Zitate
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Einleitung
– siehe
auch:
https://www.klett-cotta.de/media/14/9783608504552.pdf
Einleitung
– Nicht länger dieselben Fehler machen (S. 24)
Wir
schreiben dieses Buch nicht nur, um zu erzählen, wie schlimm
es um den Planeten steht. Das zeigt auch die Homepage der NASA.
Wir schreiben dieses Buch, weil uns nicht loslässt, dass man
dreißig Jahre, also Alex’ gesamte bisherige
Lebenszeit, klimapolitisch verschenkt hat. Wir schreiben, weil
wir nicht Teil der nächsten Erzählung werden wollen,
die von weiteren verschenkten Jahrzehnten handelt. Weil wir nicht
von einer abstrakten Welt sprechen, wenn wir von der Zukunft des
Jahres 2050 sprechen, sondern von unserem Leben. Wir schreiben
dieses Buch als Aufruf, nicht nur an die junge Generation,
sondern an alle. Denn alle werden gebraucht.
Weil es
unsere Aufgabe ist, eine radikale Klimapolitik einzufordern –
und sie umzusetzen. Mit allen gewaltfreien Mitteln, die uns dabei
zur Verfügung stehen.
Einleitung
– Wir sind Possibilist*innen (S. 24)
Ob
wir optimistisch in die Zukunft blicken? Ja und nein. Wir halten
es mit Jakob von Uexküll, dem Gründer des Alternativen
Nobelpreises. Von Uexkülls Credo lautet, weder Optimist noch
Pessimist zu sein, sondern Possibilist. Was das ist? »Der
Possibilist«, sagt von Uexküll, »sieht die
Möglichkeiten, und es hängt von jedem von uns ab, ob
sie verwirklicht werden.«
Mit dieser Haltung
schreiben auch wir dieses Buch. Während unseres Stockholmer
Sommers haben wir viele Beispiele dafür kennengelernt, dass
eine gerechte, friedvolle und nachhaltige Welt möglich ist.
Was uns antreibt, ist nicht der Glaube, dass alles gut wird,
sondern die Überzeugung, dass die Katastrophe nicht
unausweichlich und viel Gutes noch machbar ist.
Wir
wissen, dass es Lösungen für die großen
gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit gibt. Ihre Umsetzung ist
nicht einfach und vielleicht noch nicht einmal wahrscheinlich –
aber sie ist möglich. Und solange diese Möglichkeit
besteht, solange lohnt es sich, für sie zu kämpfen, von
ihr zu erzählen und Menschen zu ermutigen, Teil dieser
Lösungen zu werden.
Possibilismus heißt: die
Ärmel hochkrempeln. Während Pessimist*innen schnell in
einen ebenso lähmenden wie selbstmitleidigen Fatalismus
verfallen, und während es sich Optimist*innen in der
Erwartung einer rosigen Zukunft bequem machen, werden wir
Possibilist*innen aktiv. Solange eine, und sei es noch so kleine
Chance auf ein besseres Morgen besteht, sollten wir heute alles
daransetzen, sie zu nutzen.Es ist unbequem, Possibilist*in zu
sein, es ist anstrengend, anzupacken. Ja, es gibt Lösungen,
doch hängen sie davon ab, dass eine kritische Masse für
ihre Umsetzung mobilisiert wird. Dabei dürfen wir uns nicht
beirren lassen. Nicht vom düsteren Bild, das die
Klimawissenschaft für die Zukunft zeichnet, und das der
Zuversicht tatsächlich wenig Raum lässt. Aber auch
nicht vom trügerischen Optimismus all jener, die sich dem
Glauben an den menschlichen Erfindungsgeist, technologischen
Fortschritt und den vermeintlich heilenden Kräften des
Marktes verschrieben haben. Während sie immer weiter
predigen, es werde schon alles gut werden, sind die globalen
Emissionen in Rekordhöhen gestiegen und die Krise verschärft
sich Jahr für Jahr.
Das unterscheidet uns
Possibilist*innen sowohl von Optimist*innen als auch von
Pessimist*innen: Wir wissen, dass eine andere Zukunft möglich
ist, aber wir wissen auch, dass wir sie nicht geschenkt
bekommen.
Einleitung
– Eine Einladung (S. 26)
Wir
sprechen hier nicht für eine »Generation«, was
auch immer das sein mag. Wir sprechen auch nicht für Fridays
for Future.
Wir sprechen für uns, wir erzählen aus unserer
persönlichen Perspektive. Dabei sind wir inspiriert von
unseren Erfahrungen, von dem, was wir mitbekommen, in Gesprächen,
im Studium, auf der Straße.
Wir hoffen, dass sich
einige in dem, was wir hier schreiben, wiederfinden können.
Und wir gehen davon aus, dass sich vermutlich ebenso viele daran
stören werden. Wir machen einen Aufschlag. Und sprechen an
alle die Einladung aus, Teil der Geschichte zu werden, die wir
von nun an schreiben: Sie handelt vom Ende der Klimakrise, von
der Haltung, mit der wir der Krise begegnen und vom Einsatz, den
es dafür braucht.
12.
Organisiert euch! – Sorry, ich hab keine Zeit zu
protestieren (S. 255)
Wenn
wir, Luisa und Alex, Leuten erzählten, worüber wir
schreiben, äußerten viele den Wunsch nach möglichst
vielen Tipps für ein klimafreundliches Leben. Vielleicht
schreiben wir eines Tages auch einmal so ein Buch. Doch zunächst
braucht es jeden und jede, um die Rahmenbedingungen dafür zu
ändern, dass ein wirklich klimafreundliches Leben überhaupt
erst möglich wird.
Denn es ist heute nicht möglich.
Man stelle sich die gesellschaftlichen Verhältnisse als
einen großen leeren Raum vor. Die Menschen wollen, dass es
in diesem Raum eine Luft gibt, die sie atmen können.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Der Haken daran ist
nur, dass sich der Raum im Lauf der letzten 250 Jahre immer
weiter gefüllt hat: mit Autobahnen und Industriegeländen,
mit Massentierhaltung und Monokulturen, mit Kohlekraftwerken und
Pipelines, Flugzeugen und jeder Menge alten Häusern, die von
ebenso alten Ölheizungen beheizt werden. All dies frisst
sich in den Boden, verpestet die Luft und macht die Menschen
krank. Was übrig bleibt, in diesem großen Raum, das
ist der Quadratmeter Wiese in der Mitte, auf dem wir jetzt noch
unsere plastikfreie, vegane Party feiern können. Das mag
sich super anfühlen in diesem Moment. Doch es ignoriert den
Elefanten im Raum, es ändert die Verhältnisse nicht.
Und wer die Verhältnisse nicht ändert, wer sich nicht
organisiert, wer sich nicht als Teil der kritischen Masse
begreift, die gemeinsam die Macht hat, den Raum neu zu sortieren
– der kann sich im Privaten so viel Mühe geben, wie er
will. Es wird nicht genug sein.
Daher erklärt dieses
Buch nicht, wie man Shampoo selbst macht und wie man
klimafreundlich verreisen kann (beides ist erstrebenswert und in
Büchern nachzulesen). Uns geht es um etwas anderes: Wenn wir
ernsthaft eine Welt gestalten wollen, die keine weiteren
Kipppunkte erreicht und die von dem genährt wird, was unser
Planet an Ressourcen und Ökosystemleistungen bereitstellt,
dann müssen wir unsere ausbeuterische Lebensweise ändern.
Und zwar im ganz großen Maßstab. Wir müssen die
größte Transformation angehen, die es seit der
industriellen Revolution gegeben hat. Manche sprechen von der
Agrarwende, von der Verkehrswende und der Energiewende. Wir
sprechen von einer Klimarevolution
Revolutionen fallen
nicht vom Himmel. Sie brauchen den Druck der Masse. Wenn er
ausbleibt, wird es so weitergehen wie in den letzten drei
Jahrzehnten. Schon längst haben Thinktanks wie Agora
Energiewende, Institutionen wie der Wissenschaftliche Beirat der
Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, zahlreiche
Umweltverbände und Forschungseinrichtungen aufgezeigt, was
passieren müsste, damit Deutschland zumindest anfängt,
seinen Teil zur Entschärfung der Klimakrise beizutragen. Die
Konzepte sind längst da. Es mangelt aber am politischen und
gesellschaftlichen Willen.
Diejenigen, die diesen Willen
verkörpern, sind heute die jungen Menschen, die, von Greta
Thunberg inspiriert, auf die Straße gehen. Das muss aber
nicht so bleiben. Und soll es auch nicht. Die Fähigkeit, ein
Bewusstsein für die Klimakrise zu entwickeln, hängt
nicht vom Alter und der Generationszugehörigkeit ab. Es
scheint so, dass die Konfliktlinie ohnehin viel eher zwischen
denen verläuft, die den Status quo verteidigen, weil sie
glauben, von ihm zu profitieren, und denen, die es wagen, ihn
infrage zu stellen. Weil sie übergeordnete Prioritäten
zu setzen.
12.
Organisiert euch! – 3,5 Prozent (S. 261)
(…)
Jede noch so kleine Aktion kann große Wirkung entfalten,
wenn sie im richtigen Moment, mit dem richtigen Narrativ und von
möglichst vielen Menschen ins Leben gerufen wird. In der
Vergangenheit – man denke an Mandela, King und Ghandi –
wurden so schon unvorstellbare Veränderungen bewirkt. Und
dies auf friedliche Weise. Die Bewegungsforscherin Erica
Chenoweth hat untersucht, wann soziale Bewegungen Erfolg hatten.
Bewegungen, die strikt gewaltfrei waren, waren doppelt so
erfolgreich wie die gewalttätigen. Keine einzige gewaltfreie
Bewegung ist gescheitert, sobald mehr als 3,5 Prozent der
Bevölkerung mobilisiert wurden. Das ist keine kleine Gruppe,
in Deutschland wären es 2,87 Millionen Menschen. Es ist
aber auch nicht utopisch.
Was wir dringend brauchen, ist
eine große, sozial-ökologische Transformation. Der
Zeitraum, der uns dafür bleibt? Sehr kurz. Der Moment für
die große Mobilisierung? Jetzt. Deshalb rufen wir hier zu
skalierbaren, gewaltfreien Aktionen auf. Deshalb sagen wir es
jeder und jedem Einzelnen: Organisiert euch!
Wenn der
Wille da ist, stellt sich die Frage, wie. Im Folgenden skizzieren
wir sechs wesentliche Aspekte. (…)
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