Mitternachtsonn
© Text und Melodie: Ernst Weeber
(August 2007)
Weit is der Weg und friedlos is d‘Welt
und i hab mi nachts ans Fenster gstellt
und im Dunkln gwart dass d‘Sonn aufgeht
und zur selben Zeit gfürcht: Es is scho oiß z‘spät.
Koa Mond hat gscheint, koa Stern war zum sehng
und ghört hat ma nix außam Wind und aam Regn.
Und aam Nachtvogel, der aufgschreckt und gstört
sein Ärger nausschreit daß da unheimlich werd!
So a Stimm hast bei uns bis jetzt no net ghört.
Der Nachtvogel schreit voller Zorn, voller Hohn.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!
Jetzt wachst aa du auf und fragst: Was is los?
I konn net schlaffa, sag i. Wenn i bloß
so aan Schlaf hätt wie du und net oiwei so gspannt
naushorcha müaßat und ruhiger sei kannt!
Hast recht: Es is gscheita i leg mi zu dir.
Der Vogel soi schrein – solang i di spür.
Und der Nachtvogel, der schreit grad mit Fleiß:
Im Osten wia im Westen nix neis!
Der Süden werd abgrammt! Im Norden schmuizts Eis!
Der Nachtvogel schreit voller Zorn, voller Hohn.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!
Jetzt hör i‘s pfeifa, a Zug fahrt vorbei
in der Fern. Dees muaß der Wahnsinnszug sei,
der Zug voller gscheite und mächtige Leut,
der abgfahrn is Richtung Neuere Zeit.
Der überoi durchfahrt, nirgends mehr hoit
und nirgends mehr okimmt in unserer Welt.
Und der Nachtvogel schreit: Steig ei! Steig ei!
Warum springstn net auf? Sei doch so frei!
Du muaßt einfach bloß schnell gnua sei!
Der Nachtvogel schreit voller Zorn, voller Hohn.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!
Und jetzt siehg i‘s kemma ois waars scho wahr,
daß dee gmüatlichen Tag zählt san und gar.
Jetzt zählt bloß no wer‘s schnell gnua dareißt
und aufspringt und liaba wen obischmeißt.
Na, so derf‘s net kemma! Mia san doch imstand
daß ma zammhelfa, Mensch für Mensch, Land für Land!
Und der Nachtvogel singt sei Spottliad und nennt
mi aan Gutmensch, der‘s richtige Lebn net kennt
und an d‘Feuerwehr glaubt, wenn sei Haus brennt!
Der Nachtvogel schreit voller Zorn, voller Hohn.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!
Im wirklichen Lebn – dees hab i scho gspannt –
ziagt a wuids und grausams Heer übers Land,
über alle Grenzen, nachts und am Tag
Sommer und Winter, a furchtbare Plag.
Über alle Kanäl dringt‘s ei in jeds Hirn!
Bloß mei Vogel, der laßt si jetzt nimma beirrn!
Und der Nachtvogel, der bleibt net aloa:
D‘Vögl wern wach! Jetzt hör i scho zwoa,
jetzt sans viere, jetzt achte im Chor!
D‘Nachtvögel schrein voller Zorn, voller Hohn.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!
In dera Nacht is was Furchtbars im Gang,
aber d‘Vögel hamms gspannt und wissn‘s scho lang:
In dera Nacht miaß ma rufbereit bleibn
und mit unserm Gschrei finstre Geister vertreibn.
Dee Geister, dee‘s uns nia nimmer erlaubn
dass ma aa in der Nacht no an d‘Sonna glaubn.
Und jetzt hörstas von alle Richtungen her:
de aufgwachtn Vögel werd mehr und mehr,
und‘s Wachbleibn foit scho gar nimmer schwer.
D‘Nachtvögel schrein jetzt aan taghellen Ton.
Und mia geht a Liacht auf: d‘Mitternachtsonn!