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Unsere Welt steht
an einem Kipp-Punkt, und wir spüren es. Einerseits geht es
uns so gut wie nie, andererseits zeigen sich Verwerfungen,
Zerstörung und Krise, wohin wir sehen. Ob Umwelt oder
Gesellschaft – scheinbar gleichzeitig sind unsere Systeme
unter Stress geraten. Wir ahnen: So wie es ist, wird und kann es
nicht bleiben. Wie finden wir zu einer Lebensweise, die das
Wohlergehen des Planeten mit dem der Menschheit versöhnt? Wo
liegt der Weg zwischen Verbotsregime und Schuldfragen auf der
einen und Wachstumswahn und Technikversprechen auf der anderen
Seite? Diese Zukunft neu und ganz anders in den Blick zu nehmen –
darin besteht die Einladung, die Maja Göpel ausspricht.
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Maja
Göpel
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Prof. Dr. Maja
Göpel, geboren 1976, arbeitet als Politökonomin und
Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Schnittstelle von
Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Die gefragte Rednerin ist
Generalsekretärin
des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen
(WBGU), Mitglied des Club of Rome, des World Future Council, der
Balaton Group und Fellow am Progressiven Zentrum. Im März
2019 stellte sie in der Bundespressekonferenz die Initiative
Scientists for Future vor, bei der mehr als 26.000
Wissenschaftler*innen die Forderungen der Schülerproteste zu
mehr Klima- und Umweltschutz als gerechtfertigt erklärten.
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Zitate
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Die
weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft sind kein Zufall.
Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem
wir leben. Wenn wir diese Krisen meistern wollen, müssen wir
uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser
Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen,
können wir sie auch verändern – und unsere
Freiheit zurückgewinnen. (S. 22)
Während
der Menschheit lange sehr viel Planet für wenig Mensch
gegenüberstand, gibt es heute für immer mehr Menschen
immer weniger Planet. Will die Menschheit nicht ihren eigenen
Zusammenbruch herbeiführen, muss sie lernen, in einer vollen
Welt zu wirtschaften, auf einem einzigen Planeten, mit begrenzten
Ressourcen. Das ist eine neue Realität. (S. 36)
In
unserem Verhältnis zur Natur zeigt sich die ganze Anmaßung
menschlichen Wirtschaftens. Indem der Mensch die natürlichen
Systeme seinem Bedarf unterwirft, reduziert er ihre Vielfalt,
macht sie verletzlicher und braucht einen immer größeren
Aufwand, um sie zu stabilisieren. Menschliche Systeme sind nicht
nachhaltig und müssen notgedrungen zusammenbrechen, wenn wir
nicht lernen, sie umzubauen. (S. 56)
Die Mehrheit in
den Wirtschaftswissenschaften denkt den Menschen immer noch als
eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht
und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand
schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem
Update unterzogen werden. Ein System, das Egoismus belohnt,
erzieht zum Egoismus. Wir brauchen eine Neubetrachtung der Werte,
die Menschen in ihrer kooperativen Lebendigkeit stützen.
(S. 72)
Eine Wirtschaftsweise, die in einer
begrenzten Welt mit endlichen Ressourcen auf stetes Wachstum
setzt, ist nicht nachhaltig. Es gilt neu zu verhandeln, was den
Wohlstand der Menschen übermorgen ausmacht. Dafür
brauchen wir neue Begriffe und Konzepte, die ausdrücken, was
wir künftig wichtig finden. Planetenzerstörung darf
nicht mehr Wachstum heißen. Reine Geldvermehrung nicht
länger Wertschöpfung. Grenzen des Wachstums sollten
Überwindung der ökologischen und sozialen
Schadschöpfung heißen. (S. 96)
Technologischer
Fortschritt gilt als sichtbarstes Zeichen menschlicher
Fortentwicklung. Solange wir aber die Einbettung von Technik in
Umwelt und Gesellschaft nicht mitdenken, fehlt uns der Blick
dafür, wo sie uns hintreibt. Um in der neuen Realität
gut zusammenleben zu können, müssen wir auch unsere
Vorstellung von Fortschritt ändern, sonst verschieben wir
die Probleme einfach weiter in die Zukunft. (S. 116)
Unser
Konsumverhalten im reichen Westen ist nur durch die
Externalisierung der Kosten möglich. Es macht uns auch nicht
glücklich, Besitz und Status als Marker für unseren
Selbstwert zu setzen. Die Rolle und Art von Konsum in unseren
Gesellschaften zu ändern ist daher ein wichtiger Schlüssel
zur Nachhaltigkeit. Die Versöhnung von sozialen und
ökologischen Zielen sollte dabei im Zentrum stehen.
(S. 135)
Wenn Güter knapp werden, kann der Markt
eben doch nicht jedes Problem lösen. Und der Staat ist nicht
immer der, der Freiheiten beschneidet, sehr oft ermöglicht
er sie erst. Um die Probleme der neuen Realität zu lösen,
müssen wir uns von halbierten Denkschablonen lösen. Für
knappe Güter, die den gesamten Planeten umfassen, müssen
globale Ansätze gefunden werden, selbst wenn uns das
schwierig erscheint. (S. 155)
Gerechtigkeit ist der
Schlüssel für eine nachhaltige Wirtschaftsweise, wenn
sie global funktionieren soll. Nur so kann man verhindern, dass
die ökologische Frage gegen die soziale ausgespielt wird.
Beide gehören zusammen und lassen sich nur miteinander
lösen. Für diese neue Art der Gerechtigkeit müssen
wir ein paar heilige Kühe der Wachstumserzählung
schlachten und andere Wege gehen. Damit können wir aber auch
ihre zunehmend ausufernden Nebenwirkungen hinter uns lassen.
(S. 179)
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