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Die (Un-)Ordnung
unserer globalisierten, auf Egoismen beruhenden Welt führt
zu immer mehr Ressourcenverbrauch und treibt ungebremst den
Klimawandel voran, kann aber für viele Menschen weder
Nahrung noch Wasser, Bildung, Gesundheit oder Frieden
garantieren. Pierre Ibisch und Jörg Sommer analysieren die
globalen Probleme ebenso wie die oft naiven Vorschläge zu
ihrer Überwindung. Sie setzen dem alten Denken, das die
Krise verursacht, ihre im positiven Sinne radikale Philosophie
des Ökohumanismus entgegen. Sie plädieren dafür,
unser Denken zu erden: Von der Natur ausgehend zum Menschen hin.
Ihr leidenschaftliches und Mut machendes Manifest verknüpft
die Akzeptanz der planetaren Grenzen mit dem Ziel einer gerechten
Welt – und rückt den Menschen und seine Stärken
in den Mittelpunkt der Debatte um die Ökologie und unsere
Zukunft.
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Leseprobe
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Unser
Denken vom Kopf auf die Füße stellen
So
wie bisher kann es nicht weitergehen.
Eine Verlängerung
der Gegenwart hat keine Zukunft mehr. Unsere globalisierte,
rücksichtslose, auf Organisation von Ungleichheit basierte
Welt funktioniert nicht mehr. Sie verbraucht immer mehr
unersetzliche Ressourcen. Sie treibt ungebremst die Klimakrise
voran. Sie kann für die meisten Menschen der Welt weder
Nahrung noch Wasser, Bildung, Gesundheit oder Frieden
gewährleisten.
Wir suchen nach Lösungen.
Lösungen,
die ein Gutes Leben ohne Mangel und Überfluss möglich
machen. Doch diese Lösungen werden wir nicht finden, wenn
wir in alten Ideologien verharren. Das Denken, das für die
Probleme verantwortlich ist, kann keine Lösungen
finden.
Wir brauchen einen neuen Ansatz, der die
planetaren Grenzen akzeptiert und zugleich das Wohl der Menschen
in den Mittelpunkt stellt.
Beides gehört
zusammen.
Keines dieser beiden Prinzipien ist aktuell
Maßstab des Handelns in Wirtschaft und Gesellschaft. Doch
ohne ihre konsequente Anwendung ist Zukunft nicht denkbar. Es
geht dabei nicht um etwas mehr Ökologie oder Gerechtigkeit.
Es geht auch nicht um das neuerdings viel beschworene
Gleichgewicht zwischen Ökonomie und Ökologie. Das wird
nicht reichen. Wir werden mit diesen alten Vorstellungen
vollständig brechen müssen.
Unser Denken muss
vom Kopf auf die Füße gestellt werden, ja, es muss im
wahrsten Sinne des Wortes geerdet werden. Geerdetes Denken
wurzelt im Ökosystem. Es beginnt in der Natur und richtet
sich auf den Menschen aus. Hieraus ergibt sich die neue
Denkrichtung: die Natur als Ausgangspunkt, die Menschen als Ziel.
Sie stellt den Glauben an den Menschen und seine Befähigung
zu gutem Handeln in den Mittelpunkt. Sie vereinbart die Idee der
Großartigkeit des Menschseins mit dem gebührenden
Respekt vor den menschlichen Schwächen und der tatsächlichen
Rolle von uns Menschen in der Natur.
Dieses Geerdete
Denken greift alte humanistische Bildungsideale auf, aber
fügt sie in ein aktuelles, wissensbasiertes Weltbild ein. Es
verknüpft Ökologie und Humanismus auf einzigartig klare
Weise und ist damit Grundlage einer Philosophie des
Anthropozän.
Ihr Name: Ökohumanismus.
Eine
Bedienungsanleitung
Wer ein Buch schreibt, muss
es nicht erklären. Wer möchte, dass es gelesen wird,
schon. Beginnen wir damit, was dieses Buch nicht ist. Es ist
keine weitere Beschwörung der Apokalypse, keine
Schuldzuweisung an politisch Verantwortliche, kein Ratgeber in
nachhaltiger Lebensführung, kein Buch über Umwelt-,
Natur- oder Klimaschutz, keine Forderung nach einem neuen
Gesellschaftsvertrag.
Es ist nichts davon – und
zugleich viel mehr.
Wir wollen zum Denken verführen.
Zu einem Denken, das die Herausforderungen eines Epochenwandels
bewältigt, indem es alte Muster überwindet, die uns in
die aktuellen ökologischen und gesellschaftlichen Krisen
geführt haben. Denn so war es immer in historisch
entscheidenden Umbrüchen der Menschheitsgeschichte: Ohne
Neues Denken war kein Überwinden Alten Handelns
möglich.
Dieses Neue Denken ist noch lange nicht
mehrheitsfähig, aber unabänderlich nötig, wenn wir
als Menschheit auf diesem von uns bereits gründlich
abgewirtschafteten Planeten eine Zukunft haben wollen.
Deshalb
bieten wir unsere Verführung in drei Teilen an.
Im
ersten Teil skizzieren wir die Entwicklung von uns Menschen als
Produkt des Ökosystems Erde. Wir gehen den Fragen auf
den Grund, warum es uns gibt, wer wir sind und wie wir sind. Wir
diskutieren unsere Möglichkeiten und Grenzen. Wir legen dar,
warum wir ein neues, Geerdetes Denken brauchen, welche
Grundlagen es hat – und warum wir dafür den Begriff
des Ökohumanismus für geeignet halten.
Im
zweiten Teil beschreiben wir die Große Vergessenheit.
Sie hat die Menschheit in die aktuelle Lage gebracht, in der sie
die Grenzen des Ökosystems – trotz aller Technologie –
weiterhin nicht überwinden kann, wohl aber weite Teile
dieses Systems zerstören kann. Wir sprechen über die
neue, globale Dimension der Krisen, das Scheitern technologischer
Allmachtsutopien und letztlich über die größte
Herausforderungen allen: die Überwindung der Tragödie
des Wissens.
Abgeschlossen wird das Buch von zehn Thesen,
die Grundlagen des Ökohumanismus darstellen. Sie
hinterfragen sämtliche Grundlagen, auf denen unsere moderne,
globalisierte, rücksichtslose Art des Lebens und
Wirtschaftens basiert. wir haben an diesem Punkt bewusst Schluss
gemacht. Denn die daraus resultierenden dringenden
Veränderungsbedarfe führen zu völlig neuen
politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konzepten.
Diese aber können und sollen nicht von Einzelnen am grünen
Tisch erdacht werden, sondern können nur Ergebnis
umfassender gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse sein. wir
laden alle unsere Leser und Leserinnen dazu ein, sich an diesem
Prozess zu beteiligen – unabhängig davon, wie viele
unserer Einschätzungen sie teilen mögen.
Denn
wir teilen alle miteinander denselben Segen und Fluch: Wir leben
in einer Zeit des Umbruchs, die alles in den Schatten stellt, was
die Menschheit zuvor bewältigt hat.
(…)
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