langelieder > Bücherliste > Julian Jaynes 1988 |
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Julian
Jaynes |
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»Seit
Sigmund Freud und C.G.Jung hat keiner den Wagemut und die
geistige Kraft aufgebracht, eine so weitreichende neue Theorie
aufzustellen«, schrieb Prof. Ernest Rossi in der
Fachzeitschrift Psychological Perspectives, als dieses
Buch mit dem rätselhaften Titel erschien. In der New York
Times hieß es: »Wer ist denn dieser Julian Jaynes?
Und warum sagt er solche genialen Dinge bereits in seinem ersten
Buch und nicht erst in einem Alterswerk, das ein Gelehrtenleben
krönt?« |
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1920–1997, geboren in West Newton/Massachusetts als Sohn eines unitarischen Geistlichen. Nach dem Psychologiestudium an den Universitäten Harvard und McGill begann er seine Laufbahn als Hochschullehrer in Toronto und Yale. Seit 1964 lehrt er in Princeton. – Wissenschaftlich ist Jaynes als Autor zahlreicher Artikel, Lehrbücher und Forschungsberichte sowie als Herausgeber mehrerer Fachzeitschriften ausgewiesen. Mit dem vorliegenden Werk hat er weit über sein Spezialgebiet hinaus Aufmerksamkeit erregt: von schroffer Kritik bis zu enthusiastischer Bewunderung. Übersetzungen seiner staunenswerten «Paläontologie unseres subjektiven Bewußtseins» in die Weltsprachen liegen vor. |
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Inhaltsverzeichnis |
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Vorwort |
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Einführung: Das Problem des Bewußtseins |
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Bewußtsein
als Eigenschaft der Materie |
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ERSTES
BUCH |
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1. |
Das Bewußtsein des Bewußtseins |
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Die
Dimension des Bewußtseins |
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2. |
Das Bewußtsein |
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Metapher
und Sprache |
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Spatialisierung – Exzerpierung – Das Ich (qua Analogon) – Das Ich (qua Metapher) – Narrativierung - Kompatibilisierung |
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3. |
Die Psychologie der „Ilias“ |
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Die
Sprache der „Ilias“ |
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4. |
Die bikamerale Psyche |
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Der
bikamerale Mensch |
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Halluzinationen bei Psychotikern – Die Eigenarten der Stimmen – Lokalisierung und Funktion – Die visuelle Komponente – Die Auslösung der Götter |
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Die Macht des Wortes |
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Die Beherrschung des Gehorchens |
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5. |
Das Doppelhirn |
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Jede
der beiden Hemisphären versteht Sprache |
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6. |
Der Ursprung der Kultur |
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Gruppenevolution |
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Die Frage von Zeitpunkt und Zeitraum – Rufe, Modifikatoren, Imperative – Substantive – Der Ursprung von Gehörshalluzinationen – Die Epoche der Eigennamen – Das Aufkommen der Landwirtschaft |
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Der erste Gott |
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Der halluzinogene König – Der Gottkönig – Der Sieg der Zivilisation |
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ZWEITES
BUCH |
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1. |
Götter, Gräber und Idole |
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Die Gotteshäuser |
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Von Jericho bis Ur – Olmeken und Maya – Andenkulturen – Das Goldreich der Inka |
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Die
lebenden Toten |
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Statuetten – Eine Theorie der Idole – Sprachen die Idole? |
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2. |
Bikamerale Theokratien mit Schriftkultur |
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Mesopotamien: Die Götter als Eigentümer |
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Zeremonielle Mundwaschungen – Der Privatgott – Wann der König zum Gott wird |
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Ägypten: Die Könige als Götter |
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Die „Memphitische Theologie“ – Osiris: die Stimme des toten Königs – Herrschaftshäuser für Stimmen – Eine neue Theorie des Ka |
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Theokratien im Wandel der Zeiten |
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Zunehmende Komplexitätsgrade – Die Idee des Rechts |
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3. |
Bedingungen für Bewußtsein |
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Die
Labilität des bikameralen Königtums |
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4. |
Metanoia in Mesopotamien |
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Gebet – Zur Genealogie der Engel – Dämonen – Ein neuer Himmel |
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Weissagung |
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Omina und Omentexte – Los-Orakel – Augurienschau – Spontanes Divinieren |
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Die Grenzscheide der Subjektivität |
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Vergleich zwischen assyrischen und altbabylonischen Briefen – Die Spatialisierung der Zeit – Gilgamesch - |
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5. |
Das intellektuelle Bewußtsein der Griechen |
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Ein Blick in die Zukunft durch die „Ilias“ |
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Vorbewußte Hypostasen – Thymos – Phrenes – Kradie – Etor – Noos - Psyche |
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Der
Listenreichtum der „Odyssee“ |
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6. |
Das moralische Bewußtsein der Habiru [Hebräer] |
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Vergleich
zwischen dem Buch Amos und dem Prediger Salomo |
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DRTTES
BUCH |
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1. |
Das Streben nach Autorisierung |
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Orakel |
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Das Delphische Orakel – Das allgemeine bikamerale Paradigma – Andere Orakel – Die sechs Stadien des Orakulierens – Sibyllen – Renaissance der Idolatrie |
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2. |
Von Propheten und Besessenheit |
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Induzierte
Besessenheit |
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3. |
Von Dichtung und Musik |
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Poesie
und Gesang |
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4. |
Die Hypnose |
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Die
Paraphoranden der Newtonschen Kräfte |
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5. |
Die Schizophrenie |
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Das
Zeugnis der Geschichte |
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6. |
Die Augurien der Wissenschaft |
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Register, Quellennachweis |
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Über den Autor |
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Leseprobe |
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Der
gesamte Text steht auf der Website der Julian Jaynes Society zur
Verfügung: |
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Vorwort |
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Die Kernideen des vorliegenden Buches habe ich im September 1969 auf einer Tagung der American Psychological Association in Washington vorgetragen. In all den Jahren seither habe ich meine Gedanken und Begründungen immer wieder auf verschiedenen wissenschaftlichen Veranstaltungen zur Diskussion gestellt. So ergab sich eine ständige Überprüfung und kritische Auseinandersetzung, worin ich einen wertvollen Beitrag sehe. |
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Im Ersten Buch führe ich aus, wie ich auf die erwähnten Kernideen gestoßen wurde. |
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Im Zweiten Buch sichte ich das historische Beweismaterial für meine Thesen im einzelnen. |
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Im Dritten Buch zeige ich, was meine Theorie bei der Erklärung einiger moderner Phänomene zu leisten vermag. |
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Ursprünglich wollte ich in einem Vierten und Fünften Buch die Hauptresultate meines neuen Ansatzes darlegen. Daraus mußte aber ein eigenes Buch werden, an dem ich noch schreibe. Arbeitstitel: The Consequences of Consciousness – Die Folgen des Bewußtseins. |
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Julian Jaynes |
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EINFÜHRUNG: Das Problem des Bewußtseins |
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WAS FÜR EINE WELT des augenlosen Sehens und des hörbaren Schweigens, dieses immaterielle Land der Seele! Welche mit Worten nicht zu fassenden Wesenheiten, diese körperlosen Erinnerungen, diese niemandem vorzeigbaren Träumereien! Und wie intim das Ganze! Eine heimliche Bühne des sprachlosen Selbstgesprächs und Mitsichzu-Rate-Gehens, die unsichtbare Arena allen Fühlens, Phantasierens und Fragens, ein grenzenloser Sammelplatz von Enttäuschungen und Entdeckungen. Ein ganzes Königreich, wo jeder von uns als einsamer Alleinherrscher regiert, Zweifel übt, wenn er will, Macht übt, wenn er kann. Eine versteckte Klause, wo wir die bewegte Chronik unserer vergangenen und noch möglichen zukünftigen Taten ausarbeiten können. Ein inneres Universum, das mehr mein Selbst ist als alles, was mir der Spiegel zeigen kann. Dieses Bewußtsein, das mein eigenstes, innerstes Selbst ist, das alles ist und doch ein reines Nichts – was ist es? |
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Und wie entstand es? |
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Und warum? |
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Nur wenige Fragen haben eine längere und verwirrendere Geschichte als diese: das Problem des Bewußtseins und seiner Stellung in der Natur. Jahrhunderte des Grübelns und Experimentierens, Jahrhunderte des Bemühens, sich den Zusammenhang zwischen zwei vermeintlich selbständig existierenden Wesenheiten zu erklären, die man in dem einen Zeitalter Geist und Materie, in dem anderen Subjekt und Objekt, in wieder einem anderen Seele und Leib nannte; endlose Darlegungen über Bewußtseinsströme, Bewußtseinszustände, Bewußtseinsinhalte; präzisierende Begriffsbildungen wie »Anschauung«, »Sinnesdaten«, »Außenwelt«, »Organgefühle«, »Wahrnehmung«, »Präsentationen« und »Repräsentationen«, die »Empfindungen«, »Vorstellungen« und »Affekte« der strukturalistischen Introspektionstheorie, die »Beobachtungsdaten der wissenschaftlichen Positivisten, die »Felder« der Phänomenologen, die »Apparitionen« eines Hobbes, die »Phänomene« eines Kant, die »Erscheinungen« der Idealisten, die »Elemente« eines Mach, die »Phanera« eines Peirce, die »Kategorialirrtümer« eines Ryle – das alles hat das Problem des Bewußtseins nicht aus der Welt schaffen können. Stets bleibt ein Rest und widersetzt sich einer Lösung. |
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Was sich da so hartnäckig sperrt und nicht verschwinden will, ist der Unterschied zwischen dem, was die anderen von mir sehen, und meinem eigenen inneren, von tiefem Gefühl getragenen Selbstempfinden. Es ist der Unterschied zwischen dem Ich-und-Du der gemeinsamen Verhaltenswelt und dem ortlosen Ort der Gedankendinge. Unsere Reflexionen und Träume, unsere imaginären Gespräche mit imaginären Partnern, in denen wir – ach wie gut, daß niemand weiß – alles ausplaudern, unsere Hoffnungen und unseren Kummer, unsere Zukunft und unsere Vergangenheit entschuldigen, rechtfertigen, behaupten: Dieses ganze dichte Phantasiegewebe unterscheidet sich himmelweit von der handfesten, standfesten, greifbaren, kneifbaren Wirklichkeit mit ihren Bäumen, ihrem Gras, ihren Tischen, Ozeanen, Händen, Sternen – ja selbst ihren Gehirnen. Wie ist das möglich? Wie fügen sich diese flüchtigen Gebilde meines einsamen Erlebens in den Bau der Natur, der diese stille Kammer des Sich-Wissens irgendwie in sich schließt? |
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Das Bewußtsein vom Problem des Bewußtseins ist fast so alt wie das Bewußtsein selbst. Und jede Epoche hat das Bewußtsein in Begriffen gefaßt, die ihren eigenen vorherrschenden Themen und Interessen entsprachen. Im Goldenen Zeitalter Griechenlands, als man frei umherreiste, während Sklaven die Arbeit verrichteten, war das Bewußtsein mit der gleichen Freiheit ausgestattet. So nannte Heraklit es einen unermeßlichen Raum, dessen Grenzen »du im Gehen nicht ausfindig machen kannst, und ob du jegliche Straße ab schrittest«. Ein Jahrtausend später verwunderte sich Augustinus inmitten der höhlenreichen Hügellandschaft um Karthago über »Berg und Hügel meines Sinnens«, »die abgeschiedenen Räume meines Gedächtnisses, die vielen weitläufigen Hallen, auf wunderbare Weise gefüllt mit unübersehbaren Vorräten«. Man beachte, wie die jeweils wahrgenommene Außenwelt zur Metapher für die Innenwelt wird. |
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Die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts war eine Zeit der großen geologischen Entdeckungen: Man lernte, die Schichtung der Erdkruste als eine Aufzeichnung der Erdgeschichte zu entziffern. Und daraufhin verbreitete sich die Vorstellung vom Bewußtsein als einer Schichtung, in der sich die Vergangenheit des Individuums abgelagert habe, mit immer tieferen und tieferen Schichten, die sich schließlich in unzugänglichem Dunkel verloren. Diese Betonung des Unbewußten gewann immer mehr an Boden, und um 1875 vertraten dann die meisten Psychologen die Ansicht, daß das Seelenleben nur zu einem geringen Teil aus bewußten Prozessen, in der Hauptsache dagegen aus unbewußten Wahrnehmungen, unbewußten Vorstellungen und unbewußten Urteilen bestehe. |
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Es war die Chemie, die um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Geologie als Modewissenschaft ablöste, und von James Mill bis hin zu Wundt und seinen Schülern (wie beispielsweise Titchener) verstand man das Bewußtsein als komplexe Verbindung, die im Labor säuberlich in ihre Elemente – Elemente wie »Sinnesempfindung« oder »Gefühl« zerlegt werden konnte. |
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Und als sich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Dampflokomotiven zischend und schnaubend in das Erscheinungsbild des Alltags schoben, eroberten sie sich damit zugleich ihren Platz im Bewußtsein vom Bewußtsein: Das Unbewußte wurde jetzt zu einem Kessel voll brodelnder Energien, die nach Abfuhr verlangten und, wenn sie unterdrückt (»verdrängt«) wurden, sich in neurotischem Verhalten oder in verstiegenen Träumen mit ihrem Taumel versteckter Wunscherfüllungen gewaltsam ein Ventil schufen. |
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Über solche Metaphern ist nicht viel zu sagen, man kann nur feststellen, daß es eben – Metaphern sind. |
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Ursprünglich lief diese Suche nach dem Wesen des Bewußtseins unter der Bezeichnung Leib-Seele-Problem und brachte eine erdrückende Menge philosophischen Tiefsinns hervor. Mit dem Aufkommen der Evolutionstheorie begann sie sich jedoch zu einer wissenschaftsgemäßeren Problemstellung zu mausern. Heute ist daraus die Frage nach dem Ursprung des Geistes oder, spezifischer, des Bewußtseins im Ganzen des Evolutionsprozesses geworden. Wo kann sich dieses subjektive Erleben, das mir in der Selbstbeobachtung zugänglich wird, dieser ständige Begleiter der Unmasse meiner Assoziationen, Hoffnungen, Befürchtungen, Affekte, Erkenntnisse, Farbeindrücke, Geruchsempfindungen, Zahnschmerzen, Schauder, Nervenkitzel, Lust- und Unlustgefühle und Begierden – wo und wie könnte sich dieses wunderbar gewebte Innenleben im Lauf der Evolution entwickelt haben? Wie können wir von bloßer Materie zu dieser Innerlichkeit gelangt sein? Und wenn dem so ist, wann? |
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Dieses Problem nimmt eine Zentralstellung im Denken des zwanzigsten Jahrhunderts ein. Und es lohnt sich, eine kurze Musterung der bisher vorgeschlagenen Lösungen vorzunehmen. Auf acht von ihnen, die ich für die wichtigsten halte, werde ich im folgenden eingehen. |
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Auszug
aus |
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Liest man das Alte Testament aus dieser Perspektive von vorne bis hinten durch, so enthüllt sich in der Abfolge der einzelnen Bücher mit wunderbarer und überwältigender Klarheit ein Sinnmuster, das auf nichts anderes als die langwierige, schmerzhafte Geburt unseres subjektiven Bewußtseins zurückverweist. (...) Das Alte Testament ist im wesentlichen die Geschichte vom Absterben der bikameralen Psyche, vom allmählichen Rückzug der noch übriggebliebenen elohim ins Schweigen, von darauffolgender Desorientiertheit und tragischer Gewaltsamkeit, von dem letztlich vergeblichen Versuch, der elohim in ihren Propheten wieder habhaft zu werden, bis sich schließlich in der Idee des Handelns nach Gesetz und Recht ein Ersatz auftut. |
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Aber wie ein Gespenst geht das uranfängliche unbewußte Wesen noch immer in der Seele um; sie zergrübelt sich in dem Bemühen, die verlorengegangene Einheit mit der autoritativen Instanz wiederzufinden; und das Verlangen – das tiefe und auszehrende Verlangen – nach göttlichem Willen und Zuwillensein dem Göttlichen läßt noch uns Heutige nicht los. |
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Auszug
aus: |
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Das augenfälligste und bedeutendste Relikt jener älteren Mentalität ist demnach unser religiöses Erbe in all seiner labyrinthischen Schönheit und Formenvielfalt. (...) Wollte man das Thema in aller Ausführlichkeit erörtern, müßte man beispielsweise mit Einzelheiten belegen, wie die von Jesus angestrebte Reform des Judentums sich begrifflich rekonstruieren läßt als Entwurf einer Religion für subjektiv bewußte Menschen, die eine bikameral verwurzelte Religion ersetzen sollte und damit zwangsläufig zur Neustiftung geriet. Verhaltensmodifikationen müssen nun von drinnen, aus dem neuen Bewußtsein heraus, kommen und nicht mehr durch die Außenleitung mosaischer Gesetze bewirkt werden. (...) Das Reich Gottes, das gewonnen werden soll, ist ein psychologisches, kein materielles Reich. (...) Doch auch das Christentum hält im Lauf seiner Geschichte seinem Stifter nicht die Treue – kann sie ihm nicht halten. Wieder und wieder kehrt die Entwicklung der christlichen Kirche zurück zum alten, wohlbekannten Verlangen nach den absoluten Gewißheiten der Bikameralität: verzichtend auf das schwer zu erlangende innere Reich der agape, bindet sie sich an eine äußere Hierarchie, die durch ein Wolkenmeer von Wundern und Unfehlbarkeit hindurch hinaufreicht bis zur archaischen Autorisierungsinstanz in den fernen Himmeln. |
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Siehe auch |
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