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Herbert Girardet (Hrsg.) / World Future Council
Zukunft ist möglich

Wege aus dem Klima-Chaos


Hamburg
2007 (Europäische Verlagsanstalt); 360 Seiten;
ISBN-10: 3434506063, ISBN-13: 978-3434506065








»Die knappste Ressource ist nicht das Öl, nicht das Gas und auch nicht das Uran; es ist die Zeit, die wir noch haben, um unsere Verhaltensweisen den Anforderungen und Grenzen unserer Umwelt anzupassen.« (Russel Train)

Die acht Kapitel dieses Buches beschäftigen sich vor allem damit, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir dem Klimawandel begegnen können. Der Klimawandel ist wahrscheinlich die größte gemeinsame Herausforderung, welche die Menschheit je erlebt hat. Und sie führt direkt ins Herz der Wachstumsphilosophie, die der modernen urbanen Industriegesellschaft zugrunde liegt. Die acht Autoren skizzieren Lösungsmöglichkeiten in verschiedenen Problemfeldern und geben konkrete Beispiele schon praktisch erprobter Maßnahmen, deren Förderung auf breiter Ebene noch aussteht. So kann der Klimawandel – gemäß den Ausführungen der Autoren – auch als Chance zum längst überfälligen Wandel begriffen werden.


Der World Future Council


(Weltzukunftsrat) um den Gründer des Alternativen Nobelpreises Jakob von Uexküll sowie den Autor und Filmemacher Herbert Girardet versteht sich als internationale Lobby für künftige Generationen und setzt sich für eine Weltgemeinschaft ein, die auf der Grundlage von Gewaltlosigkeit, Nachhaltigkeit, Respekt und Gerechtigkeit zusammenkommt. Der WFC hat als Stiftung seinen Hauptsitz in Hamburg. Der Council will verlässlicher Bezugspunkt für Entscheidungsträger, die Zivilgesellschaft und die Weltöffentlichkeit sein. Mit Unterstützung von Wissenschaftlern und Expertenkommissionen wird der WFC globale Trends überwachen und vorhandene Forschungsergebnisse destillieren. In enger Zusammenarbeit mit Parlamentariern, Vertretern der Zivilgesellschaft, Regierungen und internationalen Organisationen wird der WFC weltweit die Durchsetzung der jeweils „besten Politik“ in vielen Bereichen fördern und durchsetzen helfen.




Prof. Herbert Girardet


ist Autor, Berater, Filmemacher und Forschungsleiter der World Future Council Initiative. Er ist Vorsitzender der Schumacher Society, Großbritannien, Honorary Fellow des Royal Institute of British Architects, Patron der Soil Association und Empfänger eines Global 500 Preises der UNO. Er hat acht Bücher veröffentlicht, u.a. The Gaia Atlas of Cities (1992), Creating Sustainable Cities (1999), Cities, People, Planet (2004). Er hat 50 TV Dokumentarfilme zum Thema nachhaltige Entwicklung produziert. 2003 war er 'Thinker in Residence' in Adelaide und hat Nachhaltigkeitsstrategien für Südaustralien entwickelt. Er ist Gastprofessor an der University of Northumbria, der Middlesex University und der University of West of England.


Inhaltsverzeichnis


Vorwort
von Jakob von Uexküll








Von hier nach dort – Die kommenden Jahre







Zukunft – welche Zukunft?
Einleitung von Herbert Girardet








Der World Future Council – Dieses Buch







Ross Gelbspan
Klima-Chaos







Hermann Scheer
Erneuerbare Energie ist die Zukunft








Ein neuer Aufbruch – Nichts lässt sich schneller einführen als erneuerbare Energien – Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz – Technologie und soziale Organisation – Die konventionelle Perspektive – Kernkraft: eine Null-Option! – Internationale Initiativen zu Energiefragen: Die Notwendigkeit einer Internationalen Energiebehörde für Erneuerbare Energien – Erneuerbare Energien sind eine realistische und erschwingliche Alternative – Die Tatsachen sprechen für sich – Von der Theorie zur Anwendung – Man sollte die Gesetze der Natur mehr achten als die des Marktes







Edward Goldsmith
Landwirtschaft im Zeitalter des Klimawandels








Stickstoffoxid- und Methan-Emissionen – Energie-Intensität – Schutz des Ackerbodens – Bewässerung – Lokale Lebensmittel – Relative Autarkie – Kleine Bauernhöfe – Sortenvielfalt der Nutzpflanzen – Beseitigung des Kunstdüngers: ein Lösungsmultiplikator







Peter Bunyard
Das Klima und der Amazonas








Kohlenstoffemissionen – Holzeinschlag – Avança Brasil – Soja und seine ökologischen und sozialen Folgen – Ein Jahr ohne Beispiel (2005) – Die Ökosysteme und das Klima – Der Amazonas als Klimasystem – Die Weite Amazoniens ist kein Schutz vor Entwaldung – Meteorologische Fernwirkung (Teleconnection) – Entwaldung und Feuer – Niederschlag und Entwaldung – Die Fernwirkung durch Rossby-Wellen gerät durch Entwaldung in Gefahr – Entwaldung und steigende Temperaturen – Das Kyoto-Protokoll gibt falsche Ziele vor







Herbert Girardet
Die Schaffung lebenswerter und nachhaltiger Städte








Wo stehen wir? a. Entwicklung und Urbanisierung – Globale Folgen; b. Städte und Energieverbrauch – Wohlstand und die Zersiedlung des Stadtraumes; c. Städte und das Netz des Lebens
Wohin gehen wir? Das Beispiel China – Städte und nachhaltige Entwicklung – Urbane Fußabdrücke
Wo wollen wir hin? Regeneration und nachhaltige Entwicklung – Die Wirtschaft – Verkehr – Abfall-Management – Wiederbelebung der Kommunen
Wie kommen wir von hier nach dort? Die Öko-Stadt Dongtan – Der Dongtan-Gesamtplan – Die Insel Chongming – Architektur, Energie und Verkehr – Die Wirtschaft – Landwirtschaft – Wasser und Grünflächen – Die erste Phase von Dongtan – Zukunftsaussichten – Die große Herausforderung, die vor uns liegt







Michael Braungart
Die nächste Industrielle Revolution – „Cradle to Cradle“








Wo stehen wir? Die erste Industrielle Revolution – Von der Wiege bis zur Bahre (Nehmen, produzieren, wegwerfen)
Worauf steuern wir zu? Öko-Effizienz – Nachhaltigkeit
Wo wollen wir stehen? Öko-Effektivität – Die nächste Industrielle Revolution – Von der Wiege zur Wiege / Cradle to Cradle (Regenerative Produktivität) – Triple Top-Produkte
Wie sehen die Schritte aus? Fünf Schritte – Das Fraktal-Dreieck (Ökologie / Ökonomie / Soziale Gerechtigkeit) – Das „Pooling“ intelligenter Materialien – Der Mirra-Stuhl: Fallstudie eines Gebrauchsproduktes – Das kompostierbare T-Shirt







Stewart Wallis
Eine grundlegend neue Vision für den Welthandel








Einführung
Die gegenwärtige Situation a. Ökonomische Ungleichheiten; b. Auswirkungen der Armut; c. Auswirkungen auf die Umwelt; d. Wohlbefinden
Eine grundlegend neue Vision a. Hauptgrundzüge; b. Wichtige Bausteine: 1. Das Erreichen eines Grundniveaus sozialer und ökonomischer Rechte für alle Menschen auf der Erde; 2. Berücksichtigung der Umweltkosten und Schutz der Umwelt; 3. Beseitigung ökonomischer Ungerechtigkeiten; 4. Regulierung transnationaler Unternehmen; 5. Reform der Wirtschaftsordnung
Wie man den Wandel schafft







Frances Moore Lappé
Was für eine Art von Demokratie?
Die Gefahr einer Mageren Demokratie (Thin Democracy) und die Aussicht auf eine Gelebte Demokratie (Living Democracy)








Es fehlt ein Konzept
Für eine stärkere Absicherung der Demokratie Die Gefahr: Magere Demokratie – Wie sieht die nächste historische Etappe der Demokratie aus?
Die Gelebte Demokratie wird sichtbar 1. Wie man herrschende Systeme demokratischer macht; 2. Die Entwicklung paralleler Systeme, die Werte der Gelebten Demokratie verkörpern; 3. Einbringung neuer demokratischer Praktiken in vorhandene Entscheidungsstrukturen; 4. Demokratisierung der Unternehmens-„DNS“; 5. Demokratisierung der Regierungs-„DNS“; 6. Wie Bürger mehr Einfluss auf globaler Ebene erwirken
Gelebte Demokratie... Und warum gerade jetzt?







Kurzbiografien der Autoren



Glossar


Leseprobe


Vorwort
von Jakob von Uexküll






Während der letzten Jahre hat ein kleines Team hart gearbeitet, um eine neue internationale Organisation zu schaffen – den World Future Council. 2007 trägt dieses Bemühen nun erste Früchte: Es treten erstmals die fünfzig Ratsmitglieder zusammen, zugleich fällt der Startschuss zu unserer ersten großen internationalen Kampagne – über erneuerbare Energie und den Klimawandel – und wir legen mit dem vorliegenden Band unser erstes wichtiges Buch vor. Es ist mir eine sehr angenehme Pflicht, das Vorwort zu diesem Werk zu schreiben, für das acht hervorragende Autoren Beiträge geschrieben haben, und damit die Möglichkeit zu haben, die Ziele zu umreißen, die wir mit der Schaffung des World Future Council verfolgen.






Die Menschheit befindet sich in einer außerordentlichen Situation. Trotz eines in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie da gewesenen Fundus an Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen befinden wir uns auf einem beispiellosen Kollisionskurs mit unserer Zukunft. Entscheidungen, die heute getroffen werden, werden weitreichendere Konsequenzen haben, als wir uns da je hätten vorstellen können, und doch herrscht ein kurzfristiges Denken vor. Überall auf der Welt löst die Erschöpfung der Ressourcen und die Umweltverschmutzung, die zunehmende Ungleichheit zwischen Reich und Arm und das daraus resultierende Potenzial zu gewalttätigen Konflikten Furcht und Verunsicherung aus. UNO-Kommissionen und Konferenzen haben sich darum bemüht, viele dieser Probleme anzugehen, doch auch diese notwendigen politischen Veränderungen sind kaum dazu in der Lage, an Umfang oder Größenordnung mit den Problemen Schritt zu halten, vor die wir uns gestellt sehen. Dies führt zu einem zunehmenden Mangel an Vertrauen in nationale und internationale Organisationen.






Der World Future Council ist geschaffen worden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Er soll ein verlässlicher Bezugspunkt für Entscheidungsträger, die Zivilgesellschaft und die Weltöffentlichkeit sein, der sich für eine Weltgemeinschaft einsetzt, die auf der Grundlage von Gewaltlosigkeit, Nachhaltigkeit, Respekt und Gerechtigkeit zusammenkommt. Als eine moralische Instanz in der demokratischen Arena wird der World Future Council einen neuen Prozess in Gang setzen, um dabei mitzuhelfen, Regeln und Normen, die weltweit gültig sind, zu verändern, indem er die wichtigsten internationalen Herausforderungen von der politisch-ökonomischen auf die ethische Ebene hebt.






Institutionen, die den Status quo verteidigen, sind wohletabliert, doch bis heute hat die Zukunft keine vergleichbare Stimme gehabt. Der WFC ist geschaffen worden, um diese Lücke zu füllen und als internationale Lobby für künftige Generationen zu fungieren. Sein besonderer Zweck besteht darin, bei der Schaffung einer sichereren und gerechteren Welt mitzuhelfen, indem er wichtige Veränderungen in Richtung eines positiven Fortschritts beschleunigt – etwa durch Sicherung einer nachhaltigen ökologischen Basis für die menschliche Entwicklung und einer gerechten Handlungsweise in der internationalen Politik.






Der World Future Council wird sich darum bemühen, ein „globales Gewissen" zu sein, das für unsere gemeinsamen Interessen als Bürger dieses Planeten eintritt und dem kurzfristigen Denken, der Habgier und der Selbstgefälligkeit entgegenwirkt. Er wird mithelfen, die Bedürfnisse künftiger Generationen nach einem intakten Planeten zu sichern. Er wird vorhandenen Initiativen zusätzlichen Wert verleihen, indem er einen Werterahmen setzt, mit dem Ziel der schnellstmöglichen Umsetzung dringend notwendiger globaler Reformen. Er wird nicht den Anspruch erheben, für andere zu sprechen, aber er wird durch die Qualität seiner Arbeit und die Zusammensetzung seiner Mitglieder legitimiert sein.






Der World Future Council ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Internationale Meinungsumfragen weisen klar darauf hin, dass es in den verschiedensten kulturellen Traditionen überall auf der Welt gemeinsame Werteprioritäten gibt: Wir alle wollen ein gutes Leben für unsere Kinder, eine gesunde Umwelt, ein gewaltfreies Leben in gegenseitigem Vertrauen und beiderseitigem Respekt. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass diese Werte sich durchsetzen können und dass ausgehend von solchen gemeinsamen Grundsätzen effektive Maßnahmen entwickelt werden.






Von hier nach dort






In den letzten vier Jahren sind in vielen Ländern Konferenzen abgehalten worden, um die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit der Schaffung eines World Future Council zu lenken. Mehr als 5000 Organisationen in 200 Ländern sowie mehrere tausend Parlamentsabgeordnete und andere interessierte Personen sind konsultiert und gebeten worden, den World Future Council zu fördern und Ratsmitglieder vorzuschlagen. Diese sind nach sehr umfassenden internationalen Beratungen inzwischen gewählt worden.






Der World Future Council besteht aus rund fünfzig geachteten Personen aus der ganzen Welt – herausragenden Persönlichkeiten, erfahrenen Ratgebern, Vorkämpfern in verschiedenen Bereichen und Jugendführern. Er hat damit begonnen, regelmäßig Konferenzen abzuhalten, bei denen es um die Frage geht, wie Handlungslücken geschlossen werden können und wie die Rechte von Kindern und künftigen Generationen zu sichern sind. Diese Treffen bemühen sich darum zu klären, was notwendig ist und nicht was gegenwärtig politisch möglich erscheint. Damit wollen wir eine Atmosphäre der Zuversicht schaffen und das Bewusstsein stärken, dass wir alle an der Lösung der riesigen Probleme, vor die sich die Menschheit heute gestellt sieht, beteiligt sind.






Der World Future Council wird von einer großen Zahl internationaler Organisationen und Personen mit den unterschiedlichsten professionellen Hintergründen unterstützt. Seine Organisationsstruktur ist darauf angelegt, schlank und effizient zu sein. Wir haben schon jetzt drei Büros in Europa und Nordamerika und sind dabei, auch Büros auf der Südhalbkugel zu errichten. Ein leitendes Gremium mit einem mehrsprachigen Sekretariat, dem ein Beraterstab zur Seite steht, koordiniert die Aktivitäten des Rats. In rechtlicher Hinsicht ist der World Future Council eine wohltätige Stiftung, die in mehreren Ländern registriert ist, und ihre Aktivitäten und Finanzen unterliegen einer strengen gesetzlichen Rechenschaftspflicht.






Ein Hauptaspekt der Arbeit des WFC werden seine internationalen Kampagnen sein, zu Themen, bei denen Handlungsbedarf besteht. Wir haben vor, alljährlich zwei große Kampagnen zu organisieren – angesichts der bedrohlichen Folgen des Klimawandels wird sich die erste Mitte 2007 mit der beschleunigten Einführung erneuerbarer Energien befassen. In enger Zusammenarbeit mit Parlamentariern, Vertretern der Zivilgesellschaft, Regierungen und internationalen Organisationen wird der World Future Council weltweit die Durchsetzung der jeweils „besten Politik" auf allen Gebieten fördern und durchsetzen helfen. Unsere internationalen Aufrufe zu Kampagnen und Medienaktivitäten sollen Maßnahmen initiieren, in denen ein intakter Planet und eine Kultur des Weltbürgertums Vorrang besitzen.






Der World Future Council hat schon jetzt breite Unterstützung erfahren: Er hat begonnen, mit dem E-Parlament zusammenzuarbeiten – einem globalen Netzwerk von Parlamentariern – sowie mit Gruppen der Zivilgesellschaft, denen es um die Verbreitung effektiver Maßnahmen und langfristiger Lösungen geht. Die Zusammenarbeit mit den Medien und der globalen Internetgemeinschaft wird auch in Zukunft eng sein, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Überlegungen des Rats weltweit verbreitet werden. Zusätzlich wird der World Future Council zur Schaffung nationaler, regionaler und lokaler Zukunftsräte ermutigen, um für die vorgeschlagenen Maßnahmen und Programme Unterstützung zu mobilisieren.






Mancher wird sich fragen, was der World Future Council kann, was andere nicht erreichen könnten. Der Rat wird sich nicht darum bemühen, irgendwelche globalen Probleme aus eigener Kraft zu lösen, sondern wird vielmehr das fehlende ethische Ingrediens in die globalen Maßnahmen injizieren, um so den notwendigen Katalysator zum Handeln zu liefern. Er lässt sich mit Bürgerinitiativen der Vergangenheit vergleichen, die dabei mithalfen, die Sklaverei abzuschaffen, das Stimmrecht für Frauen durchzusetzen und die Bürgerrechte zu verbreiten.






Die kommenden Jahre






In den kommenden Jahren wird die Arbeit des World Future Council bis zu 24 wichtige Fragen der globalen Umwelt sowie soziale und ökonomische Fragen ansprechen. Dieses Buch deckt die ersten acht Themenbereiche ab. Mit Unterstützung unserer eigenen Wissenschaftler und kleinen Expertenkommissionen, die mit bestehenden Organisationen verbunden sind, werden wir globale Trends überwachen und vorhandene Forschungsergebnisse herausdestillieren. Außerdem werden wir Vorschläge für nationale Gesetzgebungen und internationale Verträge entwickeln, die dem Rat zur Erörterung und zur Annahme vorgelegt werden.






Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat einmal bemerkt, dass es schwierig sei, Werte wie Liebe, Großzügigkeit und Solidarität in einer Gesellschaft zu fördern und zu praktizieren, deren Institutionen, Regeln und Informationsströme geringere menschliche Werte propagieren. Indem sie für die allen gemeinsamen Werte als Bürger eintreten, verfolgen die Mitglieder des World Future Council das Ziel, unsere öffentlichen Debatten zu erweitern, zu enttrivialisieren und die großen Herausforderungen von der politisch-ökonomischen auf die ethisch-moralische Ebene zu heben.






Heute genießen ökonomische Argumente Vorrang (und werden von mächtigen Institutionen unterstützt), und nur allzu oft gelten demokratische Politiker entweder als machtlos oder korrupt – oder beides. Aber wenn die Demokratie nicht die Macht besitzt, auf globale Veränderungen zu reagieren, sind die Alternativen, vor die wir uns gestellt sehen, Diktatur oder Anarchie. Wir stehen vor einer Krise der (moralischen) Führung, auch in reifen Demokratien, und je weniger man der politischen Führung vertraut, umso weniger wird sie zu handeln wagen. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden.






Dieser Gefahr kann nicht nur durch die Förderung formaler demokratischer Strukturen begegnet werden. Wir müssen auch sicherstellen, dass andere Institutionen in der Gesellschaft demokratische Werte und Pflichten unterstützen und nicht den Versuch machen, sie zu untergraben. In einer Demokratie sind Märkte gute Diener – aber sehr schlechte (und unannehmbare) Herren! Ökonomen sollten verfügbar sein – bereitstehen, jeden erforderlichen Rat zu geben –, aber sie dürfen nicht an der Spitze stehen und die Tagesordnung festsetzen. So wie die Demokratie damit unvereinbar ist, dass die Kirche oder der Staat alle Sektoren der Gesellschaft beherrscht, ist es unakzeptabel, dass der ökonomische Sektor die Vorherrschaft über alle anderen Institutionen und Lebensbereiche beansprucht. Marktwerte und „Marktdisziplin" gehören zu Märkten. Eine lebendige Demokratie muss im Gegensatz dazu in der Lage sein, in einem Raum zu agieren, der nicht vom Kommerz dominiert ist.






Wenn wir uns auf diese Reise in die Zukunft begeben – die schwierigste, die die Menschheit je unternommen hat – und das Ruder immer noch in den Händen von Unternehmen mit beschränkter Haftung lassen, die nur den Auftrag haben, Gewinne zu maximieren, dann werden wir niemals ankommen. Es gibt aber wichtigere Ziele im Leben als die größtmögliche Auswahl an Konsumgütern. Wie der Nationalökonom E. F. Schumacher schrieb, „liegt das Wesen der Zivilisation nicht in der Vervielfachung von Wünschen, sondern in der Reinigung des menschlichen Charakters". Zu behaupten, wir könnten es uns nicht leisten, alles nur Menschenmögliche zum Schutz unserer natürlichen Umwelt zu tun, impliziert, dass wir glauben, wir könnten es uns nicht leisten, auf diesem Planeten zu leben!






Der Ende 2006 veröffentlichte Stern-Report nennt das Klimachaos das größte Versagen des Markts, das es je gegeben hat. Es verweist aber auch auf ein ungeheures Versagen demokratischer Politik und der „freien" Medien. Dreißig Jahre lang sind alle Beweise verfügbar gewesen – und immer mehr kamen hinzu –-, wurden aber von unseren Entscheidungsträgern und Meinungsbildnern ignoriert, weil diese unbequeme Wahrheit mit ihren ideologischen Vorurteilen im Widerspruch stand, dass Märkte und Technologie alle Probleme lösen können.






Heute kosten diese Annahmen über die rein materialistische Natur des Menschen – die unter verschiedenen politischen Vorzeichen gefördert wurden – nicht nur die Erde einen hohen Preis, sondern weisen auch einen großen Makel auf. Nach einer Generation des ungehemmten Konsums sind beispielsweise amerikanische Mütter heute unglücklicher und ihre Kinder ungesünder als noch vor dreißig Jahren.






Wir müssen die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, völlig neu gestalten. Dies ist eine enorme Herausforderung – aber in Krisenzeiten sind große Schritte oft leichter als kleine, weil man sie als den Problemen angemessen erkennt und sie anregen und mobilisieren kann. Wir haben das Fachwissen, die Arbeitskräfte und das Werkzeug, die nötig sind, um eine Weltordnung aufzubauen, die unserer höchsten Ambitionen und Visionen würdig ist. Weshalb also leben wir immer noch mit Problemen, die wir lösen können? Warum warten wir mit dem Handeln, bis es vielleicht zu spät ist?






Auf Reisen braucht man Fahrpläne und Reiseführer. Dieses Buch soll so ein Instrument sein, das sich besonders auf wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung des menschlich induzierten Klimawandels konzentriert. Wo andere die ungeheuren Kosten des Klimachaos aus der jeweiligen Perspektive der Umwelt, der globalen Gerechtigkeit, der Sicherheit und Ökonomie geschildert haben, weist dieses Buch auf Lösungsmöglichkeiten hin, die für uns in Reichweite liegen. Es verdeutlicht aber auch, dass nach vielen verschwendeten Jahren nur noch gemeinsame Anstrengungen, die JETZT beginnen, diese beispiellose globale Krise auf handhabbare Proportionen reduzieren können.






Ich empfehle dieses Buch Lesern aus allen Lebensbereichen und aus der ganzen Welt. Wenn es zu einem Instrument zur Beschleunigung eines sinnvollen Wandels wird, wird es seinen Zweck erfüllt haben.






Jakob von Uexküll, Gründer des World Future Council









Dieses Buch
Inhaltsübersicht aus der Einleitung
von Herbert Girardet






Dieses Buch ist die erste größere Veröffentlichung des World Future Council. Es befasst sich in erster Linie mit Umweltfragen, und zwar in größerem Maße als künftige Bücher, die wir veröffentlichen werden. Seine acht Kapitel beschäftigen sich vor allem damit, neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir mit dem Klimawandel umgehen können. Dessen potenzielle Auswirkungen lassen die jedes Krieges, jeder Wirtschaftskrise, jeder Epidemie oder jeder Hungersnot verblassen, mit der die Menschheit bisher konfrontiert war. Der Klimawandel ist wahrscheinlich die größte gemeinsame Herausforderung, welche die Menschheit je erlebt hat. Sie führt direkt ins Herz der Wachstumsphilosophie, die der modernen urbanen Industriegesellschaft zugrunde liegt. Der Klimawandel ist besonders besorgniserregend, wenn, man bedenkt, welches Vermächtnis wir künftigen Generationen hinterlassen. Führende Wissenschaftler sagen heute, dass uns kaum mehr als zehn Jahre bleiben, den Klimawandel noch irgendwie abzubremsen. Doch wenn wir nicht gegen ihn angehen, begehen wir ein untolerierbares Verbrechen an der Zukunft.






Der Klimawandel ist das direkte Ergebnis zweier wichtiger Veränderungen: der beispiellosen Verbrennung fossiler Brennstoffe und der schwindenden Kapazitäten der Biosphäre, diese Freisetzung von Treibhausgasen zu bewältigen. Beides sind langfristige Trends, deren Auswirkungen in einer Welt, die an kurzfristiges Denken gewöhnt ist, kaum zu erkennen sind.






Fakt ist, dass wir es in nur 300 Jahren geschafft haben, fossile Brennstoffe zu verbrennen, deren Entstehung 300 Millionen Jahre gebraucht hat. Ein Teil der Menschheit hat infolgedessen ein recht gutes Leben, vernichtet dabei aber einen erheblichen Teil des im Laufe der Evolution entstandenen Lebens auf der Erde: Das Leben hat viele Millionen Jahre lang eine Schlüsselrolle bei der Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre gespielt, es tief in der Erdkruste verstaut und damit unschädlich gemacht. In den letzten 300 Jahren haben wir diesen Prozess umgekehrt. Indem wir Kohlenstoff aus Kohle, Öl und Gas in ungeheuren Mengen wieder in die Atmosphäre entlassen, verändern wir die Bedingungen, die die Entfaltung des Lebens auf der Erde überhaupt erst möglich gemacht haben.






Dies ist das Zeitalter des Feuers, und je mehr Feuer wir anzünden – in den Heizkesseln unserer Häuser, in den Motoren unserer Autos, Lastwagen und Flugzeuge –, desto schneller verändern wir die Lebensbedingungen auf dem Planeten Erde. Jetzt müssen wir mit den Konsequenzen fertig werden und versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Dies bedeutet, dass wir dringend handeln müssen – wir müssen in naher Zukunft auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe verzichten, um die Ozeane davon abzuhalten, das Land zu überfluten, um Orkane davon abzuhalten, unsere Häuser zu verwüsten, und um den Tod von Regenwäldern und Korallenriffen zu verhindern.






Die acht Kapitel dieses Buches versuchen, einen Fahrplan zu entwerfen, wie wir diese historische Aufgabe bewältigen könnten.






Ross Gelbspan, Autor des Bestsellers The Heat is On, bietet im ersten Hauptkapitel dieses Buches einen tiefen Einblick in den starken Widerstand einer kleinen Elite in seinem Heimatland, den Vereinigten Staaten, die sich den Herausforderungen des Klimawandels nicht stellen will. Hinter diesem Widerstand stehen mächtige Interessen, besonders die der (fossilen) Energielobby, die im engen Bündnis mit den Massenmedien stehen. Trotz der wachsenden Gewissheit darüber, dass der Klimawandel nicht nur ein Thema für künftige Generationen ist, sondern ein dringendes Problem im Hier und Jetzt, sehen wir in den USA kaum Anzeichen dafür, dass etwas dagegen unternommen wird.






Und dies ist natürlich nicht nur ein Thema für die USA, sondern genauso für alle anderen Industriestaaten. Die systembedingte Abhängigkeit unserer Volkswirtschaften, unserer Verkehrssysteme und unseres vorwiegend städtischen Lebensstils von der routinemäßigen Verbrennung fossiler Brennstoffe ist der Kern dieses Problems. Daran gekoppelt können wir die Tatsache beobachten, dass es Millionen Menschen gibt, deren berufliche Laufbahn mit der Ökonomie der fossilen Brennstoffe eng verwoben ist. Institutionelle Trägheit, die auf dem Bedürfnis beruht, alles lieber auf gewohnte Weise zu tun, ist ein weiterer wichtiger Faktor.






Ross Gelbspan bietet eine faszinierende Perspektive auf den Klimawandel irgendwo zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Er lässt uns nicht hilflos zurück, sondern befürwortet bedeutende Veränderungen bei der Besteuerung, bei Subventionen und anderen finanzpolitischen Maßnahmen. Er schildert erneuerbare Energien als ein wichtiges Werkzeug zur Wiederbelebung regionaler Volkswirtschaften im Zeitalter der ungezügelten Globalisierung. Am Ende seines Kapitels zeigt er, welches Potenzial in der Klimakrise steckt: Sie könnte zu einer wichtigen Chance auf Veränderung werden. „Letztlich besteht die Hoffnung, dass – besonders angesichts der zentralen Bedeutung der Energie für unser modernes Leben – eine sinnvolle Lösung der Klimakrise potenziell der Beginn einer weit größeren Transformation unserer gesellschaftlichen und ökonomischen Dynamik sein könnte."






Im zweiten Kapitel bietet Hermann Scheer eine detaillierte Übersicht darüber, wie eine solche Umwandlung konkret bewerkstelligt werden könnte. Als Mitglied des Deutschen Bundestages ist er eine der treibenden Kräfte bei der Durchsetzung einer hoch effektiven Politik zugunsten erneuerbarer Energien, die inzwischen weltweiten Einfluss hat. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, zu dessen Durchsetzung im Bundestag er entscheidend beigetragen hat, hat einen ungeheuer positiven Einfluss auf die Entwicklung erneuerbarer Energien in Deutschland gehabt. Dabei sind rund 170.000 neue Arbeitsplätze und völlig neue Industriezweige entstanden. Viele andere Länder folgen jetzt in mancherlei Form dem deutschen Beispiel.






Hermann Scheer hat eine praktische Vision von einer Welt, die sich aus ihrer Abhängigkeit sowohl von fossilen Brennstoffen als auch von der Kernkraft befreien kann. Wie Ross Gelbspan ist auch ihm der Widerstand sehr bewusst, der der Schaffung einer zukunftsfähigen Welt im Weg steht, einer Welt, die frei ist von dem Diktat der Unternehmen und Politikern, die der Idee der Ausbeutung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie zu sehr verbunden sind.






Anders als fossile Energieträger ist die erneuerbare Energie unerschöpflich, solange das Sonnensystem existiert. Die Sonne liefert unserem Planeten jeden Tag 15.000-mal mehr Energie, als wir gegenwärtig verbrauchen. Es ist sehr wichtig, dass bei der Nutzung erneuerbarer Energien ein Anfang gemacht worden ist, der noch dazu beachtlich ist. Infolge einer angemessenen Gesetzgebung nimmt die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien rapide zu. Während die Kosten fossiler Brennstoffe in die Höhe schießen, wird erneuerbare Energie immer preiswerter. Das verheißt für die Zukunft sehr viel Gutes. Scheer schließt sein Kapitel mit der Bemerkung, dass „es infolge der anhaltenden Klimakrise und der weltweiten Energiekrise schon sehr spät ist. Aber mit erneuerbaren Energien ist es möglich, diese furchterregenden Trends umzukehren – zugunsten einer besseren Zukunft für alle. Lassen Sie uns auf diesem Weg weitergehen".






Teddy Goldsmith, Gründer der bahnbrechenden Zeitschrift The Ecologist Magazine, tritt angesichts einer Welt, die unter einem sich beschleunigenden Klimawandel leidet, für die Schaffung eines nachhaltigen Ernährungssystems ein. Über Jahrzehnte hinweg ist ein immer weniger nachhaltiges globales Ernährungssystem geschaffen worden, das die Böden, der Welt übermäßig ausbeutet, die biologische Vielfalt verringert und Wasservorräte in einer verantwortungslosen Art und Weise verbraucht.






Unser gegenwärtiges Ernährungssystem ist gänzlich abhängig von dem laufenden Einsatz fossiler Brennstoffe – beim Betrieb von Bauernhöfen, der Herstellung von Dünger und Pestiziden und beim Transport von Nahrungsmitteln per Schiff, per Bahn, auf der Straße oder per Flugzeug. Lebensmittelverarbeitung, Kühlung und HandeIsmonopole vervollständigen das Bild von einem sich von jeder Nachhaltigkeit entfernenden Ernährungssystem, das sich über den ganzen Globus ausbreitet. Die Landwirtschaftspolitik einer immer größeren Zahl von Ländern und Handelszonen unterstützen diesen Trend der immer größeren Globalisierung von Lebensmitteln auch weiterhin. Jüngst veröffentlichte Studien haben gezeigt, wie unverantwortlich moderne Landwirtschaftssysteme im Hinblick auf den Energieverbrauch sind. Um eine Tonne Getreide oder Gemüse mit Hilfe moderner Landwirtschaftstechnik zu erzeugen, sind sechs- bis zehnmal mehr Energie nötig als beim Einsatz nachhaltiger Anbaumethoden. Wenn man dann noch die Energie hinzurechnet, die für den Transport und die Verarbeitung eingesetzt wird, sind die Zahlen noch weit höher.






In einem Zeitalter des Klimawandels ist dieser Trend untragbar. „Wir müssen ein Landwirtschaftssystem entwickeln, das nicht diese schrecklichen Probleme zur Folge hat, sondern im Gegenteil mithilft, unsere Bodenressourcen neu zu beleben und somit aufzubauen." Es könnte für uns von großem Nutzen sein, von den traditionellen Praktiken der Landwirtschaft für die Anbausysteme der Zukunft zu lernen. Wieder einmal wird offenkundig, dass in der Gesellschaft neue Kräfte nötig sind, um die gegenwärtigen Trends umzukehren. Die gute Nachricht ist, dass die Verbraucher an vielen Orten einen Trend hin zu regionaler Lebensmittelerzeugung für den lokalen Bedarf zu unterstützen scheinen. Aber das muss eine noch breitere, populärere Bewegung werden, wenn sich nicht nur die Politik von Ländern, sondern auch die von Lebensmittelunternehmen ändern soll.






Peter Bunyard hat sich als Wissenschaftsredakteur der Zeitschrift The Ecologist seit Jahren mit vielen Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung beschäftigt. Die Zukunft der Wälder ist seine Hauptsorge, und er widmet einen großen Teil seiner Zeit der Dokumentation dessen, was mit dem Regenwald am Amazonas geschieht. Dieses größte Regenwaldgebiet der Welt ist in den letzten 30 Jahren zum Gegenstand vieler Umweltkampagnen geworden. Es hat große Erfolge und große Niederlagen gegeben. Bedeutende Teile Amazoniens sind inzwischen als Reservate für einheimische Völker und die Biosphäre geschützt. Doch das Abholzen geht weiter, und immer größere Gebiete werden durch neue Straßenbauprojekte zugänglich gemacht. Holz, Gold, Zinn, Eisenerz und viele andere Ressourcen werden abgebaut, oft für die Nutzung an weit entlegenen Orten. Die Umwandlung von Regenwald in Weideland und zunehmend auch zu Sojabohnenfeldern geht seit Jahren unerbittlich weiter.






Peter Bunyard weist auf einen entscheidenden Umstand hin: dass die fortgesetzte Vernichtung des Regenwalds am Amazonas zunehmend dessen Dienste an der Umwelt des gesamten Planeten untergräbt. Das Abholzen der Wälder verringert ihre Kapazitäten, Kohlenstoff zu binden – infolgedessen ist der Wald am Amazonas nicht nur nicht mehr fähig, Kohlendioxid aufzunehmen, sondern entlässt selbst Kohlendioxid in die Atmosphäre. Von vielleicht noch größerer Bedeutung ist der Verlust der Fähigkeit des Regenwalds, Feuchtigkeit zum Wohl weit entlegener Orte zu produzieren – für ganz Südamerika, und darüber hinaus. Eine kritische Frage ist, wie die funktionale Integrität der Wälder am Amazonas trotz des fortgesetzten Drucks auf diese riesige Region sichergestellt werden kann.






„Die Beziehung zwischen tropischen Wäldern und Klima muss unsere erste Überlegung sein, wenn wir die Notwendigkeit des Erhalts rechtfertigen." Es muss ein internationales Verfahren entwickelt werden, das dem Wert des Waldes in seiner Funktion als natürliches Auffangbecken für Kohlendioxid und wegen seiner Dienste am Weltklima Rechnung trägt. Zum Glück beginnen Amazonasländer wie etwa Brasilien allmählich zu erkennen, dass der weitere Verlust dieser ungeheuren Feuchtigkeitsreserve die regionale Wirtschaft. schädigen könnte. Vertrauen wir darauf, dass diese Überlegungen die Entscheidungsprozesse der betroffenen Länder von nun an ernsthaft beeinflussen.






Mein Kapitel über Städte und nachhaltige Entwicklung entwickelt diese Argumente weiter. Eine Urbanisierung im großen Umfang hat das 20. Jahrhundert bestimmt, und ein Ende dieses Prozesses ist immer noch nicht abzusehen. Große Städte sind das Produkt einer Technologie, die auf fossilen Brennstoffen basiert – der größte Teil der weltweit aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Energie wird in den Städten oder für sie verbrannt. Die ökologischen Fußabdrücke von Städten erstrecken sich auf einen großen Teil der Erdkugel; die entlegensten Wildregionen und die entferntesten Ackerböden sind davon betroffen, und wir müssen sicherstellen, dass diesem destruktiven Trend Einhalt geboten wird.






Wir könnten uns vielleicht wünschen, einige Großstädte mögen einfach verschwinden, doch das werden sie höchstwahrscheinlich nicht tun. jetzt kommt es deshalb ganz konkret darauf an, die Funktionsweise vorhandener Städte zu ändern. Vor allem müssen wir sie von ihrer systembedingten Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen entwöhnen und ihr Potenzial als ressourceneffiziente menschliche Wohngebiete nutzen. Viele Städte liegen in Küstenregionen, und so beginnen ihre Bewohner zu erkennen, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, nicht durch das ungehemmte Verbrennen fossiler Brennstoffe zu einem immer höheren Meeresspiegel beizutragen.






Die rasante Urbanisierung in Ländern mit einer großen Bevölkerung wie China und Indien macht klar, dass es mit den herkömmlichen Mustern der Urbanisierung einfach nicht so weitergehen kann. Zum Glück beginnt China – das Land mit der schnellsten Urbanisierung der Menschheitsgeschichte – zu zeigen, dass man vieles auch anders machen kann. Das Projekt der Ökostadt Dongtan in der Nähe von Shanghai setzt erstmals einen bahnbrechenden Prozess einer nachhaltigen Stadtentwicklung in Gang – mit der Schaffung einer Reihe miteinander verbundener Fußgängerdörfer, die aus hoch effizienten Gebäuden bestehen, die ihre Energie von der Sonne, dem Wind und aus Biomasse beziehen. Dongtan wird einen im Wesentlichen in sich geschlossenen Stoffwechsel haben und von einem eigenen Landwirtschaftsgürtel umgeben sein, um eine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Dongtan demonstriert, dass eine neue Stadt sich auch auf ganz andere Art schaffen lässt, dieses Modell verspricht, in den kommenden Jahrzehnten weltweit sehr einflussreich zu werden.






Michael Braungart hat sich bei der Umgestaltung industrieller Produktionsprozesse international einen Namen gemacht. In seinem Kapitel stellt er die allgemein akzeptierten Annahmen über die Vorzüge des Recycling in Frage und gibt zu bedenken, dass das Recycling in Wahrheit eher ein downcycling ist – dass man vor der endgültigen Entsorgung meist nur zwei oder drei Lebenszyklen hinzufügen kann. Ein entscheidender Grund für das Versagen von Recyclingsystemen ist die Tatsache, dass die recycelten Produkte eigentlich gar nicht fürs Recycling vorgesehen sind und dass die Recyclingprozesse den Materialien, die verarbeitet werden sollen, meist nicht gut genug angepasst sind. Die gegenwärtige Recyclingpraxis ist nicht annähernd so effektiv wie die in sich geschlossenen Systeme der Natur, in denen Abfallmaterial durch einen verblüffend effizienten Prozess zu Nährstoffen für neues Leben wird.






Michael Braungart demonstriert ferner die zentrale Bedeutung der Verwendung neuer Produktionssysteme, bei denen keinerlei Abfall entsteht. Er skizziert Möglichkeiten, wie diese bemerkenswerte Vision in praktische Realität verwandelt werden kann. Für ihn besteht die Herausforderung letztlich darin, sowohl Produkte als auch Produktionssysteme in einem von Öko-Effektivität geprägten Prozess umzuwandeln. „Weniger schlecht ist nicht gleich gut! Wenn man den Schaden minimiert, ist das keine Hilfe für die Umwelt; wenn man weniger schlecht ist, zögert das den unvermeidlichen Zusammenbruch lediglich hinaus."






Ferner gibt er eine Reihe von konkreten Beispielen aus seiner Zusammenarbeit mit großen Unternehmen, die Produktionssysteme einsetzen, die „von der Wiege zur Wiege" arbeiten. Die bedeutendsten Durchbrüche hat es bisher in der Textilindustrie gegeben. Die Herausforderung besteht darin, Produkte und Produktionsprozesse als Angelegenheit von existentieller Wichtigkeit zu betrachten und neu zu erfinden. Dies ist nicht nur ein Thema für die Gesellschaft insgesamt, sondern auch für das Selbstwertgefühl von Unternehmen in einer Zeit, die zunehmend vom Umweltbewusstsein bestimmt ist. In dieser, der nächsten Industriellen Revolution sollten Unternehmen wahrhaft stolz auf ihre Produkte und den Geschäftszweig sein, den sie vertreten!






In seiner radikalen neuen Vision für den Handel besteht Stewart Wallis auf einem ähnlich kreativen Übergangsprozess. Der Handel ist in der ganzen Menschheitsgeschichte eine zivilisierende Kraft gewesen. Märkte sind gesellschaftliche und politische Konstrukte; sie werden von Menschen gemacht, und es gibt keinerlei Grund, weshalb sie von Menschen nicht verändert werden könnten. „Die gegenwärtigen Regeln des Welthandels stützen ein System, das die Vorzüge der Globalisierung zugunsten von reichen Ländern und mächtigen transnationalen Unternehmen verzerrt – auf Kosten der Armen." Dies ist sein wichtigstes Anliegen: dass Konzepte, die uns mit dem Etikett „freier Welthandel" verkauft werden, in Wahrheit Instrumente der Beherrschung und der Macht einer kleinen globalen Elite sind. In Wahrheit sieht es nämlich so aus, dass für den Export aus Entwicklungsländern in die Industriestaaten meist hohe Hürden zu überwinden sind.






Doch es genügt nicht, nur solche grundlegenden Fragen anzugehen. Das ganze System des Welthandels muss im Licht der sich verschlechternden Umweltbedingungen auf der Erde einer neuen Prüfung unterzogen werden. Ein schnelles Wirtschaftswachstum in exportorientierten Ländern wie China verursacht massive lokale und mehr und mehr auch globale Umweltschäden. Hinzu kommen noch die Umweltkosten aus Verkehr und Transport. Die schnelle Zunahme des weltweiten Luftfrachtverkehrs bei leicht verderblichen Gütern wie etwa Gemüse oder Fleisch trägt massiv zum Klimawandel bei. Die Nachfrage vieler Länder der nördlichen Halbkugel nach tropischen Früchten und Gemüsesorten nimmt weiterhin schnell zu.






Aus Sorge um solche entscheidenden Fragen formuliert Stewart Wallis eine Reihe von Kriterien für ein neues Handelssystem, in dem der Handel so konzipiert ist, dass er sich sozial, ökonomisch und auch ökologisch positiv auswirken kann. Dies erfordert natürlich größere Veränderungen der zurzeit weltweit gültigen Regeln. Unterdessen entstehen überall auf der Erde unter dem Label „Fair Trade" neue Formen des Handels, und dieser ist in der Weltwirtschaft inzwischen zu einem wichtigen Wachstumssektor geworden.






Frances Moore Lappé beginnt das letzte Kapitel des Buches mit der nachdrücklichen Feststellung, dass der Menschheit gegenwärtig eine Kernvorstellung von Demokratie fehlt, die vital genug ist, um uns bei der Lösung der ungeheuren Probleme zu helfen, vor denen wir in Zukunft stehen. In den letzten Jahren haben unsere führenden Politiker immer wieder betont, dass sie sich darum bemühen, die Demokratie in der ganzen Welt zu verbreiten. Aber so, wie diese gegenwärtig praktiziert wird, ist Demokratie eine Regierungsform, die eng mit der Marktwirtschaft verwoben ist. Der Hauptwiderspruch besteht darin, dass „Demokratie die Verteilung von Macht bewirken soll, dass unsere Märkte aber die Macht konzentrieren". Die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen einer winzigen globalen Elite steht in direktem Widerspruch zu einer offenen Vorstellung von Demokratie, an der alle Bürger aktiv beteiligt sind.






Doch überall auf der Welt beginnen die Menschen, dieser versagenden Idee von Demokratie entgegenzuwirken. Angesichts der vielen ungelösten Probleme, die wir um uns herum sehen, erkennt Frances Moore Lappé die dringende Notwendigkeit, viel mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, Problemlöser zu werden. Es ist diese neue, aktive Vorstellung von Demokratie, die sie „Gelebte Demokratie" nennt.






Indem sie viele plastische Beispiele aus der ganzen Welt anbringt, zeigt sie, dass dies keine idealistische, utopische Vision ist, sondern ein praktischer Prozess. Gelebte Demokratie ist ein Werkzeug, das die Menschen in die Lage versetzt, Ungerechtigkeiten zu korrigieren und ungelöste Probleme durch Entscheidungsfindung unter stärkerer Beteiligung der Bürger zu bewältigen. Sie ist auch eine weitgehend erworbene Fähigkeit. Sie erkennt an, dass Menschen in dieser komplizierten Welt in die Lage versetzt werden müssen, sich wirkungsvoll für ihre Wertvorstellungen und Interessen einzusetzen. So lassen sich beispielsweise globale Themen wie etwa der Klimawandel nur durch neue, weltweite Bemühungen lösen, an denen auch die Bürger aktiv beteiligt sind. Damit „erweitert die Gelebte Demokratie den Kreis der Problemlöser, dass er auch diejenigen umfasst und beteiligt, die am direktesten betroffen sind“.






Was die Autoren dieses Buches wirklich sagen ist Folgendes: Lasst uns unser Wissen dazu nutzen, die Welt, in der wir gegenwärtig leben, zu einer ganz anderen zu machen. Seien wir kreativ und energisch, nehmen wir ernsthaft auf die Bedürfnisse künftiger Generationen Rücksicht. Lasst uns unser Leben heute genießen, aber dabei die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Nur wenige Dinge können mehr Freude machen, als mit Zuversicht nach vorn zu blicken und zu sagen: Ja, wir haben etwas verändert und unseren Kindern Zuversicht in die Gesichter gezaubert. Wir haben dafür gesorgt, dass das Leben weitergeht und dass wir nicht nur für heute leben, als ob es kein Morgen gäbe.






Wenn der Klimawandel erst einmal voranschreitet, ist er für immer da – zumindest so lange, wie wir jetzt vorausschauen können. Lasst uns also gemeinsam daran arbeiten, die Entscheidungen, die heute getroffen werden, zu ändern, und nicht das gemäßigte Klima unseres Heimatplaneten, ohne das wir nicht leben können. Vor allem angesichts der Bedrohungen des Klimawandels sollten wir das Potenzial eines Wandels zu einem nachhaltigen, aber gleichwohl modernen Leben erkennen und nutzen – nicht nur in den Industriestaaten, sondern überall auf der Welt.






Herbert Girardet, Programmdirektor des World Future Council


Siehe auch


www.worldfuturecouncil.org/ – Website des World Future Council



www.worldfuturecouncil.org/deutsch.html



J. v. Uexküll: „Das sind wir unseren Kindern schuldig“



J. v. Uexküll / H. Girardet: Die Zukunft gestalten – World Future Council – Aufgaben des Weltzukunftsrates



Weltatlas des Klimawandels