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Geseko von Lüpke, Peter Erlenwein
Projekte der Hoffnung

Der Alternative Nobelpreis:
Ausblicke auf eine andere Globalisierung



München 2006 (oekom verlag); 224 Seiten; ISBN 3-86581-006-3








Seit über 25 Jahren ehrt der „Right Livelihood Award“, eher bekannt als Alternativer Nobelpreis, Menschen, die sich in herausragender Weise für Umwelt, Frieden und Menschenrechte einsetzen. Mit ihren ermutigenden Lösungsstrategien machen die Preisträger(innen) nicht nur Hoffnung in einer Zeit, in der angesichts von Ausbeutung und Ungerechtigkeit, unkontrolliertem Macht- und Gewinnstreben, blindem Konsum und Wachstumswahn vieles hoffnungslos erscheint. Ihre Projekte und Initiativen zeigen auch, dass die Lösungen für die meisten globalen Probleme vorliegen und längst erfolgreich erprobt sind.

Der Alternative Nobelpreis gilt international als wichtigste Auszeichnung für nachhaltiges Denken und Handeln. Zwölf der Preisträger werden in diesem Buch in Form von Interviews, Texten und Vorträgen porträtiert. Sie setzen sich in ihren Projekten für Umweltschutz, Entwicklungs- und Gesundheitspolitik, Friedenserhaltung und kulturelle Vielfalt ein. Und sie machen deutlich: Die Probleme mögen zunehmen – doch auch die kreativen Kräfte des Wandels wachsen. Und aus Sicht der Pioniere ist jeder aufgerufen, nach weiteren zu suchen: Die Zukunft ist offen und voller Möglichkeiten.

Siehe auch: Geseko von Lüpke: Die Alternative. Wege und Weltbild des Alternativen Nobelpreises. Pragmatiker, Pfadfinder, Visionäre (2003)


Geseko von Lüpke


geboren 1958, arbeitete nach seinem Studium der Politikwissenschaft, Publizistik und Ethnologie sowie einer Redakteursausbildung als freier Journalist, Autor und Redakteur. Im Bayerischen Rundfunk und anderen öffentlich-rechtlichen Funkhäusern wurde er durch zahlreiche Features über ganzheitliche Ansätze in der Wissenschaft, über alternative Lebensformen, interkulturellen Dialog und Spiritualität bekannt. Er schreibt regelmäßig für die Zeitschrift „Natur & Kosmos“. Über seine initiatorische Arbeit mit Erwachsenen veröffentlichte er das Buch „Visionssuche“ (München 2000).




Peter Erlenwein


Sozialwissenschaftler und Sozialpsychologe, arbeitet als Buchautor, freier Journalist für Rundfunk und Fachzeitschriften und ist Lehrbeauftragter am C.G.Jung Institut Zürich im Fachbereich Interreligiöser Dialog. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen Grundfragen interkultureller Kommunikation, ganzheitlicher Friedensarbeit und eines nachhaltigen tiefenökologischen Weltethos. Er ist Mitbegründer des Integralen Forums und des Instituts für Integrale Entwicklung (IiE).


Inhaltsverzeichnis


Peter Erlenwein
Vorwort






Geleitwort von Wolfgang Bader
Die Alternative – Ausblick auf eine andere Globalisierung






––––– EINFÜHRUNG –––––






Geseko von Lüpke
Projekte der Hoffnung
Geschichte und Bedeutung des Alternativen Nobelpreises






Jakob von Uexküll
Menschliche Entwicklung statt wirtschaftlicher Verwahrlosung
25 Jahre Alternativer Nobelpreis






––––– DAS NEUE HOLISTISCHE WELTBILD –––––






Hans-Peter Dürr
Das moderne holistische naturwissenschaftliche Weltbild
Konsequenzen für unser Denken und Handeln






––––– DIE SICHERUNG DER GRUNDBEDÜRFNISSE –––––






Johan Galtung
Transcend und Transform
Einführung in die Konfliktlösungsarbeit






Gespräch mit Johan Galtung
»Verstehe einen Konflikt, bevor es zum ersten Schuss kommt«






Gespräch mit Manfred Max-Neef
»Wir müssen wie Moskitos sein!«
Die Grundlagen der Barfuß-Ökonomie






––––– FORMEN DES WIDERSTANDS –––––






Vananda Shiva
Die Kolonisierung der Zukunft
Widerstand gegen die Gen-Piraterie






Gespräch mit Pat Mooney
Denn sie wissen nicht, was sie tun...
Die Nanotechnologie als Herausforderung für die globale Zivilgesellschaft






Gespräch mit Helena Norberg-Hodge
Was wir brauchen, ist Vielfalt!“
Das Primat der Dezentralisierung






––––– ZUKUNFTSWEISENDE PROJEKTE –––––






Gespräch mit Wangari Maathai
Wer den Weg kennt, wird nicht müde!“
Ökologische Selbsthilfe im „Green Belt Movement“ und ihre globale Bedeutung






Ibrahim Abouleish
Biologisch-dynamische Landwirtschaft als Modell ganzheitlicher Entwicklung
Einblicke in das ägyptische Projekt Sekem






Gespräch mit Ibrahim Abouleish
Zusammenarbeiten, Kooperieren, Entwickeln






Michael Succow
Zapovedniki – das Gebot, Wildnis zu schützen
Internationale Naturschutzarbeit in den Weiten des Ostens






Tapio Mattlar
Die Macht des Regionalen
Die Bewegung der Dorfaktivisten in Finnland






––––– POLITIK, WIDERSTAND & NEUE SPIRITUALITÄT –––––






Sulak Sivaraksa
Politische Spiritualität
Engagierter Buddhismus und gewaltfreie Aktion






Gespräch mit Nicanor Perlas
Weltmacht Zivilgesellschaft
Herausforderungen und Grenzen der neuen sozialen Bewegung






––––– UND WEITER? –––––






Jakob von Uexküll
Verantwortung für morgen: der Weltzukunftsrat
Von Robert Jungks Zukunftswerkstätten zum World Future Council






––––– ANHANG –––––






Literaturempfehlungen
Adressen
Danksagung





Leseprobe


Peter Erlenwein
Vorwort






»Das Herz der Revolution ist die Revolution des Herzens!« Dieses Diktum stammt von Nicanor Perlas, einem philippinischen Soziologen, Philosophen und Umweltaktivisten, der 2003 den »alternativen Nobelpreis« für seine politische Arbeit erhielt. Perlas ist einer von zwölf Preisträgern und Globalisierungskritikern, die in diesem Buch über ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und Visionen berichten. Angesichts der aktuellen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Katastrophen und Verwerfungen gehen sie neue Wege des Miteinanders von Mensch und Natur: Projekte der Hoffnung auf eine »andere Globalisierung«.






Die Projekte der hier versammelten Preisträger sind grundlegende, offene und zumeist aus der Logik der jeweiligen Situation entwickelte alternative Entwürfe eines »guten Lebens«. Sie stehen für eine humane Entfaltung menschlicher Produktivkräfte, erprobt in jahrzehntelanger Empirie – oftmals unter lebensgefährlichen Umständen. Es ist auffallend, dass all diese Pioniere des Wandels politische Aktion mit philosophischer Reflexion verbinden – ganz im Sinne des Diktums Albert Schweitzers »Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will«.






»Die Globalisierung«, schreibt Nicanor Perlas, »konfrontiert uns mit den tiefsten Fragen: Was ist die Natur unserer Gesellschaften, die Natur des Menschen, die Natur der Natur? Wenn wir keine Antworten auf sie haben, können wir auch keine Visionen einer anderen Welt entwickeln, denn dann greifen die Alternativen nicht tief genug«. Dies sei, so Perlas, die »spirituelle Dimension« der Globalisierungsdebatte.






Man könnte es auch die »kulturelle« Dimension nennen. Kultur verstanden im Goetheschen Sinne als Wahrnehmung eines lebendigen, geistig-materiellen Geflechtes, das von der Ökologie als der Wissenschaft des Erdhaushaltes bis zur sublimsten Poetik, ja Mystik reicht. Von diesem ganzheitlichen Verständnis, von diesem erweiterten Kulturbegriff lassen sich auch die Träger des alternativen Nobelpreises leiten.






Insofern war es naheliegend (wenn auch alles andere als selbstverständlich), dass die Konferenz zum Thema »Die Alternative – Ausblicke auf eine andere Globalisierung« in der Münchner Zentrale eines weltweit agierenden Instituts stattfand, das den Namen Goethes trägt. Wir danken dem Goethe-Institut, mit dieser Veranstaltung den Mut für einen kulturellen Brückenschlag aufgebracht zu haben. Die Konferenz hat den Dialog zwischen den Kulturen gefördert und den Austausch über neue Formen des Lebens und Wirtschaftens im Einklang und im Frieden mit der Natur ermöglicht. Möge die vorliegende »Nachlese« dazu beitragen, jene »Revolution des Herzens« gedanklich vorzubereiten, die am Anfang allen Tuns stehen sollte.









Geseko von Lüpke
Projekte der Hoffnung
Geschichte und Bedeutung des Alternativen Nobelpreises






Am heutigen Tage werden Menschen über 74.000 Hektar Regenwald abholzen. Am heutigen Tage werden 250.000 Menschen zur menschlichen Weltbevölkerung hinzukommen. Am heutigen Tage dehnen sich die Wüsten weltweit um 20.000 Hektar aus. Am heutigen Tage werden weltweit 100 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Luft geblasen. Am heutigen Tag werden 70.000 chemische Substanzen in die Natur gelangen, miteinander reagieren und das Leben schädigen. Am heutigen Tage...






Die Liste der Schreckensmeldungen könnte beliebig fortgesetzt werden. Nachrichten, die wir gerne verdrängen! Nachrichten, die uns zu bedrohlich erscheinen, um mit ihnen umgehen zu können. Nachrichten, die uns darauf verweisen könnten, dass sich unsere Kultur, Wissenschaft und Ökonomie in einer Sackgasse befinden. Fraglos ist: Ob bei den Bodenschätzen oder den fossilen Brennstoffen, ob beim Verbrauch nutzbarer Landschaften oder der Belastung von Wasser, Luft und Boden – wir plündern die Konten zukünftiger Generationen. »Haben wir dabei Erfolg, nennen wir es Wirtschaftswachstum«, sagte sarkastisch der kürzlich verstorbene ehemalige brasilianische Umweltminister José Lutzenberger, der den Alternativen Nobelpreis als Vater der südamerikanischen Umweltbewegung erhielt: »Wenn eine Boeing 747 abstürzt, dann wächst das Bruttosozialprodukt zweimal 200 Millionen Dollar. Einmal wenn die Versicherung der Luftlinie die Entschädigung zahlt und zum anderen Mal wenn die ein neues Flugzeug kaufen. Also je mehr Flugzeuge abstürzen, desto besser, nach dieser Rechnung. Das ist doch eine absurde Rechnung. Wir müssen total umdenken.«






Total umdenken?! Albert Einstein hat einmal gesagt, dass wir die Probleme der Welt nicht mit den Methoden lösen können, durch welche eben diese Probleme in die Welt gekommen sind. Es scheint ganz neue Ansätze zu brauchen, um das Ruder herumzureißen. Visionäre Lösungen, die weit hinausgehen über das bislang erdachte. Und mutige Pioniere, die das Unmögliche wagen, um die Welt für künftige Generationen zu erhalten.






An wen werden sich unsere Nachfahren wohl erinnern, wenn sie in ein paar Hundert Jahren zurückblicken auf die Zeit des Jahrtausendwechsels? Welche Geschichten werden Eltern ihren Kindern von den Helden der Vergangenheit erzählen, um ihnen Vorbilder zu geben und sie zu motivieren, für den Schutz der Biosphäre, für Menschenrechte, Frieden und soziale Gerechtigkeit einzutreten? Wer werden sie sein, die Robin Hoods und Jeanne d'Arcs, die Dietrich Bonhoeffers und Sophie Scholls der Zukunft? Wohl kaum George Bush, Tony Blair oder Angela Merkel.






Wahrscheinlich werden es eher Menschen sein, die heute – weitgehend unbekannt – unter uns leben! Menschen, wie die englische Töpferin Angie Zelter, die sich eines Tages entschloss, sich nicht länger von den gigantischen Atom-U-Booten im Hafen ihrer schottischen Heimat einschüchtern zu lassen und kurzerhand begann, die atomare Abrüstung in die eigenen Hände zu nehmen, indem sie mit Schraubenzieher und Drahtschere in das Sperrgebiet eindrang und militärisches Gerät einfach ins Meer warf?






Oder werden es moderne Märtyrer sein wie der Nukleartechniker Mordechai Vanunu, der nicht länger schweigen wollte, das Staatsgeheimnis des israelischen Atomwaffenprogramms an die Öffentlichkeit brachte, vom israelischen Geheimdienst verschleppt wurde und 16 Jahre in Einzelhaft saß? Oder vielleicht – viel weniger dramatisch – Künstler, wie der Mexikaner Francisco Toledo, der den Menschen seiner Heimatstadt Oaxaca mit Bildern und Texten, Bibliotheken und Galerien, Verlagen und Werkstätten das Wissen um die Kunst, Kultur und Mythologie ihrer Region zurückgab und sie – über die Stärkung ihrer eigenen Identität – befähigte, selbstbewusst und stolz der globalen Einfalt den Kampf anzusagen, für ihre Rechte einzustehen und ihre Heimat vor Übergriffen des globalisierten Marktes zu schützen?






Solche Menschen werden in diesem Buch zu Wort kommen. Männer und Frauen, die angesichts der Zerstörungen und Ungerechtigkeiten, der Fehlentwicklungen und Bedrohungen nicht den Kopf in den Sand steckten, sondern genau hinschauten und aktiv wurden. Sie suchten neue Wege der wirtschaftlichen Entwicklung, des Schutzes der Natur, der Menschenrechte, der Ermutigung, des guten Lebens. Die vielversprechendsten dieser Spuren in eine andere Zukunft werden seit 26 Jahren mit dem »Right Livelihood Award« ausgezeichnet. Dass man ihn heute den »Alternativen Nobelpreis« nennt, ist nicht die Idee des Stifters, sondern ein indirektes Lob der Öffentlichkeit, die ihn längst mit dem wichtigsten Wissenschaftspreis vergleicht.






Alles begann mit dem Traum eines Philatelisten. Ein gutes Vierteljahrhundert ist es her, dass der deutsch-schwedische Briefmarkenhändler Jakob von Uexküll sich eines Tages fragte, ob man guten Gewissens sein Leben mit dem Sammeln kleiner bunter Papierchen verbringen dürfte, während zeitgleich die Welt immer mehr in Stücke fiel. Er entschloss sich, seinen Lagerbestand zu verkaufen und den Erlös der schwedischen Nobel-Stiftung für einen Umwelt- und Menschenrechtspreis anzubieten. Als man dort hochmütig abwinkte, entschloss er sich – gemäß dem indianischen Slogan »Walk your talk!« - mit dem Geld eine Stiftung zu gründen und schrieb den »Preis für die richtige Lebensführung« aus. Als 1980 die erste Preisverleihung in einer kaum geheizten, angemieteten Turnhalle stattfand, ahnte niemand, dass diese Initiative bald schon eine Beachtung finden sollte, die dem »richtigen« Nobelpreis nur wenig nachsteht. Und tatsächlich umfasst der Right Livelihood Award heute ein so breites Spektrum, dass man ihn getrost mit seinem großen Bruder vergleichen kann: Mit dem Alternativen Nobelpreis werden Friedens-, Umwelt- und soziale Projekte ausgezeichnet, Konzepte alternativer und nachhaltiger Entwicklung in der so genannten Ersten und der Dritten Welt, mit ihm wird die Nutzung regenerative Energien unterstützt und die Entwicklung entsprechender Technologien, die biologische Landwirtschaft und ganzheitliche Gesundheitsversorgung. Der Preis belohnt den Schutz biologischer und kultureller Vielfalt, den Ausbau der Demokratie, den Schutz der Menschenrechte. Er belohnt all das, was in der Welt der Gegenwart nach neuen Lösungen ruft und der Förderung bedarf. »Der Preis soll natürlich die Preisträger ehren und unterstützen und bekannter machen, damit ihre Arbeit auch verbreitet wird«, sagt der Stifter des Preises, Jakob von Uexküll: »Aber gleichzeitig soll der Preis anderen Menschen, auf ganz anderen Gebieten, Hoffnungen machen.«






Visionen vorstellen, Vorbilder benennen, Neues ermöglichen lautet der Dreisprung in eine andere Zukunft, den der Right Livelihood Award immer wieder versucht. Und tatsächlich war der Preis seiner Zeit immer etwas voraus. Er stellte Menschen in das Licht der Weltöffentlichkeit, die schon Anfang der 1980er-Jahre erfolgreich mit nachhaltigen Lebensformen experimentierten – zehn Jahre bevor in Rio das Leitbild Nachhaltigkeit als Zukunftsslogan propagiert wurde. Er zeichnete schon 1984 die kenianische Ökologin Wangari Maathai (S. 130) aus, geschlagene 20 Jahre, bevor das Nobelkomitee 2004 mit dem Friedenspreis hinterherhinkte. Während das offizielle Nobelkomitee meist den Blick zurück auf die großen Erfindungen des 20. Jahrhunderts wirft, gilt der kleine alternative Bruder als der Zukunftspreis des neuen Jahrtausends: Er zeichnete 2003 den australischen Solartüftler Martin Green aus, ein paar Jahre zuvor den griechischen Homöopathen George Vithoulkas – während der Physik-Nobelpreis weiter an Mammutprojekte und der Medizin-Nobelpreis regelmäßig an hoch dotierte Technokraten des konventionellen Gesundheitsbetriebs vergeben wurden.






Dreizehn solcherart geehrte Menschen hatten sich im Frühsommer 2005 in der Münchner Zentrale des deutschen Goethe-Instituts versammelt, um sich – erstmals in dieser Form – den interessierten Fragen einer kritischen Öffentlichkeit zu stellen. Einer Öffentlichkeit, die längst nicht mehr an die Versprechungen der Politiker glaubt, dass sie alles schon wieder hinbekämen, wenn man sie nur wählen würde. Eine wachsende Menge, die auch den Behauptungen der Technokraten, dass es für jedes Problem eine technisch-wissenschaftliche Lösung gäbe, keinen Glauben mehr schenken. Einer Öffentlichkeit, die längst fragt, welche Kultur wir brauchen, um die Welt für künftige Generationen zu erhalten. Und Goethes Erben trauten sich, mit der Konferenz »Die Alternative« ein deutliches Zeichen zu setzen. Es gehörte fraglos eine gute Portion Mut bei den Verantwortlichen dazu, den Kulturbegriff so zu weiten, dass Aktivisten und Reformer, Menschenrechtler und Ökologen, Friedensaktivisten, kritische Wissenschaftler und nachhaltige Ökonomen und Unternehmer unter diesem Schirm Platz hatten. Ihnen soll in diesem Buch die Öffentlichkeit gegeben werden, die sie verdienen.






Zwar hat der Alternative Nobelpreis auch nach einem Vierteljahrhundert der Auszeichnungen die große kulturelle Wende nicht geschafft. Aber er hat aufzeigen können, dass für die drängenden Probleme, an denen die konventionelle Politik, Wirtschaft und Wissenschaft scheitert, Lösungen längst vorhanden sind. Häufig – aber nicht immer – war der Preis auch eine Art Lebensversicherung gegen Attentate und Verfolgung. Die rund 100 Pioniere, die den Right Livelihood Award bislang erhielten, konnten nicht mehr ignoriert werden. Scheiterten sie vorher mit ihren Vorschlägen schon am Pförtner der Ministerien, stand nach der Auszeichnung der Minister selbst an der Tür. Über 25 Jahre setzte sich aus den bunten Mosaiksteinen preisgekrönter Ideen und Projekte nach und nach das kohärente Bild einer anderen Zukunft zusammen, die aus den Krisen der Gegenwart entsteht. Der Alternative Nobelpreis wurde so zum Spiegel einer Bewegung, die längst nicht mehr aus Nörglern, Freaks und Träumern besteht, sondern an der nachhaltigen Zukunft schon lange erfolgreich selber bastelt.






Am Anfang jeder neuen Vision steht aber meist der ehrliche Blick auf die Wunden der Welt, eine schonungslose Konfrontation mit dem ganz alltäglichen Wahnsinn: »Eigentlich sind wir in der Position eines Bankräubers, der bei seiner Investition darauf achtet, dass er ein Schweißgerät entwickelt, mit dem er einen Tresor nach dem anderen aufbricht«, sagt der deutsche Quantenphysiker und Preisträger Hans-Peter Dürr (S. 44). »Und wir' sagen: „Toll!“ und „Alle sollen das nachmachen!“ Aber diese Lebensweise ist abhängig von diesen Tresoren. Eines Tages werden sie leer sein.« Statt sich resigniert abzuwenden und fatalistisch so weiter zu machen wie bisher, ließen sich die preisgekrönten Pioniere tief berühren von dem Schmerz der Menschen, der Not von Ökosystemen, dem Horror der Kriege. So tief, dass es für sie einfacher, besser und gesünder war, etwas für die Veränderung des Unerträglichen zu tun, als weiterhin nur zuzuschauen. Die oft unterdrückten Emotionen Wut und Verzweiflung wurden so zum machtvollen Treibstoff der Veränderung: Die Bereitschaft, den Schmerz über den Zustand der Erde zu fühlen, öffnete die Tür des Mitgefühls. Gehandelt wurde dann aus Liebe zur Welt, nicht aus Hass gegen die Mächtigen. »Das Herz dieser Revolution«, sagt deshalb der Preisträger Nicanor Perlas (S. 194), Umwelt- und Sozialaktivist von den Philippinen, »ist die Revolution des Herzens.« Und Liebe kann bekanntermaßen Berge versetzen.






Zahlreiche der Preisträger können Erfolgsgeschichten erzählen, die ans Märchenhafte grenzen. Dafür ist gerade die Greenbelt-Initiative der kenianischen Biologin Wangari Maathai (S. 130), die schon vor 20 Jahren den alternativen Nobelpreis erhielt, ein klassisches Beispiel. Vor 30 Jahren kam die junge Dozentin der Universität von Nairobi und aktives Mitglied im kenianischen Frauenverband zu der Einsicht, dass die zunehmende Versteppung des ostafrikanischen Landes durch die kenianischen Frauen gestoppt werden könnte, wenn jede ein paar Bäume pflanzt. Sie pflanzte einen ersten Baum, überzeugte das zuständige Ministerium, tonnenweise Saatgut bereitzustellen und wandte sich mit ihren Helferinnen besonders an jene Frauen, die ohne jede Hoffnung in den Slums am Rand der Metropolen oder in den armen Dörfern inmitten des ausgetrockneten Landes lebten. »Am Anfang haben wir ihnen nur gezeigt, wie man pflanzt und Baumschulen pflegt« erzählt sie rückblickend. »Es ging darum, etwas für ihre Grundbedürfnisse zu tun. Aber natürlich wussten wir um die Vorteile: Die Vögel würden wieder ein Zuhause finden, das Land würde schöner werden, die Staubstürme nachlassen, die Erosion zurückgehen.« Frauen gründeten überall im Land Baumschulen und wurden Kleinunternehmerinnen, Arbeitsstellen wurden neu geschaffen, Zukunft wurde erahnbar. Ein Vierteljahrhundert später hat die daraus entstandene »Grüngürtelbewegung« die Erosion bremsen können, drei Millionen Bäume gepflanzt und eine Diktatur gestürzt. Und die visionäre Biologin ist heute nicht nur stellvertretende Umweltmininisterin ihres Landes, sondern auch Friedensnobelpreis-Trägerin.






(...)


Siehe auch


Geseko von Lüpke: Die Alternative. Wege und Weltbild des Alternativen Nobelpreises. Pragmatiker, Pfadfinder, Visionäre



Geseko von Lüpke: Politik des Herzens. Nachhaltige Konzepte für das 21. Jahrhundert. Gespräche mit den Weisen unserer Zeit.



Geseko von Lüpke: Altes Wissen für eine neue Zeit – Gespräche mit Heilern und Schamanen des 21. Jahrhunderts



Geseko von Lüpke: Zukunft entsteht aus KriseAntworten von Joseph Stiglitz, Vandana Shiva, Wolfgang Sachs, Joanna Macy, Bernard Lietaer u.a.



Geseko von Lüpke im Gespräch mit Gabi Toepsch (BRalpha/PDF)



www.rightlivelihood.org/



http://de.wikipedia.org/wiki/Alternativer_Nobelpreis



Liste der Träger des Alternativen Nobelpreises (Wikipedia)



www.worldfuturecouncil.org



Alles Globale hat lokale Wurzeln– Geseko von Lüpke im Gespräch mit der indischen Physikerin Dr. Vandana Shiva