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Arne Næss
Die Zukunft in unseren Händen

Eine tiefenökologische Philosophie


Wuppertal 2013 (Hammer Verlag) 360 Seiten; ISBN 978-3-7795-0376-7


Herausgegeben von David Rothenberg
Die Originalausgabe erschien 1989 unter dem Titel Ecology, community and lifestyle in England




An ökologischem Wissen fehlt es uns nicht. An Ökosophie schon.
Der Klassiker der Tiefenökologie des berühmten norwegischen Philosophen endlich auch in deutscher Sprache.




Schon in den 1970er Jahren sah der norwegische Philosoph Arne Næss die Welt auf eine ökologische Katastrophe zusteuern und war darüber tief besorgt. Obwohl er die konventionelle Ökologie mit ihren konkreten reformerischen Anstrengungen hoch schätzte und immer unterstützte, war Næss doch der Überzeugung, dass es für die Rettung von Mensch und Natur mehr bedarf als das Reparieren der entstandenen Schäden. So gab er nach 30 Jahren seinen Lehrstuhl in Oslo auf und widmete sich der Begründung einer tiefenökologischen Philosophie. Die Gestaltung einer nachhaltigen Welt ist der Tiefenökologie zufolge nicht nur eine Frage der umweltfreundlichen Technik und Ökonomie, sondern eine der Lebens- und Weltanschauung. Sie strebt keinen hohen Lebensstandard, sondern eine menschenwürdige Lebensqualität an. Das schließt eine Ausdehnung der Fürsorge für andere Menschen und die nichtmenschliche Natur ein. Eine solche, tief empfundene ganzheitliche Sicht jedes Einzelnen bringt eine ökologische Klugheit hervor, die ganz unvermeidlich in Normen und Regeln und in politisches Handeln mündet und Verantwortung auch für künftige Generationen übernimmt. (Verlagsankündigung)


Arne Næss


geboren 1912 in Slemdal bei Oslo, gestorben 2009, war ein norwegischer Philosoph, der durch seine Lehrbücher in Logik, Methodologie und Philosophiegeschichte dazu beitrug, der Philosophie eine Schlüsselstellung im akademischen und intellektuellen Leben im Norwegen der Nachkriegszeit zu geben. Er wird zu den Begründern der Tiefenökologie („Deep Ecology“) und der so genannten Oslo-Schule gezählt.


Inhaltsverzeichnis


Einleitung von David Rothenberg
Ökosophie T: von der Anschauung zum System



1. Fangen wir mit der Anschauung an
2. Interpretation und Präzisierung in Næss‘ Philosophie
3. Begriffserklärungen
4.Wohin mit der Tiefenökologie?






1. Die Umweltkrise und die tiefenökologische Bewegung



1. Der Ernst der Lage
2. Produktion und Verbrauch: Ideologie und Praxis
3. Unser ökologisches Wissen ist sehr begrenzt; ökopolitische Folgen des Nicht-Wissens
4. Die Tiefenökologie
5. Grundelemente einer tiefenökologischen Programmatik
6. Wie im Folgenden die Tiefenökologie dargestellt wird






2. Von der Ökologie zur Ökosophie



1. Die Begriffe Ökologie, Ökophilosophie, Ökosophie
2. Normative Werte
3. Objektive, subjektive und phänomenologische Naturbeschreibungen
4. Primäre, sekundäre und tertiäre Eigenschaften: Kommen sie in der Natur wirklich vor?
5. Die protagoreische Theorie des „Sowohl-als-auch“
6. Gestalten und Gestaltdenken
7. Gefühl, Wert und Wirklichkeit
8. Vom Gefühl zur Bewertung






3. Tatsache und Wert: Grundnormen



1. Die eigenen Werte entschlossen vertreten
2. Totale Systeme: Systemmodelle in Pyramidenform
3. Ökologisches Systemdenken
4. Die Suche nach höchsten Zielen: Vergnügen, Glück oder Vollkommenheit?
5. SELBST-Verwirklichung: ein Grundwert und ein höchstes Ziel






4. Ökosophie, Technik und Lebensführung



1. Ökosophisches Bewusstsein und Lebensführung
2. Ökosophisch leben – wie wir uns gegenseitig dabei helfen können: „Die Zukunft in unseren Händn“
3. Was ein Mentalitätswandel bewirken könnte
4. Technik und Lebensführung






5. Ökosophie und Ökonomie



1. Die Wirtschaft und der Blick aufs große Ganze
2. Die Vernachlässigung der Ökonomie durch die tiefenökologische Bewegung
3. „Vom rein ökonomischen Standpunkt aus betrachtet…“
4. Ein wirtschaftspolitisches Systemfragment
5. Das Bruttoinlandsprodukt
6. Die Überschätzung des BNP in den Industriegesellschaften
7. Grundbegriffe der ökonomischen Wohlfahrtstheorie
8. Was ist das: Lebensqualität? Einige Tiefeninterviews
9. Der Schattenpreis der Natur
10. Resümee






6. Ökosophie und Umweltpolitik



1. Die Umweltbewegung kommt an der Politik nicht vorbei
2. Die drei Pole des politischen Dreiecks: die Schwarzen, die Roten und die Grünen – und wo die Dreiecksanalyse an ihre Grenzen stößt
3. Eine Liste ökopolitischer Themen und ihre Implikationen
4. Und noch einmal: die Kernbereiche der Ökopolitik – Umweltverschmutzung, Ressourcen und Bevölkerungspolitik
5. Lokale und globale Strukturen stärken
6. Direkte Maßnahmen – Gandhis Prinzip der Gewaltlosigkeit
7. Reiche und arme Länder: statt Ausbeutung gegenseitige Hilfe
8. Die Tiefenökologie und Die Grenzen des Wachstums
9. Sind grüne politische Parteien wünschenswert
10. Die tiefenökologische Bewegung und die großen politischen Fragen
11. Bürokratie
12. Tiefenökologie und Friedensbewegung
13. Die grüne Programmatik von Tag zu Tag
14. Schlussbemerkung






7. Die Ökosophie T: Einheit und Vielfalt des Lebens



1. Das universelle Recht auf Selbstentfaltung und der intrinsische Wert aller Lebensformen
2. Identifizierung, Eins-Sein, Ganzheit und SELBST-Verwirklichung
3. Grausamkeit in der Natur: das leben – eine Tragödie oder doch eher eine Komödie?
4. Eine historische Perspektive (I): die Bibel
5. Eine historische Perspektive (II): von Plotin zu Descartes
6. Unsere Selbstachtung verdankt sich nicht allein unserer Bedeutung: Auch die Milchstraße flößt Respekt ein
7. Gewaltlosigkeit und die Philosophie der Einheit
8. Systematisierung der zentralen Normen und Hypothesen der Ökosophie T
9. Die Zukunft der Tiefenökologischen Bewegung






Bibliografie


Zitate


Aus der Einleitung (von David Rothenberg): Ökosophie T (S.18 f)






Wenn Menschen als Gruppe gemeinsam auf einen Wandel hinarbeiten, muss man zu einer Form der Übereinstimmung kommen, doch sollten die unterschiedlichen Sichtweisen und Methoden, die sie zur Übereinstimmung gelangen lassen, in der Einheit nicht verloren gehen. Die Umweltbewegung wird am stärksten sein, wenn sie beweisen kann, dass ihre konzisen Grundsätze aus einer Vielzahl von Weltanschauungen und Milieus hergeleitet werden können. Je mehr philosophische, religiöse und wissenschaftliche Fakten gefunden werden können, um die normativen Werte des Umweltschutzes zu stützen, desto bedeutender und universeller wird die Bewegung sein.

Die philosophische Seite der Ökophilosophie widmet sich den jeweiligen Weltanschauungen, durch die ganz unterschiedliche Personen zu einer Art tiefenökologischem Grundsatzprogramm gelangen. Næss nennt diesen Prozess logischen Denkens Ökosophie, wenn er zu einer philosophischen Sprache findet.

Ein Gutteil dieses Buches dient der Vorstellung von Næss‘ eigenem Argumentationssystem, aus dem das Grundsatzprogramm hervorging, der Ökosophie T. Die Bezeichnung T soll für den Namen seiner Berghütte Tvergastein („wo man die Felsen überquert“) stehen, aber wichtiger ist der persönliche Charakter des Begriffs, verweist dieser doch darauf, dass es noch viele weitere Ökosophien (A, B, C ...) geben mag und jeder von uns eine für sich selbst entwickeln könnte. Auch wenn man von uns erwartet, dass wir Næss‘ Schlussfolgerungen mehr oder weniger zustimmen, ist es doch nicht unbedingt erforderlich, dass wir seine speziellen Argumentationsketten akzeptieren. Viel wichtiger, als mit Næss‘ einzelnen Schritten und den Rechtfertigungen seines Vorgehens übereinzustimmen, ist, dass wir seine Schlussfolgerungen durch uns vertrautes Fühlen und Denken nachvollziehen. Næss geht es nicht so sehr um ein alles erklärendes System, als uns anzuleiten, unsere eigenen Systeme mit unseren eigenen Methoden zu entwickeln; unvollständig vielleicht, aber von solcher Dringlichkeit, um selbst ähnliche Schlüsse zu ziehen, die begründet und wirklichkeitsnah sind – und darum ist nicht die unwichtigste Folgerung, dass der Wandel jetzt auf der Stelle einsetzen muss.









Grundelemente einer tiefenökologischen Programmatik (S. 54 f)






(1) Die Entfaltung menschlichen und nicht-menschlichen Lebens auf der Erde ist ein Wert an sich. Dabei ist der Wert der nicht-menschlichen Lebensformen völlig unberührt von der Frage, welche Vorteile sie dem Menschen jeweils verschaffen.

(2) Die Vielfalt der Lebensformen ist ein Wert an sich. Erst diese Vielfalt ermöglicht eine gedeihliche Entwicklung des menschlichen und des nicht-menschlichen Lebens auf diesem Planeten.

(3) Der Mensch hat kein Recht, diese Vielfalt zu zerstören, es sei denn, dass ihn ein elementares Bedürfnis oder eine existentielle Notlage dazu zwingen.

(4) Die heutigen Eingriffe des Menschen in den Naturhaushalt sind deshalb – gemessen an diesen Standards – drastisch überzogen und ursächlich für die rasante Zerstörung des globalen Ökosystems.

(5) Auch bei einer deutlichen Abnahme der Weltbevölkerung könnte sich die Menschheit weiterhin aller wünschenswerten zivilisatorischen und kulturellen Errungenschaften erfreuen. Tatsächlich ist ein solcher Bevölkerungsrückgang sogar dringend geboten, damit auch die übrigen Lebensformen sich weiterhin angemessen entfalten können.

(6) Um diese bedrohliche Situation positiv zu verändern, bedarf es einer neuen Politik, die dem von unserem konsum- und profitorientierten Wirtschaftssystem begünstigten Raubbau an der Natur Einhalt gebietet.

(7) Auf der ideologischen Ebene gilt es die Weichen so zu stellen, dass eine (durch intrinsische Werte definierte) Lebensqualität mehr gilt als ein lediglich auf Konsum basierender hoher Lebensstandard.

(8) Wer die Berechtigung der vorstehenden sieben Forderungen anerkennt, geht zugleich damit direkt oder indirekt die Verpflichtung ein, sich auch persönlich für die Durchsetzung der notwendigen Veränderungen einzusetzen.





Siehe auch:


www.tiefenoekologie.de > Arne Naess (Interview)