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Yanis Varoufakis
Time for Change

Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre


München 2015 (Hanser); 176 Seiten; ISBN 9-783404-609215






Unsere Europäische Union war in der Annahme ins Leben getreten, wir müssten zuerst unsere wirtschaftlichen Interessen verbinden, um eine politische und gesellschaftliche Einheit zu erreichen; die Wirtschaft würde dann den Weg in eine gemeinsame europäische Politik bahnen. Die ldee war gut, doch im Lauf der Jahre und Jahrzehnte ergab sich dabei ein Problem: Unser gemeinsames Verständnis von „Wirtschaft“ wurde immer barbarischer. Wir gerieten in den Strudel einer simplifizierenden Denkweise, durch die sich der Bereich der Wirtschaft von dem der Politik, Philosophie und Kultur abzukoppeln, zu isolieren begann. Der wirtschaftliche Bereich erlangte auf diese Weise selbst eine gewaltige diskursive und gesellschaftliche Macht; sie ließ Demokratie, Politik und Kultur immer mehr verblassen und zum Schatten ihrer selbst werden.

Für diese stetige Erosion unseres gemeinsamen Verständnisses des Wirtschaftsbereichs waren, wie ich zugeben muss, wir Ökonomen verantwortlich. Überraschend schnell waren die Märkte nicht länger Mittel, die im Dienst sozialer Ziele stehen sollten, sondern sie wurden unbemerkt zum Selbstzweck. Unter dem Einfluss einer wachsenden Macht des Finanzwesens und neuer Wirtschaftstheorien begannen wir uns Oscar Wildes Definition des Zynikers anzunähern: Jemand, der alles über Preise und nichts über Werte weiß.

Natürlich kamen auch die Institutionen der Europäischen Union zunehmend zu der überzeugung, dass wichtige Entscheidungen von technokratischen Gremien getroffen werden sollten, die „politikfreie Zonen“ darstellen. Ironiescherweise führte die Sprache der Ökonomen zu einer Ausrichtung, die nicht nur die aktive Politik und Kultur, sondern auch die aktive Wirtschaft aus den Fluren der Macht und den Entscheidungsorten verbannte. (…)

Das Buch möchte Lesern, die gewöhnlich nichts mit ökonomischen Themen zu tun haben, die Macht wirtschaftlicher Ideen und ökonomischer Prozesse über unsere Vorstellungskraft, unsere Überzeugungen und Leidenschaften deutlich machen und so ein Interesse für diese Themen wecken. Dazu stellt es Fragen: Wie konnte sich die Wirtschaft von der Kontrolle durch Politik und Militär so befreien, dass sie in unserer Gesellschaft immer mehr die Herrschaft übernahm? Wie hat sich die moderne Welt herausgebildet? Und warum sind die Theorien der Ökonomen eher Teil der Probleme, die diese Welt ständig produziert, als Teil der Lösungen?


Aus dem Vorwort zur deutschen Ausgabe


Yanis Varoufakis


Jahrgang 1961, ist ein griechisch-australischer Wirtschaftswissenschaftler und Autor zahlreicher Buch- und Zeitschriftenpublikationen. Er war Professor für ökonomische Theorie an der Universität in Athen und an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs der Universität in Austin, Texas. 2015 war er ein halbes Jahr lang Finanzminister der Regierung unter Alexis Tsipras.


Inhaltsverzeichnis


Vorwort zur deutschen Ausgabe



1. Warum gibt es so viel Ungleichheit?



2. Preise gegen Werte



3. Schulden, Gewinn, Reichtum



4. Kredit, Krise, Staat



5. Herumgeisternde Maschinen



6. Zwei ödipale Märkte



7. Idiotische Viren?



8. Geld



Statt eines Nachworts


Leseprobe


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Siehe auch


Yanis Varoufakis: Die ganze Geschichte – Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment