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James Lovelock
GAIA

Die Erde ist ein Lebewesen
Was wir heute über Anatomie und Physiologie des Organismus wissen
und wie wir ihn vor der Gefährdung durch den Menschen bewahren können



Bern, München, Wien 1992 (Scherz); 192 Seiten; ISBN 3-502-17420-2






Die Erdkugel ist kein gigantischer toter Felsbrocken, der von lebenden 0rganismen bevölkert wird. Der ganze Planet selbst ist vielmehr ein riesiger lebender 0rganismus. – Als der britische Biologe James Lovelock vor gut einem Jahrzehnt diese sogenannte Gaia-Theorie (nach der griechischen Erdgöttin Gaia) aufstellte, wurde er von den meisten seiner Kollegen belächelt.

Heute werden seine Ideen weltweit von Wissenschaftlern wie Laien diskutiert und finden breite Anerkennung. In diesem reich illustrierten, didaktisch geschickt aufgebauten Buch geht Lovelock nun über eine bloße Darstellung der Gaia-Theorie hinaus: Er zeigt ihre Anwendung auf ein uns alle unmittelbar betreffendes Gebiet.

Wenn die Erde ein lebender Organismus ist, so fragt er, wie steht es dann um dessen Gesundheit? Von der Warte eines Arztes unterzieht er die Erde einer gründlichen Überprüfung „auf Herz und Nieren“. Was er herausfindet ist sowohl erschreckend wie faszinierend. Wie jedes Lebewesen in mittleren Jahren hat auch Gaia schon etliche Schläge hinnehmen müssen: Meteoriteneinschläge, Polsprünge, planetare Katastrophen, die zu riesigen Artensterben führten. In der Veryangenheit konnte Gaia sich immer wieder erholen. Heute jedoch ist sie schwer krank – und die Menschheit ist die schwerwiegendste Ursache dieser Krankheit.

Wie also lautet die ärztliche Prognose? Wird Gaia überleben? Und wenn ja, werden wir Menschen dann immer noch Teil ihres lebenden Systems sein? – Solchen herausfordernden Fragen geht Lovelock mit der originellen Sichtweise und der wissenschaftlichen Strenge nach, die ihn berühmt gemacht haben. Eigens für diesen Band entwickelte Farbtafeln ermögichen es ihm, seine Ideen mit dramatischer Klarheit zu veranschaulichen und zu erklären.

Dieses didaktisch geschickt aufgebaute Buch ist ein Muß für alle, die sich um unseren Planeten und sein Leben, ein- schließlich unseres eigenen, sorgen. (Klappentext)




oekom podcast: "Die Erde – ein Lebewesen? Über die Gaia-Hypothese von James Lovelock". Essay von Ugo Bardi


James Lovelock


geboren am 26. Juli 1919 in Letchworth Garden City, England, ist Chemiker, Mediziner, Biophysiker, Erfinder und Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er zusammen mit Lynn Margulis als Begründer der Gaia-Hypothese zur Physiologie der Erde. Durch seine erstmaligen Messungen zur Verbreitung von FCKW in der Erdatmosphäre 1971 leistete er einen wichtigen Beitrag zur Rettung der Ozonschicht. Zurzeit ist er Honorary Visiting Fellow am Green Templeton College der Universität Oxford.


Inhaltsverzeichnis



Vorwort

Einleitung
Wer ist Gaia? – Die Notwendigkeit einer Medizin für die ganze Erde – Das naturwissenschaftliche Verfahren – Mit Gaia leben – Ein Führer durch die Planetenmedizin







1

Gaia erkennen
Die Evolution Gaias – Geophysiologie – Die Sicht des Geophysiologen – Die Mammutbaum-Analogie – Gaias medizinische Vorgeschichte







2

Anatomie
Gaia im Überblick – Gaia unter dem Messer – Die Atmosphäre – Energieströme – Die Gewässer der Erde – Das Gestein – Die großen Ökosysteme – Das Ensemble







3

Physiologie
Regelsysteme – Die Regeltheorie und der Planet Daisyworld – Sabotageanschläge auf Daisyworld







4

Epigenese
Die Geburt Gaias – Gaias Kinderkrankheiten







5

Biochemie und Zelle
Die Trennung der Wissenschaften – Gaia und das egoistische Gen – Gen, Zelle und Planet – Die lebenswichtige Zellmembran – Die Evolution der Zellen – Die Entwicklung komplexer Zellen – Die Notwendigkeit der Sexualität – Vielzellige Lebewesen







6

Stoffwechsel und planetare Biochemie
Stoffwechsel und atmosphärische Gase – Kohlendioxid – Sauerstoff – Stickstoff – Spurengase in der Luft – Neue Entdeckungen – Die Schwefelgeschichte – Biochemie der Meeres – Das Chlorid-Ion – Die Landoberfläche







7

Physiologie und Klimaregulation
Der Treibhauseffekt – Klimamodelle für die junge Erde – Homöostatische Reaktionen – Ein komplexes System – Eine Krise in der Klimaregulation







8

Die Menschenplage
Landwirtschaft und Entwaldung – Saurer Regen – Der Ozonkrieg – Die globale Erwärmung – Der Wille zu einem Leben in Harmonie








Schlußfolgerungen
Leben mit Gaia – Was wissen wir über die Erde? – Wir brauchen empirische Lösungen – Die Erde als Lebewesen verstehen – Der Wert der Wälder – Die Legende von Atlantis








Glossar, Sach- und Namenregister, Bibliographie


Leseprobe


Vorwort






Dieses Buch erkundet die Erde mit den Augen eines imaginären Arztes für den Planeten – eines Erd-Arztes. Ich stelle mir vor, daß es ein Arzt ist, der Hausbesuche macht, jemand aus der Zeit vor den Antibiotika und der Molekularbiologie, der sich auf Diagnose versteht, der Zuversicht vermitteln kann, der mitunter nur dadurch heilt, daß er den Lauf, den die Natur ohnehin nimmt, ein wenig steuert.

Die Vorstellung einer planetaren Medizin, einer Medizin der ganzen Erde, setzt einen Erdkörper, der in gewisser Weise lebendig ist und gesund oder krank sein kann. Der Idee einer lebendigen Erde und der Gaia-Theorie, der diese Idee entspringt, wird von vielen Biologen heftig widersprochen; Leben, sagen sie, ist die exklusive Eigenschaft lebendiger Organismen und der Gene, deren Ausdruck sie sind. Sowohl Gaia als Theorie als auch Lynn Margulis und ich als ihre Vertreter werden von einer kleinen, aber lautstarken Schar von Biologen und Wissenschaftsautoren öffentlich in Mißkredit gebracht. Sie greifen von der hohen Warte der etablierten Naturwissenschaft aus an und denunzieren (wie erst im April 1991 im Wissenschaftsmagazin Science) die Gaia-Theorie als „unwissenschaftlich“, „gefährlich“ und „pure Phantasie“. Vor allem mögen sie es gar nicht hören, wenn man die Erde lebendig nennt.

In diesem Vorwort muß ich mich zu unserer Verteidigung und zur Verteidigung von Gaia als Theorie äußern. Der Leser könnte sonst dem Vorwurf glauben, wir wären gefährliche Exzentriker und Gaia ein bloßes Hirngespinst. Ich finde, daß diese Kritiker pedantisch und zudem im Irrtum sind und daß durchaus gute Gründe für die Existenz von Gaia sprechen. Behalten Sie aber beim Lesen dieses Buches im Auge, daß Gaia noch nicht im strengen Sinne bewiesen ist; nehmen Sie Gaia und die Idee einer Planetenmedizin als eine Möglichkeit, die Probleme der Erde einmal anders zu betrachten.

Es braucht sicher einiges an Mißverständnis, um einen besonnenen Wissenschaftler zu verärgern, und so sind wir wohl tatsächlich provozierend gewesen in unseren Aussagen und müssen erklären, was wir mit „Leben“ meinen. Ich beschreibe das Ökosystem der Erde, Gaia, als lebendig, weil es sich insofern wie ein lebendiger Organismus verhält, als es seine Temperatur und chemische Zusammensetzung unter wechselnden Bedingungen aktiv konstant hält. Ich bin mir dabei bewußt, daß ich den Ausdruck metaphorisch verwende und die Erde nicht auf die gleiche Art lebendig ist wie Sie oder ich oder auch nur eine Bakterie. Dennoch bleibe ich dabei, daß die Gaia-Theorie selbst im eigentlichen Sinne wissenschaftlich und keine bloße Metapher ist.

Sollte ich – sollten Sie – beunruhigt sein von solchen kritischen Bemerkungen anderer Wissenschaftler, bei denen es sich zum Teil um renommierte Professoren berühmter Universitäten handelt? Ich glaube nicht. Man muß schon ein Fanatiker oder ziemlich humorlos sein, wenn man in einer Theorie wie der von Gaia etwas Gefährliches sieht. Gaia ist nur eine von vielen Betrachtungsmöglichkeiten für die Geheimnisse der Erde.

Wie kommt ein verständiger Wissenschaftler überhaupt dazu, bei Gaia den sonst so unerschütterlichen Gleichmut aufzugeben? Ich glaube, das ist eine Folge des schon sehr lange währenden zermürbenden Krieges zwischen Biologen und Anhängern des Schöpfungsglaubens. Im Eifer des Gefechts wurden Naturwissenschaftler, was eigentlich nicht typisch ist, dogmatisch und arrogant. Selbst wo in neuerer Zdit dieser Streit noch fortgesetzt wird, etwa in Amerika, hört man unter Wissenschaftlern Stimmen, die ebenso anmaßend und humorlos sind wie die der Kreationisten. Genau dieselben intoleranten Stimmen formieren sich jetzt gegen Gaia.

Ich bin ein altmodischer Wissenschaftler und glaube (wie Freeman Dyson es in seinem Buch „Zeit ohne Ende“ ausdrückt), daß die Ethik der Naturwissenschaft eine prinzipielle Offenheit zur Grundlage hat, die Bereitschaft, jeder Theorie analytisch und durch experimentelle Überprüfung auf den Grund zu gehen. Die Royal Society of London nahm sich 1660 stolz das Wort Nullius in verba zum Motto, das heißt soviel wie „Keines Menschen Wort wird das letzte sein“. Unfehlbarkeit kann es in der Naturwissenschaft nicht geben. Ich bin außerdem zu der Überzeugung erzogen worden, daß die Naturwissenschaft ernst zu nehmen, aber nicht sakrosankt ist, daß zu schöpferischer Wissenschaft die Fähigkeit zu staunen und Sinn für Humor gehört.

So mag die Gaia-Theorie denn ganz oder in Teilen unhaltbar sein. Für den echten Wissenschaftler ist das weniger wichtig als die Frage, ob sie folgenden Kriterien genügt: Ist sie brauchbar und nützlich? Regt sie zu interessanten Experimenten an? Erklärt sie die verwirrenden Daten, die wir gesammelt haben? Macht sie überprüfbare Voraussagen? Hat sie eine mathematische Basis? Gaia beantwortet alle diese Fragen positiv und hat es daher gewiß verdient, von den Naturwissenschaftlern erwogen und nicht verhöhnt und beschimpft zu werden.

Schöpferische Naturwissenschaft ist die Domäne praktizierender Wissenschaftler, und von denen finden sich nur wenige unter unseren Kritikern. Als unwissenschaftlich verworfen wird Gaia meist von Wissenschaftsautoren oder professionellen Wissenschaftskritikern. Schöpferische Wissenschaftler lassen sich eher.inspirieren von Ideen, die oft schwer zu formulieren sind, aber immerhin zu Experimenten anregen. Die formale Ausarbeitung kommt in aller Regel erst nach der Inspiration und den Experimenten. Das wollen Wissenschaftsautoren und Kritiker nicht so gern wahrhaben; es würde ihre Darstellungen nur „unnötig“ komplizieren.

Es wäre falsch, aus diesem Vorwort zu schließen, daß nun ein kämpferisches oder gar polemisches Buch folgen wird. Wir haben etwas anderes im Sinn als die Frage, ob die Gaia-Theorie richtig oder falsch ist, nämlich die Möglichkeit, die Erde durch Gaia neu zu sehen. Ich lade Sie ein, sich mir anzuschließen zur Erkundung unseres Planeten, geführt von einem Erd-Arzt, der wie jeder andere Arzt die Physiologie zu seinem empirischen Ausgangspunkt macht. Seine Physiologie ist natürlich die Geophysiologie, die Systemwissenschaft der Erde.

James E. Lovelock


Siehe auch


Jim E. Lovelock: Unsere Erde wird überlebenGaia – A new look at life on Earth (1979)



James Lovelock: Das Gaia-PrinzipDie Biographie unseres Planeten



James Lovelock: Gaias RacheWarum die Erde sich wehrt