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Götz W. Werner
Einkommen für alle

Der dm-Chef über die Machbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens


Köln 2007 (Kiepenheuer & Witsch); 224 Seiten; ISBN 978-3-462-03775-3








»Einkommen ist ein Bürgerrecht, Vollbeschäftigung eine Illusion. Also müssen wir Arbeit und Einkommen trennen«, sagt Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette »dm«, und fordert damit nichts weniger als eine radikale Umkehr nicht nur in unseren sozialen Sicherungssystemen. Denn das Versprechen, den Bürgern zu einer menschenwürdigen Sicherung ihrer Existenz zu verhelfen, hat die Politik längst gebrochen. Stattdessen werden die Empfänger von Sozialleistungen gegängelt; Götz Werner scheut sich nicht, Hartz IV als »offenen Strafvollzug« zu bezeichnen.

Es ist sinnlos, an diesen maroden Systemen mit kosmetischen Korrekturen herumzubasteln. Und so denkt Werner über die zentralen Begriffe Arbeit, Einkommen und Steuern grundsätzlich neu nach: Wir müssen uns von Denk- und Wertstrukturen verabschieden, die noch aus der Zeit des Feudalismus stammen. Arbeit und Einkommen müssen getrennt werden. Die Zukunft des Sozialstaats liegt in einem Grundeinkommen, das jedem Bürger ohne irgendwelche Voraussetzungen oder Bedingungen zusteht, das seine Existenz sichert und sein Arbeitseinkommen teilweise ersetzt. Werner ist überzeugt: Das garantierte Grundeinkommen würde unsere Gesellschaft völlig verändern. Wir wären nicht mehr zur Arbeit gezwungen – hätten aber die Freiheit, für unsere Mitmenschen sinnvoll tätig zu sein. Werner sagt auch, wer das alles bezahlen soll: wir selbst, die Bürger. Das derzeitige Steuersystem bremst unsere Produktivität und macht Arbeit unbezahlbar. Wenn wir hingegen nur noch den Konsum besteuern und das Dickicht verteilender und kontrollierender Ämter radikal lichten, dann kann Deutschland zum Steuer- und Arbeitsparadies werden. Und dass Werner kein Sonntagsredner ist, beweist er nicht zuletzt mit dem eigenen Unternehmen, das er als »soziale Skulptur« begreift und gestaltet.


Götz W. Werner


geboren 1944 in Heidelberg, machte nach der Mittleren Reife in Konstanz eine Lehre zum Drogisten. 1973 gründete er seinen ersten Laden in Karlsruhe. Heute umfasst seine Drogeriemarktkette dm europaweit rund 1500 Filialen, in denen 21000 Mitarbeiter 3,1 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Bei seiner Unternehmensführung stellt er den Menschen in den Mittelpunkt. Er ist Vorsitzender der dm-Geschäftsführung und leitet zudem als Professor das Interfakultative Institut für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe (TH).


Inhaltsverzeichnis


Vorwort






Die Drittel-Arbeitsgesellschaft



Warum uns in der totalen Fremdversorgung die Produktionsarbeit ausgeht – und die Kulturarbeit erst anfängt




Arbeit als Ausnahme




Die marode „Sockelarbeitslosigkeit“




Produktivität frisst Arbeit auf




Kurze Geschichte der Arbeitslosigkeit




Die Abschaffung des Mangels




Gesättigte Märkte




Wahre, falsche und neue Bedürfnisse




Denken wie Onkel Dagobert




Von der Selbstversorgung zur totalen Fremdversorgung




Realeinkommen und Nominaleinkommen







Einkommen als Bürgerrecht



Warum das bedingungslose Grundeinkommen die einzige Alternative zum unsinnigen „Recht auf Arbeit“ ist




Arbeit und Einkommen




Das „Recht auf Arbeit“ und der „Arbeitsmarkt“




Das Grundeinkommen als Kulturimpuls




Der Kulturwandel von alter zu neuer Arbeit




Grundeinkommen statt Antrags- und Schnüffelbürokratie




Auch für Millionäre?




Haben Sie das schon durchgerechnet?“




Grundeinkommen und Erwerbseinkommen




Niedriglohnsektor, nein danke!




Die ewige „Hängematte“




Gesundheit und Eigenverantwortung







Zutrauen veredelt den Menschen“



Warum die Unternehmenskultur von dm ganz auf Initiative und Eigenverantwortung setzt




Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter




Es war nur eine Schraube locker




Kommunikation und Interesse am Mitmenschen




Die Mitarbeitereinsatzplanung bei dm




Wertbildungsrechnung statt Kostenschraube




Der Einzelne und die Gemeinschaft




Lernen lassen statt belehren




Führung für Mündige




Strategische Planung bei dm







Ausgaben- statt Einkommensteuer



Warum die ausschließliche Besteuerung des Konsums wirtschaftlich notwendig und sozial gerecht ist




Von Heuschrecken und Honigbienen




Nomaden der Globalisierung




Geld und Gerechtigkeit




Steuern als gesellschaftliches Teilungsverhältnis




Geld, Kapital, Einkommen und Konsum




Arbeit und Kapital als schöpferische Kräfte




Ertragssteuern als Knospenfrevel




Warum Unternehmen keine Steuern zahlen




Von Menschen, Maschinen und Steuern




Fiskalischer Kolonialismus




Indirekte, direkte und gesamtwirtschaftliche Besteuerung




Konsumsteuer und bedingungsloses Grundeinkommen




Nur Konsumsteuern wären wirklich sozial gerecht






Danksagung



Weiterführende Literatur und Weblinks


Leseprobe


Wenn man etwas machen will, dann muss man es erst einmal denken können. Wenn man es dann wirklich will, findet man Wege. Und wenn man es nicht will, findet man Gründe. (S. 98)









Vorwort

Ob ich ein Träumer bin? Aber natürlich, denn jeder Unternehmer, jeder Mensch, der buchstäblich etwas unternimmt und Dinge bewegen will, träumt zuerst von seinem Ziel. Ohne Träume nimmt niemand etwas in die Hand. Niemand würde versuchen, die Realität kreativ zu gestalten und positiv zu verändern. Ohne Realträume gäbe es keine Erfinder, keine Künstler – und keine Unternehmer.

Unternehmer sind Realträumer. Auch in unserem Unternehmen haben wir aus Träumen greifbare Realitäten gemacht. Ich bin überzeugt davön, dass jeder Mensch aus sich etwas machen kann, wenn man ihm nur die Möglichkeit dazu gibt. Diese Überzeugung ist ein sehr realer Teil meiner Träume, die weit über unser Unternehmen hinausreichen.

W'as wäre, wenn es die Agentur für Arbeit in ihrer heutigen Funktion nicht mehr gäbe?

Was wäre, wenn Hartz IV abgeschafft würde?

Was ware, wenn es keine Lohn- und Einkommensteuer-Erhebungsstellen mehr und viel weniger Finanzbeamte gäbe, die zu Steuerprüfungen ausrücken?

Was wäre, wenn es außer einer Konsumsteuer einfach überhaupt keine Steuern mehr gäbe?

Und was wäre gar, wenn die Existenz eines jeden Bürgers garantiert und bedingungslos durch ein gut ausgestattetes Grundeinkommen gesichert wäre? Wenn es kein so genanntes »Prekaiat«, keine »Unterschicht« mehr gäbe?

Ich behaupte, dass wir eigentlich längst in paradiesischen Zeiten leben und auch alle daran teilhaben könnten, wenn wir den gar nicht von mir erfundenen alten Realtraum des bedingungslosen Grundeinkommens endlich in die Tat umsetzen würden.

Und ich habe noch einen Traum: Wir brauchen auch eine grundsätzliche Neuorientierung unserer Steuer- und Finanzpolitik. Wir müssen wegkommen von einer überkommenen Form der Ertrags- und Einkommensbesteuerung, deren Wurzeln noch im Feudalismus liegen. Statt aus unseren Einnahmen sollten wir unser Gemeinwesen aus unserem Konsum, unseren Ausgaben finanzieren.

So würden wir endlich aufhören, wirtschaftliche Initiativen zu ersticken, und wir würden einer Realität gerecht, in der jeder Mensch auf die Leistungen seiner Mitmenschen angewiesen ist. Der Schrecken des Finanzamts würde verblassen, das Gefühl der immer größer werdenden, von allen als ungerecht empfundenen Steuerlast würde gebannt. Die schwindenden Gefühle von Bedrohung und staatlich verordneter Ungerechtigkeit würden fast zwangsläufig neue Energien freisetzen und endlich wieder berechtigte Zuversicht auslösen.

Welche Wirkung allein dies auf das kollektive Lebensgefühl hätte und wie befeuernd sich diese Erleichterung auf die Motivation auswirken würde, kann man sich leicht vorstellen. Dennoch ist die Abschaffung der heute üblichen Steuern und damit vieler entsprechender Behörden nur die Folge meines zentralen ersten Anliegens, des bedingungslosen Grundeinkommens.

Meiner Auffassung nach ist es weit mehr als ein kleiner Schönheitsfehler im System, wenn ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung aufgrund seiner finanziellen Situation vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird. Es ist kein Schönheitsfehler, sondern ein Skandal, der Sündenfall eines längst ausgedienten Systems. Hartz IV ist in meinen Augen fast schon offener Strafvollzug in gesellschaftlicher Isolation.

Die vom Statistischen Bundesamt unlängst veröffentlichten Zahlen zur Armutsstatistik – die noch nicht einmal auf aktuellen Daten beruhen – sind alarmierend: Danach waren schon im Jahre 2004 13 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Dies entsprach etwa 10,6 Millionen Menschen! In der Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hieß es wenig überraschend weiter: »Armutsrisiken sind vor allem Arbeitslosigkeit und fehlende Bildungsabschlüsse.«

Zur Einschätzung, wie tief die Armut in die existenziellen Lebensbereiche der Menschen bereits vorgedrungen ist, mögen die folgenden Angaben der Befragten dienen: 14 Prozent der Menschen aus den gefährdeten Haushalten gaben an, im Winter aus Kostengründen an der Heizung zu sparen. Ein Fünftel der Befragten spart sich gar den Arztbesuch, da sie sich Praxisgebühren und Zuzahlungen nicht leisten können. Angesichts solcher Zustände noch von sozialer Mindestabsicherung durch Hartz IV zu sprechen, mutet fast wie Hohn an.

Erst recht ein von mir gefordertes Kulturminimum muss für solche Menschen unerreichbar erscheinen. Denn es liegt auf der Hand, dass Menschen, die zu Hause die Heizung runterdrehen und ihre Bronchitis nicht auskurieren, wohl kaum eine seriöse Tageszeitung abonnieren, geschweige denn wenigstens ab und zu einmal ins Museum oder Kino gehen. Diesen Menschen ist damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt. In letzter Konsequenz wird es ihnen unmöglich gemacht, ein Leben in Freiheit und Würde zu führen.

Wenn wir uns einmal frei machen von dem ewig relativierenden Denken, das uns umgibt, von pragmatisch klingenden Beschwichtigungen, von »Ja, aber«-Gerede und vom Ducken unter angebliche Sachzwänge, dann drängt sich eine bittere Diagnose auf: Die im Grundgesetz verankerte Gleichheit und Freiheit aller steht nur auf dem Papier. In Zeiten der Fremdversorgung aber – den wer versorgt sich heute noch selbst mit allem Lebensnotwendigen, zum Beispiel auf dem eigenen Bauernhof? – müssen nicht nur die Freiheit der Person und die Gleichheit aller vor dem Gesetz garantiert werden. Es reicht bei weitem nicht mehr aus, lediglich die Würde des Einzelnen zu schützen, der in der totalen Fremdversorgung nicht die geringste Chance hat, ohne Teilhabe am gesellschaftlichen Leben autonom zu existieren.

Schon um der Wahrung des inneren Friedens willen müssen wir einen Schritt weitergehen und die Möglichkeit zur Teilnahme an der Gesellschaft als Recht eines jeden im Grundgesetz verankern. Nur so garantieren wir Würde und Freiheit jedes Bürgers, die unsere Verfassung zwar fordern, die aber in der Realität nicht vollständig eingelöst werden. Die Möglichkeit zur Teilnahme kann am besten garantiert werden durch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das Recht darauf gehört ins Grundgesetz.

In ideeller Konsequenz weitergedacht, beinhaltet das Recht auf ein Grundeinkommen den Zugang aller zu den Lebensgrundlagen. Dieser kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn wir endlich begreifen, dass auch Steuern und Abgaben nichts als der Ausdruck eines Teilungsprinzips sind, das soziale Gerechtigkeit erst ermöglicht. Das wäre nichts anderes als eine fiskalische »Übersetzung« des alten Ideals der Brüderlichkeit. Dies mag angesichts eines abgewirtschafteten Wohlfahrtsstaates unzeitgemäß oder gar naiv klingen. De facto aber ist in einer Demokratie Gerechtigkeit ohne das Tätigsein aller für alle nicht denkbar. Noch dazu würde die viel zu selten gestellte normative Frage, ob wir wirklich billigen wollen, was Hartz IV mit den Menschen anrichtet, endlich mit einem klaren Nein beantwortet.

Praktizierte Brüderlichkeit und Teilhabe sind nichts anderes als die Konsequenz einer neuen Ethik. Diese Ethik fußt auf kostbaren Werten, deren Pflege jedoch des an- und ausdauernden Engagements bedarf. Keineswegs sind die Wohltaten eines bedingungslosen Grundeinkommens das Tor zu einem Schlaraffenland, das der klassischen Breughel‘schen Szenerie entsprechen würde, in der (anno 1567!) dicken Bauern und Handwerkern, die auf der faulen Haut liegen, die gebratenen Täubchen direkt in den Mund fliegen.

Die neue Ethik des Grundeinkommens lautet kurz und bündig: Du bekommst ein Grundeinkommen und hast damit die Möglichkeit, ja die Bringschuld, deine Talente in der Gesellschaft wirksam werden zu lassen. Zeig, was du kannst!

Der große Nachteil in der gegenwärtigen Arbeitswelt ist ja, dass viele Menschen einen Arbeitsplatz zumeist nur als Einkommensplatz suchen und sich nicht eher zu bewegen beginnen, bis alles vorab geklärt und abgesichert ist. Ein unternehmerischer Mensch aber wartet nicht, bis ihn jemand anstellt. Er hat eine Idee und fängt an. Denn ein Unternehmer ist eben Realträumer, er muss wagen und riskieren. Gerade weil er sich nicht »von außen« zur Arbeit verpflichtet fühlt, kann er initiativ werden.

Diese viel kreativere, lebendigere Haltung wäre mit dem Grundeinkommen auch für diejenigen greifbar und möglich, die sich heute noch um ihre Grundsicherung sorgen müssen und deshalb oft in Passivität verharren. Wir alle könnten stattdessen mit dem Grundeinkommen »Lebensunternehmer«, neudeutsch »Freelancer«, sein. Diejenigen, die sich nicht von einem Arbeitnehmer zu einem Unternehmer entwickeln, die nicht unternehmerisch denken wollen, werden nur ein bescheidenes Maß an Freiheit für sich nutzen und ihre Ziele in Sichtweite stecken. Das ist ihr gutes Recht. Sie beziehen ihr Grundeinkommen und stocken dies mit einem mäßig anspruchsvollen Beruf auf. Damit können sie zufrieden sein – ohne ständige Angst um den Arbeitsplatz.

Die Entwicklungsmöglichkeiten durch ein Grundeinkommen sind noch gar nicht in Gänze zu überblicken. Gewiss aber ist, dass mehr geleistet würde und damit mehr verteilt werden könnte. Der Kuchen würde größer! Und das Geld würde sinnvoller genutzt. Deutschland würde zum Investitions- und Arbeitsplatzparadies; Furcht vor »Heuschrecken«-Invasionen verflöge. Die Vänderungen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen in Verbindung mit einer grundsätzlichen Steuerreform und der Abschaffung der Verteilungsbürokratie würden in alle Lebensbereiche hineinreichen. Was dadurch alles möglich würde – lassen Sie es uns gemeinsam erkunden!


Siehe auch


Götz W. Werner: Ein Grund für die Zukunft: das Grundeinkommen



Götz Werner & Adrienne Goehler: 1000 € für jedenFreiheit. Gleichheit. Grundeinkommen



Götz W. Werner: Das bedingungslose Grundeinkommen. Vortrag auf Audio-CD, 82 Min.



www.unternimm-die-zukunft.de



wiki.unternimm-die-zukunft.de



Verlagsinformation / Bestellmöglichkeit



www.freiheitstattvollbeschaeftigung.de



www.grundeinkommen.info



www.archiv-grundeinkommen.de



www.grundeinkommen.at



www.initiative-grundeinkommen.ch



www.grundeinkommen2005.org



www.grundeinkommen.tv



Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen



Wikipedia – Grundeinkommen



HWWI (Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Institut)