland, Norwegen und so fort derart enorme Reduzierungen innerhalb von zwei Jahrzehnten ohne erhebliche Systemtransformationen erreichen könnten, ist schlicht naiv. Dennoch behaupten die Regierungschefs des sogenannten globalen Nordens, das werde passieren. Teil 4 dieses Buches untersucht, wie dieser Fortschritt vorankommt.

Manche glauben, wenn sie sich der Klimabewegung jetzt anschließen, seien sie die letzten. Aber das ist alles andere als wahr. Wer sich entschließt, jetzt aktiv zu werden, gehört tatsächlich immer noch zu den Pionieren. Der letzte Teil dieses Buches befasst sich mit Lösungen und Dingen, die wir tatsächlich tun können, damit wir einen Unterschied bewirken, von kleinen, individuellen Schritten bis hin zu einem weltweiten Systemwechsel.

Dieses Buch soll demokratisch sein, weil Demokratie unser bestes Mittel ist, diese Krise zu bewältigen. Zwischen den Autorinnen und Autoren, die von der vordersten Front schreiben, mag es subtile Unterschiede geben. Alle Mitwirkenden an diesem Buch haben ihren jeweils eigenen Standpunkt und kommen möglicherweise zu unterschiedlichen Schlüssen. Aber wir brauchen ihre gesamten kollektiven Erkenntnisse, wenn wir den enormen öffentlichen Druck erzeugen wollen, der notwendig ist, um Veränderungen zu bewirken. Und statt einen oder zwei »Kommunikationsexpert:innen« oder Wissenschaftler:innen sämtliche Schlussfolgerungen für euch Leser:innen ziehen zu lassen, folgt dieses Buch vielmehr der Vorstellung, dass das Wissen aus den jeweiligen Fachgebieten zusammengenommen euch an einen Punkt führen wird, an dem ihr anfangen könnt, die Zusammenhänge selbst herzustellen. Das hoffe ich zumindest. Denn ich glaube, die wichtigsten Schlüsse müssen erst noch gezogen werden – und werden hoffentlich von euch gezogen.

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