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> Meadows D. 2010
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Donella
H. Meadows Die Grenzen des Denkens Wie
wir sie mit System erkennen und überwinden können
München
2010 (oekom
verlag); 256 Seiten; ISBN-13:
978-3-86581-199-8
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»…Darum
schrillten in meinem Systemgefühl die Alarmglocken, als ich
das neue Welthandelssystem erklärt bekam. Es ist ein System
mit Regeln, die von Unternehmen gemacht wurden und das von
Unternehmen zum Vorteil von Unternehmen betrieben wird. Seine
Regeln schließen nahezu jede Rückkopplung aus jedem
anderen Gesellschaftsbereich aus. Beim Großteil der
Zusammenkünfte ist sogar die Presse ausgeschlossen (kein
Informationsfluss, keine Rückkopplung). Das
Welthandelssystem zwingt Staaten in selbstverstärkende
Schleifen von »Wettläufen in den Abgrund«, zur
Konkurrenz um die Schwächung ökologischer und sozialer
Absicherungen, um damit Investitionen von Unternehmen anzuziehen.
Es ist ein Rezept zum Entfesseln von »Erfolg
den Erfolgreichen«-Prozessen,
bis diese enorme Machtkonzentrationen und riesige zentralisierte
Planungssysteme hervorbringen, die sich schließlich selbst
zerstören.« (Seite 184 f)
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In
diesem Buch geht’s nicht um das Welthandelssystem, sondern
ganz allgemein um die Eigendynamik komplexer Systeme. Donella
Meadows weiß ihre Darstellungen aber mit Beispielen zu
würzen…
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Donella
Meadows
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(1941-2001)
war eine in Chemie und Biophysik ausgebildete Wissenschaftlerin
(Ph.D., Harvard Universität). Im Jahr 1970 schloss sie sich
der von Dennis Meadows geleiteten Arbeitsgruppe des Massachusetts
Institute of Technology (MIT) an, die »World3«
erarbeitete, ein globales Computermodell, das die Dynamiken der
menschlichen Bevölkerungsentwicklung und des
Wirtschaftswachstums auf einem begrenzten Planeten untersucht.
Sie war 1972 Hauptverfasserin von Die
Grenzen des Wachstums, dem Buch, das die Erkenntnisse
aus dem World3-Modellprojekt einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich machte. Die Grenzen des Wachstums wurden
in achtundzwanzig Sprachen übersetzt und setzten eine
weltweite Diskussion über die ökologische Tragfähigkeit
der Erde und menschliche Entscheidungsmöglichkeiten in Gang.
Meadows schrieb weitere neun Bücher über globale
Modellierung und nachhaltige Entwicklung und schrieb fünfzehn
Jahre lang eine wöchentliche Kolumne, »The Global
Citizen«, für amerikanische Tageszeitungen, in der sie
Überlegungen über den Zustand unserer Gesellschaft und
die komplexen Zusammenhänge in unserer Welt anstellte. Im
Jahr 1991 wurde Meadows der Status einer Forschungsstipendiatin
für Naturschutz und Umwelt des Pew Charitable Trust (Pew
Scholar in Conservation and the Environment) verliehen, und
1994 erhielt sie ein Forschungsstipendium der MacArthur-Stiftung
(MacArthur Fellowship). Sie gründete 1996 das
Sustainability Institute, um ihre Erkenntnisse im
Systemdenken und über Lernprozesse in Organisationen auf
ökonomische, ökologische und soziale Fragen anzuwenden.
Von 1972 bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 unterrichtete sie im
Umweltstudienprogramm des Dartmouth College.
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Inhaltsverzeichnis
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Vorwort
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Anmerkung
der Verfasserin
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Einführung:
Die Linse der Systembetrachtung
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Zwischenspiel
— Die Blinden und die Sache mit dem Elefanten: Warum das
Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile
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Strukturen
und Verhalten von Systemen
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I.
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Die
Grundlagen
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Mehr
als die Summe seiner Teile Die Spielregeln verstehen, nach
denen gespielt wird Badewannen-Grundkurs –
zeitabhängiges Systemverhalten verstehen Wie das System
sich selbst regelt – Rückkopplungen Stabilisierende
Schleifen – dämpfende Rückkopplung Aufschaukelnde
Schleifen – selbstverstärkende Rückkopplung
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II.
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Ein
kurzer Besuch im Systemzoo
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Systeme
mit einer Zustandsgröße —
Eine Zustandsgröße mit zwei konkurrierenden
ausgleichenden Rückkopplungen – der Thermostat —
Ein Bestand mit je einer selbst verstärkenden und einer
ausgleichenden Rückkopplung – Bevölkerung und
gewerbliche Wirtschaft — Ein System mit Verzögerungen
– Lagerbestände Systeme mit zwei
Zustandsgrößen —
Ein erneuerbarer Bestand am Tropf einer nicht erneuerbaren
Ressource – eine vom Erdöl abhängige
Volkswirtschaft — Ein erneuerbarer Bestand im
Zusammenspiel mit einer erneuerbaren Ressource –
Fischereiwirtschaft
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Systeme
und wir
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III.
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Warum
Systeme so gut funktionieren
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Widerstandsfähigkeit Selbstorganisation Hierarchie
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Zwischenspiel
— Die Fabel von den zwei Uhrmachern: Warum das Universum
in Hierarchien organisiert ist
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IV.
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Warum
Systeme uns verblüffen
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Die
Verführung durch Ereignisse Linearer Verstand in einer
nichtlinearen Welt
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Zwischenspiel
— Fichtentriebwickler, Tannen und Pestizide: Warum wir
nichtlineare Beziehungen verstehen müssen
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Nicht
existente Grenzen Mehrschichtige Grenzen Allgegenwärtige
Verzögerungen Eingeschränkte Rationalität
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Zwischenspiel
– Stromzähler in niederländischen
Haushalten: Warum wir mehr und bessere Information brauchen
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V.
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Systemfallen
… und Entwicklungschancen
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Änderungsresistenz
– erfolglose Korrekturen Die Tragödie der
Allgemeingüter Leistungsschwund Eskalation Erfolg
den Erfolgreichen – Konkurrenzausschluss Verlagerung der
Verantwortung – Sucht Umgehung der Regeln Falsche
Zielsetzung
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Zwischenspiel
– Das Design von Segelbooten: Warum wir die richtigen
Ziele setzen müssen
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Wandel
schaffen – bei Systemen und in unserem Denken
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VI.
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Hebelpunkte:
Stellen für wirksames Eingreifen
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Eine
Liste der Hebelpunkte, mit denen in ein System eingegriffen
werden kann (in
der Reihenfolge zunehmender Wirksamkeit) 12.
Zahlen – Konstanten und Parameter und ihr
Einfluss 11. Puffer – Das Verhältnis
stabilisierender Bestände zu ihren Flüssen 10.
Systemstrukturen mit Beständen und Flüssen –
Physische Grenzen der Systemveränderung 9. Verzögerungen
– Verzögerungszeit im Verhältnis zur
Geschwindigkeit der Systemveränderung 8. Ausgleichende
Rückkopplungsschleifen – Rückkopplungswirkungen
im Verhältnis zu den auslösenden Störfaktoren 7.
Selbstverstärkende Rückkopplungsschleifen –
Der Verstärkungsfaktor der regelnden Schleifen 6.
Informationsflüsse – Die Struktur, die über
den Zugang zu Informationen bestimmt 5. Regeln –
Anreize, Strafen, Beschränkungen 4. Selbstorganisation
– Die Fähigkeit, Systemstrukturen zu erweitern, zu
verändern oder weiterzuentwickeln 3. Ziele –
Der Zweck oder die Funktion des Systems 2. Paradigmen –
Die Vorstellungswelt, aus der das System hervorgeht – seine
Ziele, Struktur, Regeln, Verzögerungen, Parameter 1.
Paradigmen überwinden
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VII.
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Leben
in einer Welt der Systeme
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Den
Rhythmus des Systems erfassen Denkvorstellungen deutlich
machen Information respektieren und weitergeben Sprache
sorgsam verwenden und mit Systemkonzepten anreichern Auf das
wirklich Wichtige achten, nicht nur auf
Quantifizierbares Rückkopplungsstrategien für
Rückkopplungssysteme entwickeln Für das Wohl des
Ganzen arbeiten Auf die Weisheit des Systems
hören Verantwortlichkeiten im System ausfindig
machen Bescheiden bleiben – ständig
dazulernen Komplexität feiern und fördern Zeithorizonte
ausweiten Den Disziplinen trotzen Die Grenzen der Fürsorge
erweitern Das Güteziel nicht verwässern
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ANHANG
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Systemdefinitionen:
ein Glossar Zusammenfassung der
Systemprinzipien Modellgleichungen Anmerkungen Bibliografie
zu Lernmitteln im Systembereich Dank der Herausgeberin Über
die Verfasserin
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Leseprobe
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Vorwort
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1972
war Donella (Dana) Meadows Hauptautorin von Die Grenzen des
Wachstums – einem Bestseller, der in viele Sprachen
übersetzt wurde. Die Warnungen, die sie und ihre Mitautoren
damals aussprachen, werden heute als unvergleichlich präzise
Hinweise dafür angesehen, wie nicht nachhaltige Muster,
unkontrolliert sich selbst überlassen, global verheerende
Schäden anrichten können. Das Buch machte weltweit
Schlagzeilen, weil es erklärte, wie anhaltendes Wachstum von
Bevölkerung und Konsum die Ökosysteme und die sozialen
Systeme, die das Leben auf der Erde ermöglichen, ernsthaft
beschädigen können, und wie das Streben nach
grenzenlosem Wirtschaftswachstum letztendlich viele lokale,
regionale und globale Systeme sprengen kann. Die in Die
Grenzen des Wachstums und seinen Updates präsentierten
Ergebnisse sind wieder in den Schlagzeilen, weil wir uns jetzt
»peak Oil« (also dem Zeitpunkt des globalen
Ölfördermaximums) nähern, mit den Realitäten
des Klimawandels konfrontiert sind, und miterleben, wie eine
Weltbevölkerung von 6,6 Milliarden mit den zerstörerischen
Folgen materiellen Wachstums umgeht.
Dana hat dem Gedanken
den Weg mitbereitet, dass wir, um unseren Kurs zu korrigieren,
die Art, wie wir unsere Welt betrachten, grundlegend ändern
müssen. Heute findet Systemdenken eine breite Akzeptanz als
wichtiges Werkzeug, mit dem die vielen ökologischen,
politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen,
denen wir heute weltweit gegenüberstehen, angegangen werden
können. Systeme, seien sie groß oder klein, können
sich ähnlich verhalten. Das zu verstehen, ist vielleicht
unsere größte Chance zur Durchsetzung dauerhafter
Veränderungen in vielen Bereichen.
1993 beendete Dana
einen Entwurf des vorliegenden Buches. Das Manuskript blieb
damals unveröffentlicht, kursierte aber jahrelang informell.
Dana starb sehr unerwartet im Jahr 2001 – bevor sie dieses
Buch abschließen konnte. In den Jahren nach ihrem Tod wurde
klar, dass ihre Schriften nach wie vor vielen Lesern nützlich
waren. Dana war Wissenschaftlerin und Schriftstellerin und eine
der besten Kommunikatorinnen der Systemmodellierung.
Weil
Dana mit diesem Buch dieses Konzept einem breiteren Publikum
nahebringen wollte, haben meine Kollegen vom Sustainability
Institute und ich beschlossen, dass es Zeit wurde, ihr Manuskript
posthum zu veröffentlichen.
Wird ein weiteres Buch
wirklich der Welt und Ihnen, dem Leser oder der Leserin, helfen?
Ich glaube schon. Vielleicht arbeiten Sie in einer Firma (oder
besitzen eine Firma) und bemühen sich, zu erkennen, was Sie
und Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation zu einer Wende zu
einer besseren Welt beitragen können. Oder vielleicht sind
Sie ein Entscheidungsträger, der bei der Umsetzung seiner
guten Ideen und Absichten gegen den Widerstand anderer ankämpfen
muss. Vielleicht sind Sie ein Manager, der sich in seiner Firma
oder seiner Gemeinde für die Lösung einiger wichtiger
Probleme sehr eingesetzt hat und nun zuschauen muss, wie dadurch
weitere Herausforderungen ausgelöst wurden. Als jemand, der
für Wandel in Gesellschaft (oder Familie) eintritt –
wie diese funktioniert, was die Gesellschaft für wertvoll
und schützenswert erachtet –, sehen Sie vielleicht den
Fortschritt von Jahren durch vorschnelle Eingriffe zunichte
gemacht. Als Bürger einer zunehmend globalen Gesellschaft
sind Sie vielleicht einfach nur frustriert darüber, wie
schwer es ist, positive und dauerhafte Veränderungen zu
erreichen.
Wenn das so ist, kann dieses Buch helfen.
Obwohl sich viele Titel über »Systemmodellierung«
und »Systemdenken« finden lassen, besteht
offensichtlich Bedarf für ein anschauliches und
inspirierendes Buch über Systeme und uns – warum sie
uns manchmal so rätselhaft vorkommen, und wie wir lernen
können, mit ihnen besser umzugehen und sie neu zu
gestalten.
Zu der Zeit, als Dana In Systemen denken
schrieb, war sie gerade mit der Arbeit am 20-Jahres-Update zu Die
Grenzen des Wachstums, mit dem Titel Die neuen Grenzen des
Wachstums, fertig geworden. Sie war Pew Scholar in
Conservation and the Environment (Stipendiatin Naturschutz
und Umwelt des Pew Charitable Trust) und gehörte dem
Committee on Research and Exploration (Komitee für
Forschung und Erkundung) der National Geographic Society an. Und
sie lehrte am Dartmouth College über Systeme,
Umweltwissenschaften und Ethik. In allen Bereichen ihrer Arbeit
bezog sie das Alltagsgeschehen immer mit ein. Sie begriff es als
das äußerlich sichtbare Verhalten oftmals komplexer
Systeme.
Obwohl Danas Originalmanuskript aufgearbeitet und
umstrukturiert wurde, sind viele Beispiele in diesem Buch noch
aus dem ersten Entwurf von 1993. Sie kommen Ihnen vielleicht ein
bisschen verstaubt vor, aber beim Überarbeiten ihres Werks
habe ich beschlossen, sie beizubehalten, weil die Lehren, die sie
enthalten, heute genauso relevant sind wie damals. Die frühen
1990er-Jahre waren die Zeit der Auflösung der Sowjetunion
und des großen Wandels in anderen sozialistischen Staaten.
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) war gerade
unterzeichnet worden. Die Armee des Irak marschierte in Kuwait
ein, zog sich wieder zurück und setzte beim Rückzug
Ölfelder in Brand. Nelson Mandela wurde aus der Haft
entlassen, und Südafrikas Apartheidsgesetze wurden
abgeschafft. Arbeiterführer Lech Walesa wurde zum
Präsidenten von Polen gewählt, und der Dichter Vaclav
Havel wurde zum Präsidenten der Tschechoslowakei. Der
Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) gab seinen ersten
Sachstandsbericht heraus, in dem er zu dem Schluss kam, dass »...
durch menschliches Handeln die Konzentration der Klimagase in der
Atmosphäre erheblich ansteigt, wodurch ein zusätzlicher
Treibhauseffekt entsteht, der zu zusätzlicher Erwärmung
der Erdoberfläche führt.« Die UNO veranstaltete
in Rio de Janeiro die Konferenz über Umwelt und
Entwicklung.
Während sie in dieser Zeit zu Tagungen
und Konferenzen reiste, las Dana die International Herald
Tribune und fand in einer einzigen Woche viele Beispiele für
Systeme, die eines besseren Managements oder einer völligen
Neugestaltung bedurften. Sie fand sie in Zeitungen, weil sie uns
immer überall umgeben. Wenn Sie einmal angefangen haben, die
Tagesereignisse als Teile von Trends und diese wiederum als
Symptome einer zugrunde liegenden Systemstruktur wahrzunehmen,
werden Sie auch über neue Wege nachdenken wollen und
darüber, wie Sie in einer Welt komplexer Systeme an Dinge
herangehen und wie Sie in ihr leben wollen. Mit der
Veröffentlichung von Danas Manuskript hoffe ich, dem Leser
oder der Leserin dabei zu helfen, die Systeme in ihrer Umgebung
zu verstehen und sich für positive Veränderungen
einzusetzen.
Ich hoffe, diese kleine, leichtverständliche
Einführung in Systeme und unser Verständnis von ihnen
wird in einer Welt, welche die aus ihren sehr komplexen Systemen
entstehenden Verhaltensweisen rasch wird ändern müssen,
ein nützliches Werkzeug sein. Dies ist ein einfaches Buch
für und über eine komplexe Welt. Es ist ein Buch für
diejenigen, die eine bessere Zukunft gestalten wollen.
Diana
Wright, 2008
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Anmerkung
der Verfasserin
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Dieses
Buch enthält die kondensierte Erfahrung aus dreißig
Jahren Systemmodellierung und Lehrtätigkeit vieler kreativer
Menschen, von denen die meisten ursprünglich der
Systemdynamikgruppe des MIT (Massachusetts Institute of
Technology) angehörten oder von ihr beeinflusst wurden. Als
Ersten möchte ich Jay Forrester nennen, den Gründer der
Gruppe. Außer ihm waren meine Lehrer (und Studenten, die zu
meinen Lehrern wurden) hauptsächlich: Ed Roberts, Jack Pugh,
Dennis Meadows, Hartmut Bossel, Barry Richmond, Peter Senge, John
Sterman und Peter Allen. Zusätzlich habe ich hier auch auf
Sprache, Ideen, Beispiele, Zitate, Bücher und überlieferte
Weisheit aus dem Erfahrungsschatz einer großen
intellektuellen Gemeinschaft zurückgegriffen. Allen ihren
Mitgliedern gelten meine Bewunderung und mein Dank.
Weiterhin
habe ich mich bei Denkern vieler unterschiedlicher Disziplinen
bedient, die, soweit ich weiß, nie einen Computer für
die Simulation eines Systems benutzt haben, die aber von Natur
aus Systemdenker sind. Unter anderen sind das Gregory Bateson,
Kenneth Boulding, Herman Daly, Albert Einstein, Garrett Hardin,
Vaclav Havel, Lewis Mumford, Gunnar Myrdal, E. F. Schumacher,
eine Reihe moderner Führungskräfte von Unternehmen und
viele anonyme Quellen uralter Weisheit, von den Ureinwohnern
Amerikas bis zu den Sufis des Mittleren Ostens. Eine seltsame
Mischung, aber Systemdenken transzendiert eben die Disziplinen
und Kulturen, und, wenn richtig betrieben, auch die
Geschichte.
Wenn ich schon Transzendenz erwähne, muss
ich auch Schubladendenken erwähnen. Systemanalysten arbeiten
mit übergreifenden Konzepten, aber sie sind Menschen wie du
und ich. So entstanden unterschiedliche, widerstreitende Schulen
des Systemdenkens. Ich habe hier die Sprache und die Symbole der
Systemdynamik benutzt, in der ich ausgebildet wurde. Und ich
stelle hier nur den Kern der Systemtheorie vor, nicht die
Spitzenforschung. Ich beschäftige mich nicht mit abstrakten
Theorien, und Analyse interessiert mich nur insoweit, wie ich
ihren Nutzen zur Lösung echter Probleme erkennen kann. Wenn
der abstrakte Bereich der Systemtheorie auch irgendwann dazu in
der Lage ist, und das wird er meiner Meinung nach eines Tages
sein, wird es Zeit für das nächste Buch.
Daher
an dieser Stelle die Warnung, dass dieses Buch, wie alle Bücher,
voreingenommen und unvollständig ist. Systemisches Denken
ist ein viel, viel weiteres Feld, als hier gezeigt wird, und,
wenn Sie wollen, offen für Ihren Entdeckergeist. Ich will
Ihr Interesse wecken und Ihnen hauptsächlich die Grundlagen
vermitteln, komplexe Systeme zu verstehen und dies Wissen
anzuwenden, auch wenn Ihre formale Ausbildung mit diesem Buch
beginnt und endet.
Donella Meadows, 1993
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Einführung:
Die Linse der Systernbetrachtung
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»Manager
sind nicht mit Problemen konfrontiert, die voneinander unabhängig
sind, sondern mit dynamischen Situationen, die aus komplexen
Systemen wechselnder Probleme bestehen, die miteinander
interagieren. Solche Situationen nenne ich Schlamassel... Manager
lösen keine Probleme, sie versuchen, Schlamassel zu
verwalten.« Russel Ackoff,
Organisationstheoretiker
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In
einer der ersten Vorlesungen im Semester über Systeme hole
ich oft eine Treppenhüpferspirale, einen sogenannten Slinky,
hervor. Falls Sie nicht mit so einem Ding aufgewachsen sind: Ein
Slinky ist ein Spielzeug – eine lange, biegsame
Spiralfeder, die man auf und ab hüpfen, von einer Hand in
die andere fließen oder von selber die Treppe herunter
laufen lassen kann.
Ich setze den Slinky auf meine Hand.
Mit den Fingern der anderen Hand halte ich ihn an seinem oberen
Ende fest und ziehe dann die untere Hand weg. Der untere Teil der
Spiralfeder streckt sich beim Fallen, federt wieder hoch und
schwingt wie ein Jojo auf und ab, während meine Finger den
Slinky oben festhalten.
»Weshalb schwingt der Slinky
so rauf und runter?« frage ich Studenten. »Ihre Hand.
Sie haben Ihre Hand weggenommen«, sagen die.
Also
setze ich die Schachtel, in der der Slinky verpackt war, auf
meine Handfläche und halte sie – genau wie vorher den
Slinky – oben mit den Fingern der anderen Hand fest. Mit
möglichst dramatischer Geste ziehe ich die untere Hand
weg.
Nichts passiert. Natürlich hängt die
Schachtel einfach nur da.
»Jetzt noch mal. Weshalb
schwingt der Slinky so rauf und runter?«
Die Antwort
liegt ganz klar im Slinky selbst. Die Hände, die ihn
handhaben, unterdrücken oder lösen ein Verhalten aus,
das in der Struktur der Spiralfeder steckt.
Dies ist eine
zentrale Erkenntnis der Systemtheorie.
Sobald wir den
Zusammenhang zwischen Struktur und Verhalten erkennen, fangen wir
an zu verstehen, wie Systeme funktionieren, woran es liegt, wenn
sie nicht das leisten, was man erwartet, und wie man ihr
Verhaltensmuster verbessern kann. In einer Zeit, in der unsere
Welt sich weiterhin rasch verändert und immer komplexer
wird, kann systemisches Denken uns helfen, damit umzugehen, uns
anzupassen und die ganze Fülle unserer Möglichkeiten zu
erfassen. Es ist eine Denkweise, die uns die Freiheit gibt, die
Grundursachen von Problemen zu identifizieren und neue Chancen zu
erkennen.
Was also ist ein System? Ein System ist eine
Ansammlung von Dingen Menschen, Zellen, Molekülen oder sonst
etwas – die so miteinander verknüpft sind, dass sie
ein für dieses System charakteristisches Zeitverhalten
hervorbringen. Das System kann von äußeren
Einwirkungen hin und her geworfen, in seinem Verhalten
eingeschränkt, erregt oder angetrieben werden. Aber jedes
System reagiert auf diese Einwirkungen auf seine eigene
charakteristische Art und Weise, und in der Realität ist
diese Reaktion selten von einfacher Art.
Was Slinkys
betrifft, ist dieser Gedanke leicht nachzuvollziehen. Im
Zusammenhang mit Individuen, Unternehmen, Städten oder
Volkswirtschaften kann er aber schon fast ketzerisch sein. Das
System verursacht weitgehend sein eigenes Verhalten! Ein äußeres
Ereignis mag dieses Verhalten zwar auslösen, aber das
gleiche Ereignis wird bei einem anderen System wahrscheinlich zu
einem anderen Ergebnis führen. Stellen Sie sich doch mal
vor, was das bedeutet:
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Es sind
nicht die Politiker, die Rezessionen und Wirtschaftsaufschwünge
verursachen. Auf- und Abschwünge sind strukturbedingte
Eigenheiten der Marktwirtschaft.
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Meist
sind nicht die Wettbewerber Schuld, wenn ein Unternehmen
Marktanteile verliert. Sie werden zwar einen Vorteil ausnutzen,
aber die Firmenpolltik des bedrängten Unternehmens ist
zumindest teilweise für seine Verluste selbst
verantwortlich.
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Die
Erdöl exportierenden Staaten sind nicht alleine für
ansteigende Ölpreise verantwortlich. Ihr Verhalten allein
könnte keine weltweiten Preisanstiege und kein
wirtschaftliches Chaos verursachen, wenn sich die Erdöl
importierenden Länder durch ihren Ölverbrauch, die
Preisentwicklung und Investitionspolitik nicht Volkswirtschaften
geschaffen hätten, die anfällig für
Versorgungsengpässe und Lieferstopps sind.
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Der
Grippevirus greift Sie nicht an, sondern Sie selbst schaffen die
Bedingungen, dass er in Ihrem Körper gedeihen kann.
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Drogensucht
ist kein individuelles Versagen, und kein Mensch, sei er oder sie
noch so ausdauernd, noch so fürsorglich, kann einen
Drogensüchtigen heilen - nicht einmal der Süchtige sich
selbst. Erst wenn man Sucht im Zusammenhang mit vielen Einflüssen
und sozialen Problemen begreift, kann man ihr wirkungsvoll
begegnen.
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Einerseits
verstören solche Aussagen zutiefst. Andererseits äußert
sich in ihnen nichts als gesunder Menschenverstand. Ich behaupte,
dass diese zwei Seiten – das Erkennen von Systemprinzipien
und der Widerstand gegen diese Erkenntnis – von zwei Arten
menschlicher Erfahrungen herrühren, die beide jedem vertraut
sind.
Einerseits hat man uns beigebracht, analytisch zu
denken, unseren Verstand zu benutzen, um die Pfade von einer
Ursache bis zu ihrer Wirkung zu verfolgen, die Realität in
kleinen und überschaubaren Ausschnitten zu betrachten und
Probleme zu lösen, indem wir in die Welt um uns herum
eingreifen oder versuchen, sie zu steuern. Diese antrainierte
Einstellung, Quelle großer persönlicher und
gesellschaftlicher Macht, führt dazu, dass wir Präsidenten
und Wettbewerber am Markt, die OPEC und die Grippe und Drogen für
die Ursachen unserer Probleme halten.
Andererseits haben
wir uns alle schon mit komplexen Systemen auseinandergesetzt,
noch lange bevor man uns rationales Denken beigebracht hat. Wir
selbst sind komplexe Systeme – unser eigener Körper
ist ein großartiges Beispiel für ganzheitliche,
vernetzte, sich selbst erhaltende Komplexität. Jede Person,
der wir begegnen, jede Organisation, jedes Tier, jeder Garten,
Baum und Wald ist ein komplexes System. Wir haben uns intuitiv,
ohne Analyse, oft ohne Worte, ein praktisches Verständnis
dafür geschaffen, wie diese Systeme funktionieren und wie
wir mit ihnen umgehen sollten.
Die moderne Systemtheorie,
verfangen in Computern und Gleichungen, blendet oft die Tatsache
aus, dass sie mit Erkenntnissen handelt, die zu einem bestimmten
Grad jedem vertraut sind. Daher kann man den Systemjargon oft in
altbekanntes sprichwörtliches Wissen übersetzen.
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Wegen
der Rückkopplungsverzögerungen in komplexen Systemen
ist manchmal ein Problem kaum noch auf einfache Weise lösbar,
wenn es endlich erkannt wird. »A
stitch in time saves nine« (»Ein rechtzeitiger
Nadelstich erspart neun spätere«).
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Belohnt
eine selbst verstärkende Rückkopplungsschleife einen
Wettbewerbsgewinner mit Mitteln, um weitere Wettbewerbe zu
gewinnen, so folgt nach dem Konkurrenzausschlussprinzip, dass im
Ergebnis fast alle Wettbewerber ausgeschaltet werden. Denn
wer da hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, von dem wird man
nehmen, auch was er hat (Markus 4:25). oder Die
Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.
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Ein
vielfältiges System mit einer Vielzahl von Verknüpfungen
und Redundanzen ist stabiler und weniger anfällig für
äußere Erschütterungen als ein einförmiges
System mit wenig Vielfalt. Setz' nicht
alles auf eine Karte.
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Seit
der industriellen Revolution hat die westliche Gesellschaft aus
Wissenschaft, Logik und Reduktionismus mehr Nutzen gezogen als
aus Intuition und Ganzheitsdenken. Psychologisch und politisch
würden wir viel lieber annehmen, dass die Ursache für
ein Problem irgendwo »da draußen« liegt und
nicht »hier drinnen«. Wir können nur schwer der
Versuchung widerstehen, etwas oder jemand anderem die Schuld für
etwas zu geben, Verantwortung von uns wegzuschieben und den
Kontrollknopf, das Produkt, die Pille, die technische Lösung
zu suchen, die ein Problem verschwinden lassen
könnte.
Schwierige Probleme sind durch Entwicklung
neuer Hilfsmittel gelöst worden: bei der Pockenimpfung, beim
Ankurbeln der Nahrungsmittelproduktion, beim Transport großer
Massen oder vieler Menschen mit großer Geschwindigkeit über
weite Strecken. Weil die Probleme aber in größere
Systeme eingebettet sind, haben einige unserer »Problemlösungen«
weitere Probleme geschaffen. Und einige Probleme, nämlich
gerade die, die am tiefsten in der inneren Struktur komplexer
Systeme verankert sind, also die realen Schlamassel, wollen
einfach nicht verschwinden.
Hunger, Armut,
Umweltzerstörung, wirtschaftliche Instabilität,
Arbeitslosigkeit, chronische Erkrankungen, Drogensucht und Krieg
beispielsweise bestehen weiterhin trotz aller analytischen
Kompetenz und technischen Brillanz, die auf ihre Ausmerzung
gerichtet worden ist. Niemand erschafft bewusst diese Probleme,
niemand will, dass sie weiter bestehen, aber sie tun es trotzdem.
Das kommt, weil sie wesenhaft Systemprobleme sind –
unerwünschte Verhaltensweisen, die charakteristisch sind für
die Strukturen, die sie hervorbringen. Sie werden nur dann
verschwinden, wenn wir uns wieder auf unsere Intuition besinnen,
mit den Schuldzuweisungen aufhören, das System als Quelle
seiner eigenen Probleme erkennen und den Mut und die Weisheit
finden, es neu zu gestalten.
Naheliegend. Dennoch
revolutionär. Eine veraltete Sichtweise. Aber doch irgendwie
neu. Tröstlich, weil die Lösungen in unseren Händen
liegen. Verwirrend, weil wir Vieles ganz anders tun müssen
oder zumindest auf andere Weise betrachten und darüber
nachdenken müssen.
Dieses Buch handelt von dieser
ganz anderen Betrachtungs- und Denkweise. Es richtet sich an
Menschen, die vielleicht vor dem Wort »Systeme« und
dem Gebiet der Systemanalyse zurückschrecken, selbst wenn
sie schon ihr Leben lang systemisch denken. Ich bemühe mich
um eine allgemeinverständliche Darstellung, weil ich zeigen
will, wie weit man im Systemverständnis kommen kann, ohne
auf Mathematik oder Computer zurückzugreifen.
In
diesem Buch habe ich reichlichen Gebrauch von Strukturbildern und
Zeitdiagrammen gemacht, weil Systeme kaum allein mit Worten zu
erklären sind. Wörter und Sätze müssen
notwendigerweise eins nach dem anderen in linearer, logischer
Folge vorgebracht werden. In Systemen passiert ganz viel auf
einmal. Sie sind intern nicht nur in einer Richtung, sondern in
vielen Richtungen gleichzeitig vernetzt. Um sie angemessen zu
diskutieren, muss man versuchen, eine Sprache zu finden, die mit
den betrachteten Phänomenen einige Eigenschaften gemeinsam
hat.
Bilder sind für diese Sprache besser geeignet
als Worte, weil man alle Teile eines Bildes gleichzeitig
betrachten kann. Ich werde Systembilder schrittweise aufbauen und
dabei mit den ganz einfachen anfangen. Ich glaube, dass es Ihnen
nicht schwerfallen wird, diese grafische Sprache zu
verstehen.
Ich beginne mit den Grundlagen: mit der
Definition eines Systems und dem Zerlegen in seine Bestandteile
(auf eine reduktionistische, nicht ganzheitliche Art). Dann füge
ich die Teile wieder zusammen, um ihre Verknüpfungen zu
zeigen, aus denen die elementare Funktionseinheit eines Systems
entsteht: die Rückkopplungsschleife.
Als nächstes
werde ich Sie mit einem Systemzoo bekannt machen – der
Ansammlung einiger verbreiteter und interessanter Systemtypen.
Sie werden sehen, wie einige dieser Geschöpfe sich verhalten
und warum und wo sie zu finden sind. Sie werden sie
wiedererkennen; sie finden sich überall um Sie herum und
sogar in Ihnen.
Grundlage der weiteren Betrachtungen
werden beispielhaft einige »Tiere« dieses Zoos sein.
An ihnen werde ich erklären, wie und warum Systeme so
beeindruckend funktionieren und warum sie uns so häufig
verblüffen und verwirren. Ich werde erklären, warum
jeder und alles in einem System sich pflichtbewusst und
vernünftig verhalten kann und all diese gut gemeinten
Verhaltensweisen zusammen allzu oft dennoch mit einem ganz
schlimmen Ergebnis enden. Und warum manches oft viel schneller
oder viel langsamer abläuft, als alle erwarten. Und warum
Sie manchmal enttäuscht feststellen müssen, dass Ihr
Eingriff auf einmal nichts mehr bewirkt, obwohl er bisher immer
Erfolg hatte. Und warum ein System vielleicht plötzlich und
ohne Vorwarnung in einen Verhaltensmodus springt, den Sie an ihm
noch nie zuvor beobachtet haben.
Diese Erörterung
führt uns zur Betrachtung verbreiteter Probleme, auf die die
Systemdenkergemeinde bei ihrer Arbeit in Unternehmen und
Regierungen, Volkswirtschaften und Ökosystemen, in
Physiologie und Psychologie immer wieder gestoßen ist. »Da
ist wieder so eine Allmendeproblematik«, hören wir uns
sagen, während wir ein Vergabesystem zur Wasserversorgung
eines Gemeindeverbunds untersuchen oder die Verteilung von
Finanzmitteln unter den Schulen eines Landkreises. Oder wir
identifizieren »Zielerosion« beim Studium von
Geschäftsordnungen und unternehmerischen Anreizinstrumenten,
die die Entwicklung neuer Technologien fördern oder
behindern. Oder wir erkennen »Änderungswiderstand«,
wenn wir Machtstrukturen der Entscheidungsfindung untersuchen
oder Beziehungen in einer Familie, einer Kommune oder einem Land.
Oder wir werden Zeugen von »Suchtverhalten« –
das durch sehr viel mehr als nur durch Koffein, Alkohol, Nikotin
oder Betäubungsmittel ausgelöst werden kann.
Diese
überall zu findenden Strukturen, die charakteristische
Verhaltensweisen zeigen, nennen systemische Denker »Archetypen«.
Bei der Konzeption dieses Buches nannte ich sie anfangs
»Systemfallen«. Dann fügte ich »und
Chancen« hinzu, weil diese Archetypen, die für einige
der am schwersten wieder gutzumachenden und potenziell
gefährlichsten Probleme verantwortlich sind, mit ein wenig
Systemverständnis auch so verändert werden können,
dass sie weitaus günstigeres Verhalten zeigen.
Von
diesem Verständnis ausgehend, komme ich zu dem, was Sie und
ich zur Neustrukturierung der Systeme, in denen wir leben, tun
können. Wir können lernen, die Eingriffspunkte für
erfolgreiche Veränderungen zu finden.
Ich schließe
das Buch ab mit den wichtigsten Lehrsätzen, die auf dem
gemeinsamen Erfahrungsschatz der meisten mir bekannten
systemischen Denker gründen. Der Anhang schließlich
bietet allen, die dem systemischen Denken weiter auf den Grund
gehen wollen, dazu die Möglichkeit: mit einem Glossar, einem
Literaturverzeichnis, einer Auflistung von Systemprinzipien sowie
den Gleichungen zu den in Teil eins beschriebenen Modellen.
Als
unsere kleine Forschungsgruppe vor Jahren aus dem MIT ins
Dartmouth College umzog, beobachtete uns einer der Professoren
der Ingenieurwissenschaften eine Zeit lang in Seminaren und kam
dann auf einen Kaffee in unsere Büroräume. »Ihr
Leute seid irgendwie anders«, sagte er. »Ihr stellt
andere Fragen. Ihr seht Dinge, die ich nicht sehe. Irgendwie geht
ihr die Welt anders an. Wie? Warum?«
Das ist es, was
ich in diesem Buch zu vermitteln hoffe, insbesondere aber auch
die Konsequenzen daraus. Ich glaube nicht, dass die systemische
Sichtweise besser ist als die reduktionistische. Ich meine, dass
sie eine Ergänzung darstellt und dadurch zu neuen Einsichten
führt. Einige Dinge lassen sich durch die Linse des
menschlichen Auges betrachten, andere durch die eines Mikroskops,
andere durch die eines Teleskops und wieder andere durch die
Linse der Systembetrachtung. Alles, was man durch jede dieser
Linsen erkennen kann, ist tatsächlich vorhanden. Jede
Sichtweise trägt etwas bei zur Vervollständigung
unseres Wissens über die wundersame Welt, in der wir leben.
In einer Zeit, in der die Welt sich uns als immer größeres
Durcheinander zeigt, chaotischer, überfüllter,
vernetzter, in größere interne Abhängigkeiten
verstrickt und rascher veränderlich ist als je zuvor, gilt:
je mehr Sichtweisen, desto besser. Die Linse der
Systembetrachtung ermöglicht eine Rückbesinnung auf
unser ganzheitliches Gespür für Systeme und erlaubt uns
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Systemkomponenten
und ihre Rolle im Gesamtsystern besser zu verstehen,
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Verknüpfungen
zu erkennen,
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»Was
wäre, wenn ... «-Fragen zu möglichen zukünftigen
Verhaltensweisen zu stellen und
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die
Neugestaltung von Systemen kreativ und mutig anzugehen.
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Dann
können unsere Erkenntnisse dazu führen, dass wir bei
uns selbst und in unserer Welt etwas bewegen.
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Ein
Beispiel aus dem Kapitel Systemfallen… und
Entwicklungschancen
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Die
Falle: Erfolg den Erfolgreichen Die systematische
Belohnung von Wettbewerbsgewinnern mit Mitteln, die ihnen weitere
Gewinne ermöglichen, erzeugt eine selbstverstärkende
Rückkopplung. Wenn diese nicht unterbrochen wird, übernehmen
die Gewinner irgendwann alles, während die Verlierer ganz
verschwinden.
Der
Ausweg Diversifizierung, die allen Verlierern im
Wettbewerb erlaubt, aus dem Spiel auszusteigen und ein neues zu
beginnen; strikte Begrenzung des Anteils, den ein einzelner
Gewinner erhalten darf (Kartellgesetze); Maßnahmen, die das
Spiel gerechter machen, indem sie einige Vorteile der stärksten
Spieler beseitigen oder den schwächsten Spielern Vorteile
verschaffen; Spielstrategien, die Erfolg belohnen, ohne die
nächste Wettbewerbsrunde zu verzerren.
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